Großbritannien:Kammer des Schmeckens

In den Warner-Filmstudios bei London kann man einen Tag in der Harry-Potter-Kulisse verbringen. Und mit Glück in der Großen Halle von Hogwarts sogar ein Dinner einnehmen.

Von Evelyn Pschak

Mit einer schönen Erinnerung lässt sich allem Schlechten auf der Welt trotzen. Harry-Potter-Fans wissen das: Immer wieder beschwört der Zauberschüler einen glücklichen Moment seiner frühesten Kindheit herauf, um sich mit einem Schutzzauber umgeben zu können. Mit diesem Patronus-Zauber verteidigt er sich ein ums andere mal gegen das Böse. Die Fans selbst können ihren mangelnden Zauberkräften derweil mit Geld nachhelfen: In den Warner-Bros.-Filmstudios in Leavesden nahe London, wo nach wie vor große Gefühle und Big Business zusammenfinden, werden ab und an Harry-Potter-Dinners serviert. Das nächste Mal am 11. und 12. Februar als Valentinsdinner für 495 Pfund pro Paar - im Filmset der Großen Halle von Hogwarts, dem heimeligsten Ort in der gesamten Potter-Saga. Das Essen im Speisesaal der Zauberschule dürfte für die meisten Teilnehmer zu einer wohligen, aufregenden Erinnerung an glückliche Lese- und Seherfahrungen der Kindheit und Jugend werden. An Augenblicke, in denen sie nichts anfechten konnte.

Den Fans erscheint kein Preis zu hoch, um ein Harry-Potter-Gefühl nachzuerleben

In Leavesden wurden sieben Bestseller-Romane zu acht Kino-Blockbustern verarbeitet, die Filmreihe hat mehr als unfassbare zehn Milliarden US-Dollar eingespielt. Für mindestens zwei Generationen - die Heranwachsenden der späten 1990er- und der 2000er-Jahre sowie deren Eltern - ist die weit gespannte Fantasy-Erzählung ein bestimmender Teil ihrer kulturellen Prägung. Dieses Publikum hält das Potter-Universum am Leben. In Deutschland ist Joanne K. Rowlings "Harry Potter und das verwunschene Kind" das meistverkaufte Buch des Jahres, die englischsprachige Originalfassung belegt in diesem Ranking Rang drei. Es ist das Skriptbuch zur zweiteiligen Theaterproduktion "Harry Potter And the Cursed Child", für die im laufenden Jahr 175 000 Tickets verkauft worden sind - und für das kommende noch einmal 250 000 Stück. Zahlen wie für Musicalproduktionen. Im Internet werden Karten für bis zu 700 Euro angeboten, etwa das Zehnfache des regulären Preises.

In diesem Kontext muss man auch das Pop-up-Restaurant in der Filmkulisse sehen - und den Hype darum. 2016 wurden erstmals zwei Valentinsdinner serviert. Innerhalb von 45 Sekunden, heißt es bei Warner Bros., seien die Online-Tickets verkauft worden. Für 2017 wurde dem Ansturm vorgegriffen: Ein Losverfahren bestimmte Anfang Dezember jene Auserwählten, die überhaupt eines der 100 Tickets kaufen durften. Da war auch das Weihnachtsdinner längst ausverkauft.

Warner Bros. Studio Tour London

Die Tische sind gedeckt in der Großen Halle für die Auserwählten: In den Filmen der Harry-Potter-Reihe waren das die Zauberschüler von Hogwarts, heute sind es zahlende Gäste, die obendrein Losglück hatten.

(Foto: TM & Warner Bros. Entertainment/Harry Potter Publishing Rights/JKR)

Zur Begrüßung werden im Februar Liebestrank und Canapés gereicht, wenn in der Großen Halle von Hogwarts dann keine schwarz gewandeten Schüler gesättigt, sondern Pärchen an Zweiertischen Mousse vom geräucherten Lachs, gegrillte Artischockenherzen und Champagner-Pannacotta kredenzt werden. Wen der Gedanke an Karamelllimonade mit Sahnehäubchen nicht schreckt, trinkt sein Butterbier auf Gleis 9 ¾ vor dem Hogwarts-Express, schlendert danach durch die Winkelgasse und beendet den Abend bei Tee, Kaffee und Petits Fours am Fuße des Hogwarts-Modells im Maßstab von 1:24, das für Außenaufnahmen als Kulisse diente.

Durch die besonderen Tickets entgeht man auch der Masse von bis zu 6500 Besuchern, die seit Öffnung der Studiohallen für Besucher vor viereinhalb Jahren täglich durch die Potter-Welt geschleust wird. Bei den Abendessen erhalten die Gäste einen exklusiven Zugang zur Studiotour, von der Küche der Weasleys zu Professor Dumbledores Büro bis zu Hagrids Hütte.

Doch der beste Ort fürs authentische Potter-Gefühl ist die Große Halle. Zumindest, solange man nicht zur Decke blickt. Wo im Film eine offene Dachstuhlkonstruktion dem gotischen Vorbild von Westminster Hall nacheifert, ist in Leavesden ein Studio eben doch ein Studio. Und die flache Decke von Schienen durchzogen, an denen sich Scheinwerfer arretieren lassen. Schwebende Kerzen, die im Film bei Feierlichkeiten die Halle erleuchteten, muss man missen. Dennoch: In den Studios läge immer Romantik in der Luft, nicht nur am Valentinstag, sagt Jemma Everest: "Regelmäßig knien verliebte Jungs am Fuß des Hogwarts-Modells vor ihren Auserwählten nieder, um die Frage aller Fragen zu stellen." Die 26-jährige Britin ist eine der Mitarbeiterinnen, die Gruppen durch Kulissen führen, sie musste schon bei Verlobungsvorbereitungen mithelfen. Etwa ein ausgehöhltes Zauberbuch herbeitragen, in dem der Ring versteckt war. So schreiben sich die schönen Potter-Erinnerungen fort.

Großbritannien: Eine Bankettszene aus den "Harry-Potter"-Filmen.

Eine Bankettszene aus den "Harry-Potter"-Filmen.

(Foto: Warner Bros.)

Die Touren kosten für zwei Personen inklusive Menü ca. 590 Euro; aufgrund der starken Nachfrage wurden die Plätze zuletzt verlost, www.wbstudiotour.co.uk. Allgemeine Auskünfte: www.visitbritain.com

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