Gesundheit:Am Anfang war das Wasser

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Pfarrer Sebastian Kneipp ist ein Gründervater der Medical Wellness. Seine Therapie verdient die entsprechende Renaissance

Ingeborg Pils

Wasser ist zum Waschen da", sangen unsere Urgroßeltern voller Inbrunst. "Auch zum Zähneputzen kann man es benutzen ...". Doch Wasser kann und ist weit mehr. Wasser ist unser wichtigstes Lebensmittel, ist die elementare Voraussetzung für alles Leben auf der Erde. Es bedeckt rund 70 Prozent unseres Planeten, gestaltet Landschaften und Klima, kann Gebirge abtragen und Wüsten zum Erblühen bringen. Für griechische Philosophen war es eines der vier Grundelemente - Symbol der Reinheit und der Reinigung. Und Wasser ist ein Quell der Gesundheit.

(Foto: Foto: DDP)

Heute wird es mit Füßen getreten. Wer dies wörtlich nimmt, handelt klug, vorausschauend und ganz im therapeutischen Sinn des berühmten "Wasserdoktors" Sebastian Kneipp. Der hatte Mitte des 19. Jahrhunderts die Hydrotherapie der alten Griechen und Römer neu entdeckt. Zunächst für sich selbst. Während seines Theologiestudiums war Kneipp im Herbst 1849 an Tuberkulose erkrankt und von den Ärzten rasch als hoffnungsloser Fall aufgegeben worden. Angeregt durch das Buch "Unterricht von Kraft und Wirkung des frischen Wassers in die Leiber der Menschen, besonders der Kranken" von Johann Sigmund Hahn verordnete sich der junge Kneipp zur Stärkung seiner angegriffenen Gesundheit täglich ein kurzes Tauchbad in der eiskalten Donau. Mit eiserner Disziplin machte er regelmäßig Armgüsse mit Brunnenwasser und versuchte, sich gesund und ausgewogen zu ernähren. Drei Jahre später war er geheilt.

Inzwischen zum Priester geweiht, kam Sebastian Kneipp 1855 in das Kloster der Dominikanerinnen nach Bad Wörishofen und entwickelte dort seine "Kneippkur" - unterschiedliche Anwendungen von kaltem und warmem Wasser für Güsse, Voll- und Teilbäder, Wickel, Packungen, Wassertreten, Taulaufen und Schneegehen zur Abhärtung oder, modern ausgedrückt, zur Stärkung des Immunsystems. Die Wassertherapie ergänzte er bald mit Heilmitteln aus der Apotheke von Mutter Natur: Arnika, Baldrian, Pfefferminze, Salbei und noch mancherlei andere Kräuter, die in der Umgebung wuchsen, wurden zu Tees, Tinkturen, Salben und Badezusätzen verarbeitet und den Kranken zur Linderung auf verschiedenste Weise verabreicht. Kneipps Motto: "Wenn ein Pferd den Karren nicht aus dem Dreck ziehen kann, dann muss man ein zweites dazuspannen! Wasser hilft und Kräuter heilen!"

Ordnung für die Seele, Bewegung für den Körper

Sebastian Kneipp, der "Wasserdoktor" (Foto: N/A)

"Kaum irgendein Umstand kann schädlicher auf die Gesundheit wirken als die Lebensweise unserer Tage, ein fieberhaftes Hasten und Drängen aller im Kampfe um Erwerb und sicherer Existenz. (...) Es ist kein Wunder, wenn Krankheiten so viele Opfer fordern, denn die Menschheit ist von der früheren, einfachen, natürlichen Lebensweise abgewichen. (...) Es muss ein Gleichgewicht hergestellt werden zwischen der Arbeit und Lebensweise - und dem Verbrauch der Nervenkraft." Nein, dieses Zitat stammt nicht aus einer hitzigen Debatte zur aktuellen Lage der Gesundheitsreform. Es ist knapp 150 Jahre alt und von Sebastian Kneipp.

Immer wieder wies Kneipp auf die vorbeugende Wirkung einer bewussten Lebensweise in Kombination mit regelmäßiger Bewegung und vollwertiger Ernährung hin. Eine durchaus moderne Auffassung, die ihm zu Lebzeiten nicht nur Wohlwollen, sondern auch Neider bescherte. Nicht wenige studierte Mediziner hatten jahrelang versucht, ihn wegen Kurpfuscherei ins Gefängnis zu bringen. Doch sein ganzheitliches Gesundheitskonzept fand immer mehr überzeugte Anhänger.

In unserer Zeit hat die Schulmedizin die Natur als Lehrmeister wieder entdeckt. Heute gilt die Kneipptherapie als ganzheitliche Präventivmaßnahme mit Langzeitwirkung und liegt als Medical Wellness voll im Trend. Dahinter verbirgt sich eine Rückbesinnung auf den ursprünglichen Wellness-Gedanken. Das Europäische Gesundheitszentrum für Naturheilverfahren (EGZ), Sebastian Kneipp Institut GmbH, definiert Medical Wellness als "medizinisch geleitete Maßnahme zur ganzheitlichen Förderung der Gesundheit und des individuellen Wohlbefindens, die der Motivation zu einem eigenverantwortlichen, gesundheitsbewussten Lebensstil dient." Medical Wellness soll den Gast anregen, über erfahrene Anwendungen und Verhaltensweisen einem zukünftigen medizinischen "Reparaturbedarf" vorzubeugen und bereits bestehende "Befindlichkeitsstörungen" zu lindern. Eine zentrale Rolle spielt auch hier der Wohlfühlgedanke - zu dem Lebensfreude ebenso gehört wie Genießen mit Verstand.

Kneipp steht mehr denn je für einen harmonischen Lebensstil, der sich ohne weiteres in den modernen Alltag einfügt und jeden Tag aufs Neue motiviert. Im Mittelpunkt stehen wie einst die natürlichen Bedürfnisse des Menschen nach Gesundheit, Wohlbefinden und innerer Ausgeglichenheit. Alexander von Hohenegg, Kurdirektor von Bad Wörishofen, Kneipps ursprünglicher Wirkungsstätte, kann dies voll und ganz bestätigen. "Naturheilverfahren sind in und Kneipp wird längst nicht mehr nur mit kaltem Wasser assoziiert. Kneipp ist heute präventiös." Geändert hat sich laut von Hohenegg der Kurgast. "Wir beobachten einen deutlichen Trend zum jüngeren Gast ab 50." Dieser "neue" Gast ist nicht krank, dafür aber ein wenig anspruchsvoller als früher. Seinen Aufenthalt bezahlt er selbst und nicht die Krankenkasse. Er bleibt auch keine drei Wochen, sondern in der Regel nur eine Woche. "In dieser Zeit will er ganz bewusst etwas für seine Gesundheit tun. Vorbeugen ist in." Schmunzelnd erinnert sich der Kurdirektor an einen 100-jährigen Gast, dem er kürzlich gratulierte. Dieser Kurgast war mit 86 Jahren erstmals nach Bad Wörishofen gekommen, "bevor die ersten Zipperlein mich plagen".

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