Gesundheit:Das Fleisch des Rommolus

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Delikat: Kobe-Rinder werden täglich mehrere Stunden massiert - und am Ende doch gegessen

Peter Sartorius

Kürzlich überraschte ein gewisser Rommolus eine im Internet surfende kulinarische Gemeinde mit einer ekstatischen Botschaft, bei der ihm am Ende die Worte ausgingen. Sie reichten nur noch zu dem Ausruf "sagenhaft", versehen mit gleich fünf Ausrufezeichen.

Streicheleinheiten bis das Rind dahinschmilzt (Foto: Foto: wikipedia/Immanuel Giel)

Rommolus, hinter dem wir ein Pseudonym vermuten, war ein Suchender nach höchster Lust und reinstem Genuss. Nach eigener Bekundung verging eine unendliche Zeit, bevor er fand, wonach ihm gelüstete. Er entdeckte es schließlich in Würzburg. Was er dann dort erlebte, könne sich niemand vorstellen, verkündete er. Dabei hatte er lediglich ein Stück Rindfleisch gefunden, allerdings eines, für dessen Preis er sich, sagen wir mal, gleich ein Dutzend oder mehr saftige Holzfällersteaks hätte einverleiben können.

Worum handelte es sich bei dem sagenhaften Fleisch des Rommolus? Die Antwort ist insofern nicht einfach, als man zwar das Fleisch selbst, nicht aber die dafür populäre Bezeichnung in den Mund nehmen darf, ohne Gefahr zu laufen, sich eben diesen zu verbrennen und Patentrechte zu verletzen. Nähern wir uns deshalb der Frage vorsichtig mit einem Japanisch-Schnellkursus, denn es geht um ein japanisches Stück Fleisch. Auf Japanisch heißt Rind Wa-gyu, das in seiner Eigenschaft als Schwarzrind besonders pfleglich in und um Kobe aufgezogen wird. Sein Fleisch gilt als unübertreffliche Delikatesse, die dem berühmt-berüchtigten Kugelfisch nicht nachsteht, auch wenn ihr Verzehr weniger riskant ist, es sei denn, man wird verrückt vor lauter Glück, so etwas außerhalb Japans überhaupt vorgesetzt bekommen zu haben. Wenn wir zusammenfassen, was an Aussagen vorliegt, handelt es sich um eine Götterspeise, die samtig zart auf der Zunge zergeht wie feinstes Gänsefett und dabei unvergleichlich süß und mit einem ganz besonderen Hauch von Bohnenkraut behaftet ist, der den Gaumen wie ein seltenes Parfüm umweht.

War nun dies, was unseren Rommolus so in Ekstase versetzt hat, ein solches Stück Kobe-Beef oder war es, was wahrscheinlicher ist, dessen nachgemachte Version? Man muss dazu wissen, dass das einzig wahre Kobe-Steak in und um Kobe verarbeitet worden sein muss.Weil das Rind aber so begehrt ist, wird es auch außerhalb Kobes in Japan und des Weiteren, als kulinarisch-kulturelles Exportgut, im amerikanischen Nebraska sowie seit neuestem in Europa nach dem japanischen Reinheitsgebot gezüchtet und weltweit offeriert - von einem kulinarischen Versandhaus zum Beispiel, das auf den Namen Otto hört, aber mit dem Otto-Versand vermutlich nicht identisch ist. Oder es kommt direkt aus Japan nach Würzburg, weil die fränkische Stadt eine japanische Partnergemeinde hat. Aber woher es auch immer kommen mag, es bleibt eine sündhaft teuere Delikatesse, gelangt aber nicht mehr als Kobe-Beef, sondern nur noch als Wa-gyu auf den Teller.

Merke: Wo Wa-gyu draufsteht, muss nicht Kobe drin sein.

Wenn wirklich Kobe drin ist, zahlt man in Japan bis zu 300 Euro für das einzelne Steak. Und das ist noch geradezu geschenkt angesichts dessen, was mit dem Schwarzrind in und um Kobe alles angestellt wird. Eine Diät wurde ausgetüftelt, deren Ingredienzien - Getreide, Rüben, Kartoffeln - sorgfältig aufeinander abgestimmt sind. Und eine Trinkkur wird dem Rind verordnet, dergestalt, dass ihm eine Portion Bier pro Tag eingeflößt wird. Und schließlich der Höhepunkt der Fürsorge: die Massage. Das Kobe-Rind weiß nicht, wie ihm geschieht. Es wird gestreichelt und gestriegelt, stundenlang, Tag für Tag, mit dem Effekt, dass unter einer hauchdünnen Fettschicht das Fleisch gleichmäßig mit feinsten Fettäderchen durchzogen wird, die dem Steak am Ende dessen charakteristisches Marmor-Aussehen geben. Aber Vorsicht, wenn es gebraten wird! Der Fachmann weiß, dass das japanische Fleisch eine fragile Angelegenheit ist und nichts verzeiht, schon gar nicht in der Hitze der Pfanne. Seine physikalische Struktur sei mit Eiscreme vergleichbar, heißt es. Jedenfalls schmelze es dahin, wenn nicht bedachtsam mit ihm umgegangen worden ist, oder werde zur unappetitlichen Masse - und all die Rinderpflege war umsonst.

Was nun Würzburg angeht: Rommolus hat das Fleisch - egal ob es Kobe-Beef oder nur Wa-gyu war - offenbar in perfekter Zubereitung genießen dürfen. In ein Delirium hat es ihn versetzt. Es war gegen 19 Uhr im Hotel "Zur Stadt Mainz", als das Fleisch seinen Gaumen hinabglitt und er einen kulinarischen Orgasmus erlebte. ❚

Weitere Informationen und Bezugsquellen: Viele Spitzenlokale wie "Heinz Winklers" in Aschau, das "Schiffchen" in Düsseldorf und das "First Floor" in Berlin haben immer wieder Wa-gyu- Rind auf der Karte (www.otto-gourmet.de). Sehr gut sortierte Feinkost- Läden führen es mittlerweile ebenfalls. Das Kilo kostet in der Gourmetabteilung im Kaufhof am Münchner Marienplatz derzeit 179 Euro.

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