Frisch bezogen:Lilys Traum

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In Israel hat ein Hotel eröffnet, das bildender Kunst und Musik Raum geben soll. Einer schwerreichen Mäzenin ist das viel wert.

Von Peter Münch

Als Erstes sieht man zwei gewaltige Hintern. Aus einem mächtigen Marmorblock gehauen, Carrara natürlich, stemmt sich ein nacktes Paar gegen einen Felsbrocken. Sisyphus ist das, und an seiner Seite müht sich Sisypha mit dem Stein. Geschaffen wurde diese 26 Tonnen schwere Skulptur, die in der Lobby alle Blicke einfängt, von der israelischen Künstlerin Sigalit Landau - als Antithese womöglich zu dem, worum es hier geht: Der Stein nämlich soll oben bleiben, ein Hotelprojekt soll zum Erfolg geführt werden. Ein Projekt, das in seiner Ambition ebenso waghalsig wie einzigartig ist. Denn dieses Hotel soll eine Heimstatt für die Künste sein, ein Ort für Konzerte und Theateraufführungen, für Ausstellungen und Meisterklassen. Es ist ein Traum, der Formen angenommen hat. Der Traum von Lily Elstein.

Großer Pool, großer Plan: Das Elma Arts Complex Luxury Hotel. (Foto: Elma Hotel)

85 Jahre alt wird die Dame in diesem Sommer, und das Geschenk dazu hat sie sich selbst gemacht mit dem Elma Arts Complex Luxury Hotel, das im israelischen Zichron Yaakov frisch eröffnet hat. Lily Elstein ist hier auf den Hügelkuppen des Karmelgebirges geboren, ihre Großeltern zählten zusammen mit dem Baron Edmond de Rothschild zu den Gründern des Ortes. Später hat sie im israelischen Unabhängigkeitskrieg in den Reihen der paramilitärischen Palmach gestanden, danach kam sie vom Kampf zur Kunst. Zwischendurch hat sie einen Mann namens Joel Mosche Elstein geheiratet, der zu den Besitzern des Pharmakonzerns Teva zählte. Seit ewigen Zeiten ist sie in Israel als Mäzenin bekannt. Nun hat sie all ihre lebenslangen Aktivitäten unter ein Dach gepackt, unter das Dach von "Elma", was für "Elstein Music and Arts" steht.

Den Gebäudekomplex in bester Aussichtslage hatte sie vor zehn Jahren für umgerechnet 18 Millionen Euro erworben. Einst diente er als Erholungsheim der Gewerkschaft, dann stand er leer und war zum Abriss freigegeben. "Es war eine Ruine", sagt die Projektmanagerin Gilat Tsoar, "Lily hat das Haus gekauft, um es zu retten." Von Beginn an hatte Lily Elstein große Pläne für ihr künftiges Kultur-Hotel, doch ziemlich schnell bekam sie auch große Probleme - mit den Nachbarn nämlich, die sich um die Beschaulichkeit ihres Villenviertels sorgten.

Phantastische Akustik: Das Haus verfügt nicht nur über ein Spa, sondern auch über zwei Konzertsäle. (Foto: Elma Hotel)

Nach viel Streit, ein paar Prozessen und deutlichen Abstrichen von der ursprünglich geplanten Dimension konnten schließlich die Umbauarbeiten beginnen. Die möglichst originalgetreue Rekonstruktion des alten Gebäudes wurde nicht zuletzt dadurch gesichert, dass der Architekt Amnon Rechter die Federführung übernahm - der Sohn von Yaakov Rechter, der das preisgekrönte Haus mit der wellenförmigen, weißen Fassade in den Sechzigerjahren im funktionalen Design und geprägt vom sozialistischen Ethos jener Tage erbaut hatte. Acht lange Jahre wurde renoviert, und bis heute sind die Arbeiten trotz der Eröffnung noch nicht ganz abgeschlossen. An manchen Stellen wird noch gehämmert und gesägt, um manche Ecke weht der Geruch frischer Farbe. Doch längst ist sichtbar, was für ein Juwel hier geschliffen wurde. "Wir haben keine Kosten gespart", sagt Gilat Tsoar. Das glaubt man sofort, wenn sie die Summe für den Umbau nennt: umgerechnet etwa 80 Millionen Euro. Insgesamt also stecken 100 Millionen Euro in diesem Tempel der Kultur, der mit seinen 200 Angestellten zugleich der Erholung seiner Gäste dienen soll.

(Foto: N/A)

"Es ist schwer zu sagen, wo die Kunst aufhört und das Hotel anfängt", lautet das Motto des Hauses, das natürlich auf die Hausherrin persönlich zurückgeführt wird. Die meistgehörten Sätze zwischen diesen Mauern fangen überhaupt gern mit "Lily" an: "Lily wollte das so", "Lily liebt das", "Lily konnte damit gar nichts anfangen" - so hallt es von den Wänden, wenn Gilat Tsoar durchs Hotel führt.

Alles Lily also, und das steht hier unbedingt für Qualität. An den Wänden prangt die Kunst. "Kommt alles aus Lilys privater Kollektion", heißt es. Lebensart wird zelebriert am Pool, im Spa samt türkischem Hamam und im Gym, das dem Vernehmen nach von Lily Elstein eher für verzichtbar gehalten wurde. Vielleicht sind die Fitness- und Foltergeräte deshalb im Bunkerraum des Hotels untergebracht. Das Restaurant, koscher und fein, wirkt auf den ersten Blick wie ein großes Wohnzimmer samt Bücherwand, Sofas und Kamin. Ein Zufall ist das nicht, denn alles stand einst in Lily Elsteins Privatwohnung.

Und selbst in jedem der 51 Zimmer sowie in den zugebauten 22 Cottages hat sie die Bilder einzeln ausgewählt und die Richtung für den dezenten Luxus vorgegeben. Kernstück des Hotels aber sind nicht die Suiten, die Restaurants oder Liegeflächen, sondern die Kultureinrichtungen. Drei Galerien mit insgesamt 750 Quadratmetern Ausstellungsfläche finden sich hier, vier Amphitheater, von denen das größte 800 Zuschauer aufnehmen kann, sowie zwei erstklassige Konzertsäle. Im kleineren, dem "Cube" mit 150 Plätzen, finden Kammermusik sowie Jazz, Blues und Pop eine Heimat.

In der "Elma Hall" mit 450 rot-samtenen Sitzen kommen die großen Konzerte zur Aufführung. Der Anspruch könnte höher kaum sein: Für die Akustik wurden Experten aus New York eingeflogen. "Kein Nagel wurde hier eingeschlagen ohne ihre Erlaubnis", erzählt Gilat Tsoar. "Die Akustik ist großartig, du glaubst es nicht, bis du es hörst." Prunkstück aber ist die Orgel, geliefert vom Orgelbauer Klais aus Bonn: 1414 Pfeifen, Kostenpunkt 420 000 Euro. "Das war Lilys Idee, manche dachten, sie ist verrückt", sagt Gilat Tsoar.

Schließlich gibt es in Israel nicht unbedingt eine Orgelkultur, es fehlen jenseits der wenigen christlichen Stätten in Jerusalem oder am See Genezareth schlicht die Kirchen. Doch nun steht im Elma Hotel die erste und einzige Konzerthallen-Orgel in Israel, regelmäßig bespielt von internationaler Prominenz. Hotelgäste bekommen Rabatt auf die Eintrittskarten. Die Zimmerpreise beginnen bei umgerechnet 300 Euro. Zu besonderen Veranstaltungen wie etwa einem Mozart-Festival werden auch Pakete für Übernachtung mit Frühstück plus Musik angeboten. Im Idealfall soll der Hotel- den Kulturbetrieb finanzieren, aber dem Businessplan zufolge wird das erst in einigen Jahren so weit sein. Die enormen Investitionen aber werden wohl niemals wieder hereinzuholen sein, räumt die Projektmanagerin ein. Kein Problem, denn wichtig ist, dass der Traum Wirklichkeit geworden ist. "Lily", sagt Gilat Tsoar, "geht es nicht darum, Geld zu verdienen."

© SZ vom 18.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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