Guadeloupe:Unruhe im Urlaubsparadies

Streik und Ausschreitungen lassen die französische Antilleninsel Guadeloupe im Chaos versinken. Touristen verschanzen sich in den Hotels. Mancherorts gibt es kein Wasser mehr.

Normalerweise sind Guadeloupe und Martinique um diese Jahreszeit voller Urlauber. Vor allem Franzosen aus dem Mutterland verbringen ihre Winterferien gerne unter Palmen auf den beiden Antilleninseln, mit Blick auf das türkisblaue karibische Meer.

Guadeloupe: Nicht nur dieser Bootsverleiher lebt vom Tourismus. Der Schaden für die Branche ist schon jetzt enorm.

Nicht nur dieser Bootsverleiher lebt vom Tourismus. Der Schaden für die Branche ist schon jetzt enorm.

(Foto: Foto: AFP)

Doch ein seit gut vier Wochen dauernder Generalstreik und jetzt auch gewaltsame Unruhen haben den Reisestrom gestoppt. Die meisten Hotels auf Guadeloupe stehen leer, Tankstellen und Geschäfte haben zu, selbst der Flughafen in der Hauptstadt Pointe-à-Pitre war zeitweise außer Betrieb, weil keiner mehr zur Arbeit kam.

Im Badeort Gosier bekamen Anfang der Woche zwei Urlauber, die von einem Ausflug zurückkehrten, eine Ladung Steine ab, weil sie den Jugendlichen an den Straßensperren kein Wegegeld zahlen wollten. Nicht besser ging es einem französischen Fernsehteam.

Nach nächtlichen Straßenkämpfen und Plünderungen arteten die Unruhen in der Nacht zum Mittwoch in tödliche Gewalt aus: In Pointe-à-Pitre starb ein etwa fünfzigjähriger Mann, als junge Leute an einer Straßensperre auf seinen Wagen schossen.

Die wenigen Touristen, die sich noch auf der Insel aufhalten, verschanzen sich in ihren Hotels. Einige Hoteliers haben nun Wachpersonal angeheuert, das für die Sicherheit der Gäste sorgen soll. In mehreren Badeorten gibt es seit Dienstag kein fließendes Wasser mehr. Die Streikenden hätten wohl die Hähne zugedreht, hieß es beim Krisenstab in Pont-à-Pitre. Aufruhr im einstigen Urlauberparadies.

Keine Lösung in Sicht

Und eine Lösung ist nicht in Sicht. Zwar rief der Anführer des "Kollektivs gegen die Ausbeutung", Elie Domota, am Mittwoch erstmals zur Besinnung auf. Zugleich warf er den französischen Behörden vor, sie hätten die Gewalt provoziert. Frankreich schicke ganze Charterflugzeuge voller Polizisten auf die Insel, die "Neger fertigmachen" sollten, sagte Domota.

Die Verhandlungen zwischen dem Kollektiv, das den Generalstreik anführt, und dem französischen Staatssekretär für die Überseegebiete, Yves Jégo, sind abgebrochen. Frankreich weigert sich, die Hauptforderung der Streikenden zu erfüllen: eine Erhöhung der Mindestlöhne um 200 Euro. Die Gewerkschafter auf Guadeloupe rechtfertigen diese Forderung mit den hohen Lebenshaltungskosten.

In der Tat sind die meisten Produkte in den Überseegebieten deutlich teurer als im Mutterland. Dies ist zum einen auf die Transportkosten zurückzuführen. Zum anderen ist der Handel auf Guadeloupe und der Nachbarinsel Martinique weitgehend in den Händen einiger Familien, die von den ehemaligen weißen Kolonialherren abstammen.

Vor allem gegen diese "béké" genannten Weißen, die unter anderem die Supermärkte Carrefour und die Rumproduktion kontrollieren, richtet sich der Volkszorn. Ihnen wird vorgeworfen, ihre Monopole auszunutzen und die Einheimischen durch Wucherpreise auszubeuten.

Angefacht wird die Wut der kreolischen Inselbewohner noch durch die schlechteren Lebensbedingungen. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen der Antillen-Franzosen ist mit jährlich 17.400 Euro deutlich niedriger als das ihrer Landsleute im Mutterland, das bei 29.765 Euros liegt. Die Arbeitslosenquote ist mit 22,7 Prozent die höchste in der Europäischen Union.

Die fehlenden Einnahmen aus dem Tourismus, der wichtigsten Wirtschaftbranche, macht die Lage noch dramatischer. Der französische Tourismus-Staatssekretär Hervé Novelli schätzt den Verlust schon jetzt auf "mehr als zehn Millionen Euro". Der Hotelverband nennt die Lage "katastrophal". Und in Paris wächst die Sorge vor einer Ausweitung des Konflikts: Auf der französischen Antilleninsel Martinique legt ein Generalstreik seit knapp zwei Wochen das öffentliche Leben lahm.

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