Bahnhöfe des Jahres:Geburtsurkunden am Ticketschalter

Winterberg im Sauerland und Eppstein im Taunus: Deutschland hat zwei neue "Bahnhöfe des Jahres". Dort kann man nicht nur ein- und aussteigen.

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Bahnhof Winterberg

Quelle: Stephan Roehl/allianz-pro-schiene/dpa

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Orte der Sehnsucht, Orte des Fernwehs, Orte, an denen sich Familien und Freunde nach langer, schöner Fahrt selig in die Arme fallen - soweit die Wunschvorstellung. Die Realität an Bahnhöfen sieht oft anders aus: schmuddelige Vorhallen, geschlossene Buden und marode Bahnsteige, ganz abgesehen von Ärgernissen wie Verspätungen und Zugausfällen.

Dass das Ein-, Um- und Aussteigen in Deutschland aber sehr wohl Freude machen kann, hebt der Lobby-Verein Allianz pro Schiene 2018 zum 15. Mal hervor. Denn der Verein kürt jährlich die beiden kundenfreundlichsten Bahnhöfe. Nun dürfen sich die Stationen von Winterberg im Hochsauerland (im Bild) sowie Eppstein im Taunus "Bahnhof des Jahres 2018" nennen.

Wie kommen sie zu der Ehre?

Bahnhof Winterberg

Quelle: Stephan Roehl/allianz-pro-schiene/dpa

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Der Neubau im bekannten Wintersportort Winterberg sei "futuristisch, glasklar und farbenfroh", der Bezug zur Stadt werde über eine abstrahierte Skisprungschanze auf dem Dach hergestellt, schreibt die Jury. Der Fahrkartenschalter in der hellen Halle aus Holz und Glas sei zugleich erster Anlaufpunkt für das städtische Bürgeramt: Es gibt hier neben Tickets auch Personalausweise und Geburtsurkunden.

Bahnhof des Jahres

Quelle: dpa

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Das historische Bahnhofsgebäude von Eppstein aus grauem Sandstein füge sich "nach der liebevollen Sanierung vorbildlich ins Stadtbild". Der Bahnhof sei zu einer Anlaufstelle für Bürger, Ausflügler und Pendler gleichermaßen geworden. Das Empfangsgebäude wurde 1903 errichtet und nach zehn Jahren Leerstand 2007 wiedereröffnet. Heute befinden sich darin das Bürgerbüro Eppstein und ein Café. Der Bahnhof zählt im Durchschnitt 2300 Reisende täglich und zudem 200 Besucher.

Bahnhof des Jahres

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Ein besonderer Service ist in Eppstein außerhalb des Bahnhofes geboten: In diesen abschließbaren Kammern können E-Bike-Besitzer ihre Fahrräder aufladen.

Seit 2004 prämiert die Allianz pro Schiene nach der Auswertung von ausgedehnten Testreisen durch ganz Deutschland die durchfahrenen Bahnhöfe. Die Jury besteht unter anderem aus Vertretern des Fahrgastverbandes Pro Bahn, dem Deutschen Bahnkunden-Verband (DBV), dem Verkehrsclub Deutschland (VCD), dem ACE Auto Club Europa, dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) und der Allianz pro Schiene. Mit Eppstein und Winterberg wurden erstmals zwei kleinere Bahnhöfe ausgezeichnet, bisher ging der Titel "Bahnhof des Jahres" jeweils an einen Großstadt- und einen Kleinstadtbahnhof

Allianz pro Schiene

Quelle: Stephan Roehl; Allianz pro Schiene

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Lutherstadt Wittenberg Hbf

Bei einem der beiden Vorjahressieger ließ sich die Jury derart von Architektur und Ausgestaltung mitreißen, dass sie sogar mitteilte: "Dieser Bahnhofsneubau hätte Martin Luther gefallen." Dessen Prinzip der Askese sei beim Hauptbahnhof in Lutherstadt Wittenberg als Leitmotiv deutlich zu erkennen: "Keine Schnörkel, keine Verzierungen, keine Gigantomanie, aber überall Liebe zum Detail, gepaart mit Zweckmäßigkeit und Offenheit zum Himmel hin". Zu solchen Hymnen kann ein mittelgroßer Bahnhof also verleiten.

Und ganz konkret: vorbildliche Beschilderung, ein gepflasterter Weg vom Bahnhof bis zur historischen Schlusskirche sowie ein überdachter Vorplatz werden zu den Vorzeigeeigenschaften gezählt.

Allianz pro Schiene

Quelle: Stephan Roehl; Allianz pro Schiene

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Im Advent 2016 wurde der Neubau in Wittenberg eröffnet, seither durchreisen ihn pro Tag knapp 4000 Menschen verteilt auf etwa 220 Züge, darunter 70 Fernzüge.

Auf ihrer Testreisen prüfen die Juroren vor Ort mit einer Checkliste Kriterien wie Fahrgast-Information, Sauberkeit, Integration des Bahnhofs in die Stadt und die Verknüpfung mit anderen Verkehrsmitteln. Es gehe aber auch "ein eher subjektiver Wohfühlfaktor" in die Bewertung ein, wie es heißt.

Allianz pro Schiene

Quelle: Stephan Roehl; Allianz pro Schiene

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Wittenberg bietet nach Horrem in NRW den zweiten "grünen" Bahnhof Deutschlands. Konkret heißt das, der Bau funktioniert CO2-neutral, unter anderem dank Solarzellen auf dem Dach, einer Regenwasseraufbereitung und Nutzung von Geothermie.

Und die üblichen, für Reisende direkt spürbaren Vorteile eines angenehmen Bahnhofs gibt es natürlich auch - wie Sitzmöglichkeiten, eine Bäckerei und eine Buchhandlung. "Eine Sachlichkeit, die niemals kalt ist", sagten die Juroren in ihrer Begründung für den Sieger in der Kategorie "Alltagsmobilität".

Bahnhof des Jahres 2017; Allianz pro Schiene

Quelle: AndreasTaubert.com

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Bayerisch Eisenstein

Im Bereich "Tourismus" ging der Titel 2017 an den äußersten Rand Bayerns. Bayerisch Eisenstein liegt an der Grenze zu Tschechien, so dass hier ein "monumentaler Doppelbahnhof" zu bewundern ist, erklärte Allianz pro Schiene.

"Zwei Wartesäle, zwei Bahnhofsrestaurants und zwei Gleisanlagen, auf denen zwei Brüder-Bahnen in zwei verschiedene Länder hineinfahren" - falls Europa in der Krise stecke, dann jedenfalls nicht hier, so die Jury. Statt Pendlern nutzen vor allem Touristen und Tagesausflügler den prämierten Bahnhof, und finden dabei einen historischen Fußboden im Wartesaal, zweisprachige Beschilderungen und auf bayerischer Seite ein Restaurant samt Stuckdecke und sehr genießbaren Speisen vor (Stichwort "gutgemachte Grünkernbulletten").

Bahnhof des Jahres 2017; Allianz pro Schiene

Quelle: AndreasTaubert.com

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Inmitten der renovierten Halle können Reisende mit etwas Zeit im Gepäck ein großes Modell betrachten, das sowohl den Ort als auch die umliegende Natur zeigt - und selbstverständlich die Bahnanlagen. Wem das nicht genug ist, dem bieten auch noch ein Fledermausmuseum, ein Skimuseum und historische Ausstellungen zu Bahn oder Kaltem Krieg Fortbildungsmöglichkeiten.

Und von wegen üble Bahnhofsgegenden. Die Juroren von Allianz pro Schiene haben sich 2017 auch von der Bahnhofsstraße überzeugen lassen, in der zum Beispiel eine Glashütte und eine Kunstgalerie zu finden sind. Die tschechische Seite wiederum werbe mit "Gastronomie, zollfreien Zigaretten und trinkfrohen Festen". Insgesamt empfinde man hier also "urlaubsgerechte Betriebsamkeit" und überhaupt: "gelebte europäische Grenzkultur".

Erleben können das derzeit täglich im Schnitt knapp 800 Menschen in wenigen Dutzend Zügen.

Allianz pro Schiene

Quelle: AndreasTaubert.com

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2016: Der Hauptbahnhof Stralsund

"Ein wenig zurückgenommen, dabei selbstbewusst im allerbesten Sinne". Was der Beschreibung nach ebenso auf ein minimalistisches Designer-Kleidungsstück zutreffen könnte, meinte den Bahnhof Stralsund. Laut Jury-Begründung zeige dieser: "Das Solide zählt mehr als Protz und Prunk". Der Bahnhof stelle für Ortsfremde einen Vorboten der nahen Ostsee dar. Auch aus kulinarischer Sicht sei der Bahnhof dank vegetarischer Küche und "einer großen Auswahl an regionalen Sanddornspezialitäten" eine Reise wert.

Allianz pro Schiene

Quelle: AndreasTaubert.com

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Besonders betonte die Jury damals das auffallend freundliche Sicherheitspersonal: "Ein Fahrradfahrer, der radelnd den Bahnhof durchquert, wird aufgefordert abzusteigen. Doch das 'Bitte' vergessen die Servicekräfte ebenfalls nicht." Man könnte an dieser Stelle nun einwenden, dass ein "Bitte" unter Umständen auch an anderen Orten Deutschlands zum normalen Umgangston gehören könnte, die Entscheidung der Jury dürfte das aber nicht mehr beeinflussen.

Ein "Musterbeispiel" stellte der Bahnhof für Pro Schiene auch aus planerischer Sicht dar. Neben Fahrradabstellplätzen gebe es da zum Beispiel ein zusätzliches Angebot an Taxis. Doch ein Manko schien es auch an diesem Bahnhof des Jahres zu geben: Der Weg zum Bus könne "ein zusätzliches Schild zur Orientierung" vertragen.

Bahnhof des Jahres 2016

Quelle: AndreasTaubert.com

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2016: Der S-Bahnhof Steinheim

Warum ausgerechnet der S-Bahnhof Steinheim als erster Bahnhof Nordrhein-Westfalens in die Bestenliste aufgenommen wurde? Die Jury war sich einig: Wie ein "gastfreundlicher Gutshof" ducke er sich "ins sanfte Hügelland" und öffne "dem müden Weserbergland-Wanderer seine Pforten". Ein Bahnhof wie aus dem Bilderbuch, möchte man meinen, wenn man dieser Landschaftsbeschreibung folgt. Was die Jury sonst zu loben wusste? Eine "sanft absteigende Rampe", die in Serpetinen zur Unterführung leite. Als kluger Gedanke wurde außerdem die Installation eines Aufzugs hervorgehoben. Soweit also nichts Ungewöhnliches.

Bahnhof des Jahres 2016

Quelle: AndreasTaubert.com

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Etwas Ausgefallener erschien dann doch, dass Zugreisende an dem Bahnhof nicht nur in einem griechischen Restaurant dinieren können, sondern im Fahrradkeller auch eine Ladestation und einen "Trockenraum für die durchgeschwitzten Trikots" finden können. Und dann wäre da natürlich noch das Spurplandrucktastenstellwerk (Bild), das den Betrieb regle. Aber das würden "natürlich nur die regelmäßigen Besucher dieses kleinen Bahnhofswunders" wissen.

Bahnhof des Jahres 2015; Marburg Bahnhof des Jahres 2015

Quelle: AndreasTaubert.com

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2015: Der Bahnhof Marburg

Den Bahnhof in Marburg nannte die Jury ein "kleines Wunder". Der "früher so dunkle, leicht verwahrloste und vom Autoverkehr eingeschnürte Bahnhof" sei durch einen durchdachten Umbau in eine "helle, stille Alltagsschönheit" verwandelt worden, lautet die Erklärung. So etwas gelinge hierzulande selten. Besonders betont die Jury, der Marburger Bahnhof sei ohne unnützen Luxus "zu hundert Prozent alltagstauglich" umgestaltet worden. Auch die Barrierefreiheit sei mustergültig.

Viel Lob für eine Renovierung in Zeiten, in denen sich Großprojekte oft endlos hinziehen oder massive Proteste auslösen. 30 Millionen Euro wurden dafür investiert. Das ursprünglich 1909 eröffnete Empfangsgebäude wird inzwischen täglich von etwa 11 000 Reisenden und Besuchern genutzt.

Bahnhof des Jahres 2015; Oberweißbach Bahnhöfe des Jahres 2015

Quelle: AndreasTaubert.com

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Außerdem pries der Verein 2015 das Bahnhofsduo Obstfelderschmiede und Lichtenhain in der Kategorie Tourismus in höchsten Tönen. Denn dort, mitten im Thüringer Wald, "umgeben von Blumenwiesen und Waldidyll", liege mit der Oberweißbacher Bergbahn ein historisches Kleinod.

1923 wurde sie eröffnet, Denkmalschutz gilt seit mittlerweile 35 Jahren. Keine Standseilbahn in Deutschland verläuft steiler. Sie führt über 1,38 Kilometer durch eine Schlucht und bietet Ausblicke aufs Umland.

Obstfelderschmiede - Oberweißbacher Bergbahn

Quelle: dpa

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Vom Kultstatus in Eisenbahner-Kreisen habe man sich nicht beeindrucken lassen, so die Jury. Vielmehr hätten die beiden Bahnhöfe Obstfelderschmiede (im Bild) und Lichtenhain "alles, was ein Tagestourist auf der Rundreise von Erfurt oder Weimar braucht" - von kostenfreiem Wlan und Smartphone-Touren bis zu Thüringer Spezialitäten in der Talstation und ausgeprägter Freundlichkeit des Personals.

Hauptbahnhof Dresden

Quelle: dpa

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Großstadtbahnhof 2014: Dresden

Damals hatte die Jury den dortigen Hauptbahnhof als "Denkmal einer lichten, beschwingten Leichtigkeit" ausgezeichnet. Der Mix aus Prachtbau und moderner Funktionalität sei geradezu "zum Genießen".

Tatsächlich gilt der Dresdner Bahnhof als besonders schön, die Neugestaltung durch Architekt Norman Foster wurde schon 2006 viel gelobt. Und nicht nur der Aufenthalt innen, auch ein Ausflug in der Umgebung lohnt sich - Tipps für Spaziergänge in der Nähe finden sich hier.

Bahnhof des Jahres 2014; Bahnhof des Jahres 2015, Hünfeld

Quelle: AndreasTaubert.com

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Kleinstadtbahnhof 2014: Hünfeld

Den überzeugendsten kleinen Bahnhof fand das Gremium 2014 in Hessen, genauer in Hünfeld, wo "ein ländliches Idyll mit Gesamtkonzept" gelobt wurde. Dort kümmere man sich sorgfältig sowohl um die Infrastruktur als auch um Reisende. Das Ergebnis einer Sanierung, denn nur wenige Jahre zuvor hatte es an Hünfelds Schienen noch ganz anders ausgesehen, wie Lokalpolitiker nach der Auszeichnung betonten.

© SZ.de/dpa/naf/cag/rus/feko/ihe/dd
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