Gondelbauer in Venedig:Massentourismus statt Handwerkskunst

Gondeln sind das Wahrzeichen von Italiens Lagunenstadt, die Boote zu fertigen ist eine hohe Kunst - doch die Handwerker haben Grund zur Klage.

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Meister der Axt: Venedigs Gondelbauer kämpfen um ihren Platz

Quelle: Peter Mayer/dpa/tmn

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Der "Squero di San Trovaso" sieht nicht aus, als gehöre er nach Venedig. Die Holzhütte würde besser in die Alpen passen. Und doch wird hier, an einem Kanal des Viertels Dorsoduro, eine der traditionellsten Handwerkskünste der Lagunenstadt betrieben: das Fertigen der Gondeln. Die Form des "Squero" zeugt von seinen Ursprüngen im 17. Jahrhundert. Damals kamen sowohl das Holz als auch die Zimmerleute aus der Region Cadore in den Dolomiten. "Squero" kommt vom Wort "Squara", das im Venezianischen Dialekt Team bedeutet - zum Beispiel eine Mannschaft von Bootsbauern. Heute würdigt der italienische Staat San Trovaso als historisch bedeutendes Gebäude, Touristen können Besichtigungen vereinbaren. Es ist die berühmteste der Handvoll von kleinen Werften, die es in Venedig noch gibt. 

Meister der Axt: Venedigs Gondelbauer kämpfen um ihren Platz

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"Das Hauptproblem ist, dass es nicht genügend Platz gibt, damit Leute ihr Handwerk ausüben und ein Geschäft betreiben können", klagt Christian Dordit. Mit 27 Jahren ist er der jüngste ausgebildete "Maestro d'Ascia", ein Meister der Axt, wie die Gondelbauer genannt werden. "Venedig muss diese Situation ändern, wenn die Stadt ernsthaft ihr Kulturerbe schützen will", sagt er. "Wer Bed-and-Breakfast, eine Pizzeria oder andere Dinge des Massentourismus anbietet, erhält leichter eine Lizenz." Um zu zeigen, was er meint, führt Dordit in seinen eigenen "Squero", ein umgebautes Lagerhaus in San Giuseppe. Das Viertel liegt ein Stück entfernt von der Mündung von Venedigs Hauptstraße, des Canal Grande. Hier, im Labyrinth der kleinen Wasserwege, pendeln auch die meisten Gondolieri. Dordit muss einen kleinen Arbeitsplatz mit seinen zwei wichtigsten Assistenten teilen - seinem Vater und seinem Onkel.

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Quelle: AFP

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Für Gondolieri kann es schwierig sein, Dordits Werft zu erreichen. Denn sie müssen gegen die Wellen der Motorboote ankämpfen, die zum Lido brausen, der Sandbank und natürlichen Barriere zwischen der Lagune und der Adria. Besonders stark ist der Verkehr im September, wenn am Lido das jährliche Filmfestival zelebriert wird.

Promis auf dem Boot: George Clooney 2009 auf dem Weg zum Festival.

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Quelle: AP

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"Eine Gondel muss zu ihrem Eigentümer passen wie ein Schuh zum Fuß", sagt Dordit. Deshalb misst er zuerst Größe und Gewicht eines Gondoliere, bevor er ihm seine Gondel maßschneidert. 25 bis 30 Monate dauert es, bis eine Gondel vollendet ist, bis zu elf Stunden am Tag arbeitet Dordit. Acht Arten von Holz werden in einer Gondel verbaut, darunter Tanne, Eiche, Lärche und Mahagoni. Aus 300 Stücken setzen die Handwerker die Gondel zusammen. 25.000 Euro kostet das fertige Prachtstück. Dordit hat in seinem ganzen Leben zwölf Gondeln geschaffen. Sein Handwerk begann er schon als Junge bei Venedigs derzeit berühmtestem "Maestro d'Ascia", Gianfranco Vianello.

Venedig, Italien

Quelle: dpa/Merola

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Als Neuling musste er hart kämpfen, um in die Welt der Gondoliere eingelassen zu werden. Eine Gilde vergibt die Lizenz, eine Gondel zu rudern. Dafür müssen die angehenden Gondolieri zunächst in einer Prüfung beweisen, dass sie mit dem "Remo", dem Ruder am Heck, umgehen können. Aber sie müssen auch die Geschichte Venedigs kennen. Zurzeit gleiten noch 425 Gondeln in Privatbesitz durch Venedigs Kanäle. Die Stadtverwaltung betreibt 10 Gondoloni, größere Boote, die von zwei Gondolieri gesteuert werden und als Fähren Touristen über den Canal Grande setzen.

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Quelle: AFP

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Zusammen mit einer Gruppe von Kunsthandwerkern versucht Dordit die Stadt zu überzeugen, dass sie ihnen erlaubt, eine Ansammlung von Werkstätten und einen neuen "Squero" in einer ungenutzten Werft auf der Insel Giudecca einzurichten. Bisher brachte das Bemühen keinen Erfolg, aber Dordit lässt sich nicht entmutigen. "Es liegt eine Art Poesie in dieser Arbeit", erklärt er. "Es ist wie den Canal Grande zum Sonnenuntergang hinabzurudern. Ich bin in Venedig geboren und habe hier mein ganzes Leben verbracht. Aber seine Schönheit erstaunt mich noch immer."

Meister der Axt: Venedigs Gondelbauer kämpfen um ihren Platz

Quelle: Fototeca Enit/Vito Arcomano/dpa/tmn

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Informationen

Anreise: Der Marco Polo Flughafen wird aus acht deutschen Städten angeflogen. Züge halten an den Bahnhöfen Venezia-Mestre und Venezia Santa Lucia.

Reisezeit: Im Winter, aber auch im Frühling und Herbst können Hochwasser Teile der Stadt überfluten. Dann laufen Besucher auf hölzernen Laufstegen durch die Stadt.

Unterkunft: Es gibt eine breite Auswahl an Hotels und Pensionen. Gewöhnlich ist es deutlich günstiger, in Mestre auf dem Festland zu übernachten, das über die drei Kilometer lange Brücke Ponte della Liberta mit der Altstadt verbunden ist.

© dpa, Peter Mayer/kaeb
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