Halali-Reisen:Entspannen mit Gewehr

Was soll's denn sein, ein Hirsch, ein Elch oder doch ein Bär? Für spektakuläre Trophäen reisen deutsche Jäger in entlegenste Länder. Dabei hat der Ausgang selten was mit Glück zu tun.

Hans Gasser

Der Freiherr von Gemmingen-Hornberg wähnte sich vor dem Abschuss seines Lebens: Ein Hirsch mit einem Geweih, das aussah wie eine wuchernde Baumkrone. Und als er das Tier im September des vergangenen Jahres in Bulgarien zur Strecke brachte, war bald klar, dass es einen Weltrekord geben würde.

Damhirsch, ddp

Wichtig ist die Trophäe: Ein Damhirsch äst auf einer Waldlichtung.

(Foto: Foto: ddp)

16 Kilogramm wog das Geweih, ein Jahrhunderthirsch, denn bereits Geweihe mit zehn Kilogramm gelten als kapitale Trophäen. In den Monaten danach mehrten sich jedoch die Gerüchte, Berufsjäger bekundeten, den Hirsch schon mal irgendwo gesehen zu haben, und schließlich annulierte der CIC (Internationaler Jagdrat zum Schutz des Wildes) den Weltrekord.

Ein Foto war aufgetaucht, das den kapitalen Hirsch quicklebendig zeigte und zwar in einem Gehege im österreichischen Braunau: Mit Kraftfutter gemästet und vom bulgarischen Jagdreiseveranstalter ein paar Wochen vor der Jagd in den Wald getrieben. Mehr als 20 000 Euro kostete allein die Trophäe - Anreise, Unterkunft und Jagdbegleitung nicht gerechnet. Es ist nicht unüblich, dem Jagdglück etwas nachzuhelfen, wie auch der Fall von Spaniens König Juan Carlos zeigt, der im Sommer in Russland einen zahmen, mit Wodka betäubten Bären erlegt haben soll.

Jagdglück programmiert

Jagdreisen sind ein lukratives Geschäft, denn die Klientel ist meist betucht, wünscht Komplettservice und ist bereit, dafür viel Geld auszugeben. 6,4 Millionen Jäger gibt es in der EU, in Norwegen und der Schweiz, etwa 20 Prozent davon, also 1,3 Millionen, fahren zum Jagen auch ins Ausland und geben dafür jährlich etwa 660 Millionen Euro aus. Zu diesem Schluss kommt eine umfassende Studie über den Jagdtourismus aus dem Jahr 2002, die von WWF und Weltnaturschutzunion herausgegeben wurde. 70 Prozent der deutschen Jäger ziehen demnach die Jagd auf Hirsche, Rehe und Wildschweine vor, meist in relativ nahen Ländern Ostmitteleuropas.

Polen und Ungarn seien die absolute Nummer Eins, sagt Kenneth Banke vom größten europäischen Jagdreiseveranstalter Diana aus Dänemark. Die Leute ziehe es dorthin, weil die Reviere viel größer und wildreicher seien als etwa in Deutschland. Die Jagd ist gut vorbereitet, das Jagdglück so gut wie programmiert.

Entspannen mit Gewehr

Man kann in luxuriösen, zu Hotels umgebauten Jagdschlössern und Gutshöfen wohnen. "Eine Jagdreise ist immer auch ein bisschen wie Urlaub", sagt Banke. Insgesamt sei der Markt seit zehn Jahren um etwa 30 Prozent gewachsen. 5000 Reisen, den Großteil davon für ein bis drei Jäger, veranstaltet Diana jährlich.

Braunbär, dpa

Der Preis ist egal: Für einen Braunbären reisen Jäger bis nach Russland.

(Foto: Foto: dpa)

Neben den Hirsch- und Wildschweintouristen gibt es nach wie vor die klassischen Großwildjäger, die Bären in Russland, Löwen in Namibia oder Moschusochsen in Grönland schießen wollen. Jeder dritte deutsche Jagdtourist hat schon einmal in Afrika gejagt, und jeder fünfte hat bereits einmal große Fleischfresser erlegt.

Laut Bundesamt für Naturschutz, das die Einfuhr von Jagdtrophäen gemäß dem Washingtoner Artenschutzabkommen (Cites) regelt und überwacht, wurden in den vergangenen zwei Jahren 102 Leopardenfelle, ebensoviele Wolfskulps, 57 Löwen- und 97 Braunbärentrophäen legal nach Deutschland eingeführt.

Insider schätzen, dass es im deutschsprachigen Raum etwa 50.000 engagierte Auslandsjäger gibt, die regelmäßig ein- bis zweimal pro Jahr eine Jagdreise unternehmen. Etwa 100 deutsche Jagdreiseveranstalter bedienen sie, die meisten davon sind sehr kleine Unternehmen.

Nur die Trophäe zählt

Wer deren Internetseiten und Inserate in Jagdzeitschriften liest, dem wird klar: Es geht vor allem um die Trophäe. Geweihgewichte und Preise sind minutiös aufgelistet, es wird versprochen, dass man auch wirklich auf kasachische Steinböcke mit 110 Zentimeter Hornlänge und auf den "Lebenshirsch" trifft. Am Rande geht es in der Werbung auch um die schöne Landschaft, die Wildnis, das Erlebnis.

Angebote zur Kombination von Badeurlaub mit der Familie, etwa am Balaton in Ungarn inklusive Rotwildjagd, finden sich zwar, sind aber eher die Ausnahme. "In der Regel sieht der Jagdgast die Unterkunft als zweitrangig an, wichtig ist das Jagderlebnis und dass er bekommt, was wir ihm versprechen", sagt Josef Thoma, Geschäftsführer von Westfalia Jagdreisen, einem der größten Anbieter in Deutschland. Nach einem Einbruch des Jagdreisemarktes vor drei Jahren ziehe er nun wieder an, sagt Thoma.

Entspannen mit Gewehr

Elch, dpa

Beliebtes Abschussobjekt: ein Elch

(Foto: Foto: dpa)

Seitdem verzeichne sein Unternehmen Zuwächse von 20 bis 30 Prozent. Besonders Jagden auf Steinböcke in Kasachstan und Kirgisien verkauften sich gut. 2000 bis 4000 Euro geben seine Gäste im Schnitt aus, natürlich kann es manchmal viel mehr sein. Wenn es etwa auf das Marco-Polo-Argali, ein Bergschaf mit gewaltigen Hörnern im Pamirgebirge in Tadschikistan, geht, so kostet das 27.000 US-Dollar, Flug extra. Jagdreiseveranstalter leben vor allem von den zehn bis 15 Prozent Provision aus dem an den jeweiligen Staat zu zahlenden Trophäenpreis.

Kurzsichtige Jägerschaft

Was aber mit den zum Teil sehr hohen Gebühren geschieht, lässt sich kaum nachvollziehen. Roland Melisch, Artenschutzbeauftragter des WWF, beklagt die mangelnde Transparenz bei der Verwendung der Trophäengelder. In Deutschland sei festgelegt, dass Jagdabgaben zur Erfassung von Wildbeständen und zum Naturschutz verwendet werden müssten, im Ausland aber sei die deutsche Jägerschaft diesbezüglich "sehr kurzsichtig".

"Die professionellen Unternehmen im Jagdsektor sind nicht unbedingt daran interessiert, Transparenz zu schaffen", sagt auch Kai-Uwe Wollscheid, Geschäftsführer des CIC. Korruption in Entwicklungsländern sei vielfach ein Problem. Zwar gebe es etwa in Namibia und Südafrika viele positive Beispiele. Trophäenjagd habe dort die Wildbestände wieder stark anwachsen lassen, weil die Einheimischen finanziell profitieren. Das Wild wird gehegt, Bestände werden erhoben, Abschussquoten festgelegt. In armen Gegenden könnten so relativ wenige Jagdtouristen relativ viel Gewinn bringen.

Dennoch gebe es weiterhin "sehr viele schwarze Schafe", so Wollscheid. Nicht der "große Knochen" müsse bei Jagdreisen im Vordergrund stehen, sondern das "umfassende touristische Produkt", das Erlebnis. Ein frommer Wunsch, denn ein vom CIC gefordertes Zertifizierungssystems für nachhaltige Jagdreisen kommt seit Jahren nicht voran.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: