Heliskiing in British Columbia:Himmel und Hölle

Locker, flockig, leicht: In den Skigebieten von Nordamerika und Kanada liegt nicht nur einfach Tiefschnee sondern "Champaigne Powder". Doch dieser Schnee ist so gefährlich wie einzigartig

Ralf Tögel

Einfach über die Wechte springen - einfach, aha. Wahrscheinlich ist gerade der Herzschlag durch den Anorak zu sehen. Danny grinst, steht lässig vor der kleinen Gruppe und gibt Anweisungen. "Aufpassen, dass ihr nicht alle auf der selben Stelle aufkommt. Und dann, have fun."

Kurz vorher hat der Helikopter seine Fracht abgeladen. Oben, auf einem der unzähligen Gipfel in den Monashees, einem Gebirgszug in den Columbia Mountains. Ganz oben. Auf knapp 3000 Metern Höhe sind die Skifahrer bis zu den Hüften in den Schnee gesunken, als sie aus der Bell 407 hüpften.

Guide Danny hat die Skier aus der seitlichen Box geholt, dann hat sich das fünfsitzige Fluggerät mit großem Getöse wieder in die Lüfte erhoben. Jetzt stehen die fünf Männer direkt an der Kante, die Skispitzen ragen ins Nichts.

Was sich da unter den Brettern auftut, ist genau das, wofür viele Tiefschneefreaks einen Haufen Geld bezahlen. 80 Zentimeter Champagne-Powder, frisch gefallen, verteilt auf einen steilen unbefahrenen Hang. Ein Schneeparadies, so weit das Auge reicht.

Danny hat seine Spur schon so weit nach unten gezogen, dass er nicht mehr zu sehen ist. Frank zögert, die Wechte ist Respekt einflößend. Sieben, acht Meter freien Fall später landet er wie in einem riesigen Daunenkissen, der Sprung wird von gefrorenem Nichts abgefedert.

Und dann beginnt der Tanz. Beinahe schwerelos federt einer nach dem anderen nach unten, malt eine Schlangenlinie in das blütenreine Weiß, bis die Oberschenkel zu brennen beginnen.

Danny wartet schon, und grinst. Jetzt grinsen alle, keiner spricht. Es ist der Moment, dem jeder Tiefschneefahrer hinterherhechelt: strahlender Sonnenschein und dieser einmalige luftige Neuschnee, den es so nur in Nordamerika gibt.

Das Paradies kann sich aber sehr schnell in die Hölle verwandeln. Es gibt da diese Zahl, die 32. So viele Tote hat Canadien Mountain Holiday (CMH) bisher zu beklagen, seit einigen Jahren gab es aber keinen Unfall mehr. Sicherheit ist nicht zuletzt deshalb das bestimmende Thema.

Das hat auch die Gruppe von Aeroski-Reisen erfahren müssen, der deutsche Anbieter ist Partner von CMH. Die fünf Männer hatten einen sogenannten Down-Day. Das Wetter war zu schlecht, Rowdy war das Risiko zu groß. Er ist der Helikopter-Pilot, ist früher in Alaska für Ölfirmen geflogen. Und er kann autark entscheiden. Wenn Rowdy nicht will, fliegt keiner.

Himmel und Hölle

Jeden Tag ist ein Safety-Guide unterwegs, beobachtet das Gelände, liest den Schnee, erstellt ein Profil. Gefahren wird in dem riesigen Areal der Gebirgszüge Selkirks und Monashees, die für extremen Schneereichtum stehen.

Die Columbia Mountains liegen westlich vom Columbia River, die Rocky Mountains östlich. Wenn vom Pazifik Schneewolken kommen, laden die sich erst in den Columbias ab. Am Abend treffen sich alle Guides. In der Lodge in Kootenay sind das sieben. Sie besprechen den Tag, tauschen sich über alle Hänge aus. Dann wird erörtert, wo am nächsten Tag gefahren wird und wo nicht.

CMH hat neun Lodges in British Columbia, alle bringen ihre Daten ein, zweimal täglich. Wenn die Gäste noch schlafen, wird wieder konferiert, die Schneelage überprüft, Daten verglichen. "Wenn es um die Sicherheit geht, gibt es keine Konkurrenz", sagt Danny.

Damit meint er, dass alle Heli- und Cat-Anbieter in British Columbia ständig in Kontakt stehen. 40 Unternehmen, die gesammeltes Wissen und Erfahrungen vergleichen.

Danny ist Schweizer Bergführer und arbeitet seit sieben Jahren für CMH. Am Hang ist er plötzlich stehen geblieben, hat die Ski abgeschnallt und zu buddeln begonnen. Einen Meter tief. Mit einer Säge hat er einen Quader herausgesägt, klopft mit einer Schaufel von oben darauf.

Man kann gut sehen, wie der Schnee bei unterschiedlichem Druck in Schichten bricht, die dann im schlimmsten Fall zu Tal rasen. Ob Show für die Gruppe oder pure Vorsicht, die Übung verfehlt ihre Wirkung nicht. Jeder der Teilnehmer kann sich jetzt ausmalen, wie leicht eine meterstarke Schneeschicht in Bewegung kommt.

Ein Restrisiko bleibt

Der eigentliche Wahnsinn in den Monashees ist das Tree-Skiing durch die extrem steilen, naturbelassenen und weiträumig bewachsenen Hochwälder. Das größte sind Face-Shots, wenn der Pulverschnee über den Kopf staubt. Gefahren wird dann nach dem "Buddy-System" - trotz Piepser bleiben zwei Fahrer immer in Sichtweite.

Ein Restrisiko bleibt, daraus macht CMH kein Geheimnis. "Man lernt aus jedem Unfall", sagt Walter Bruns. Er ist Präsident von CMH. Seine Eltern stammen aus München, er ist in Kanada geboren. "Unser größter Vorteil ist das kollektive Wissen, das wir in 41 Jahren gesammelt haben."

In Kanada ist es nicht sonderlich schwer, Heli-Skiing anzubieten. Eine Lizenz bekommt jeder, der der Regierung einen schlüssigen Management-Plan vorlegen kann. Das hat Kieren Gaul getan. Dann hat er sich zwei Snowcats mit Gäste-Kabine gekauft und fertig war die Firma Big Red Cats.

Die günstige Alternative

Cat-Skiing ist die billige Alternative zum Heli-Skiing. Bei der luftigen Variante kann die Rechnung bei einer Woche gutem Wetter und dementsprechend vielen Höhenmetern schon mal 8000 Euro betragen. Natürlich sind Essen und Service dementsprechend exklusiv. Cat-Skiing gibt es ab 2300 Euro. Zwölf Leute passen in so eine Schneeraupe, die ihre menschliche Fracht fast senkrechte Schneisen durch den Wald bei Rossland, ein paar Autostunden von Kootenay entfernt, nach oben chauffiert.

Es geht nicht ganz so hoch hinauf, bis auf 2200 Meter. Der größte Unterschied neben dem Preis sind die Länge der Runs, logisch. Kieren bietet aber auch Expert-Gruppen an, extrem steile Abfahrten durch den Wald.

Himmel und Hölle

Der Australier war Mitglied der Downhill-Nationalmannschaft und hat eine lustige Geschichte parat. Als er noch als Guide arbeitete, ist er mit Kollegen in eine Lawine geraten - und er hat die beste aller Möglichkeiten gewählt. Er ist einfach vor der rasenden Schneefratze davongebrettert. Und als der Vorsprung groß genug war, seitlich abgehauen. Das klingt spaßig, ist es aber nicht.

Dieses Mal hat Kieren eine Gruppe, die sicher nicht vor einer Lawine abhauen könnte. Kurt stößt schon auf der Cat-Spur an seine Grenzen, bevor es in den Wald geht. Er hält tapfer den ganzen Tag durch, fährt am Limit. Fitness ist die wichtigste Voraussetzung bei diesem intensiven Tiefschneespaß. Als Anfänger sollte man sich aber dennoch lieber nicht an einer Heli-Woche versuchen.

Bei Big Red Cats hat Roddy die Verantwortung für die Sicherheit. Er ist ein Safety-Guide, wie man ihn sich vorstellt. Mit weißem Rauschebart knattert er auf seinem Schneemobil durch die Berge, schaut immer mal wieder bei den Gruppen vorbei.

Dann zückt Roddy sein silbernes Büchlein und notiert Zahlen. Er liest den Schnee, erzählt er. Und er zelebriert seine Arbeit. Stinki, so ist sein Spitzname, hat 30 Jahren Berufserfahrung und gibt jetzt im Alter von 54 sein unschätzbares Wissen als Ausbilder an Safety Guides weiter.

Auch Roddy geht zweimal am Tag alle gesammelten Daten mit den Guides durch, prüft, erörtert, vergleicht. Auch er ist mit den anderen Anbietern vernetzt. In seinem kleinen Büro hat er einen Satz an die Wand gepinnt: "Snow ist not a wulf in a sheeps clothing, rather snow is a tiger in a lambs clothing."

Bei Big Red Cats hat es noch keinen Unfall gegeben - es ist auch erst die dritte Saison. Vor kurzem haben die Guides aus Rossland mit den Kollegen aus Kootenay zusammengearbeitet. Zwei private Tourengeher waren in eine Lawine geraten, Hilfe war schnell da, CMH hat einen Hubschrauber geschickt. Ein Skifahrer hatte Glück, er verhedderte sich im Wald, kugelte sich die Schulter aus und brach sich ein paar Rippen. Der andere starb.

Am nächsten Tag ist das beim Frühstück nur am Rande Thema, man kennt das Risiko. Als die Gruppe auf dem Gipfel steht, den Run mit dem passenden Namen "Wunderbar" vor sich, ist die Gefahr weit weg. Danny steht schon wieder unten. Und grinst.

Informationen

Anreise: Direktflug mit Air Canada ab Frankfurt ab 700 Euro, ab München über Frankfurt ab 760 Euro.

Reisearrangements: CMH-Heliskiing-Packages bei Aeroski Reisen, 7 Tage inkl. Flug ab 3600 Euro; Snowcat-Skiing ab 2880 Euro. Unterkunft in der Kuskanax Lodge, 515 Broadway, Nakusp, BC V0G 1RO, www.kuskanax.kootenays.com

Weitere Auskünfte: Aeroski, Dr. Erben GmbH, Im Banngarten 15, www.areoski.com, D-61273 Wehrheim/Ts., Telefon: 060 81/20 82

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