Frisch bezogen:Konzert aus der Kombüse

Zwei Theater vis-à-vis und ein musikalischer Küchenchef: Der Reichshof spielt wieder groß auf in Hamburgs Hotellerie.

Von Stefan Fischer

Die vielen Monate im Trockendock sind zu Ende, der Reichshof ist vom Stapel gelaufen. Auch wenn puristische Seebären das für Unfug halten mögen, weil ein Hotel nun einmal fest verankert an Land steht: Im Fall des Reichshofs in Hamburg liegt die Analogie zur Schifffahrt auf der Hand. Eröffnet haben das Hotel 1910 Anton-Emil Langer, zuvor Küchendirektor auf den Ocean-Linern von Hapag, und der Reeder Albert Ballin. Das Restaurant ist dem Speisesaal eines luxuriösen Kreuzfahrtschiffes nachempfunden, bauchig geschwungen sind die holzgetäfelten Wände, mit Séparées auf der Galerie. Nebenan in der Art- Déco-Bar spielt zwar kein Salonorchester, aber immerhin der Küchenchef Frank Bertram musiziert samstagabends - Konzerte aus der Kombüse gewissermaßen.

Bei seiner Eröffnung setzte der Reichshof, unmittelbar am Hauptbahnhof neben dem Schauspielhaus gelegen, durchaus Standards in der deutschen Hotellerie mit fließendem Wasser, elektrischem Strom, Telefonanschlüssen sowie Bädern auf etlichen der damals 600 Zimmer. Vor dem Ersten Weltkrieg lag der Zimmerpreis bei 3,50 Mark inklusive Frühstück. Das entsprach beinahe dem Tageslohn eines Handwerkers, etwa eines Maurers oder Tischlers. Zuletzt wurde der Reichshof drei Jahrzehnte lang von der Maritim-Kette geführt und war schließlich nur noch ein besseres Mittelklasse-Hotel.

Um das wieder zu ändern und das Grandhotel-Flair vergangener Tage neu zu beleben, hat der aktuelle Eigentümer Hilton das Haus ein Jahr lang geschlossen und 30 Millionen Euro in die Renovierung investiert. "Von der ersten bis in die sechste Etage wurde der Reichshof komplett entkernt", sagt der Generaldirektor Folke Sievers. Und doch steckt sehr viel von dem alten im neuen Hotel. Die außergewöhnlichen Zimmer- und Türhöhen sind beibehalten worden. Und wenn man sich vor einem Jahrhundert etwas auf die Bäder einbilden konnte, so sind sie auch im neuen Reichshof insofern prägend, als trotz etwa 60 verschiedener Grundrisse in den nunmehr 278 Zimmern und Suiten sich das Bad nie neben dem Eingangsbereich befindet. "Dadurch wirken unsere Zimmer eher wie Wohnungen und nicht wie ein typisches Hotelzimmer, wo es standardmäßig fast überall gleich rechts neben der Tür ins Bad geht", sagt Sievers.

Vieles ist denkmalgeschützt im Reichshof, vor allem die Halle mit ihren Marmorsäulen. Folke Sievers legt Wert darauf, dass für das generalüberholte Hotel kein Retromobiliar angefertigt worden ist: Die Wegweiser zu den Fahrstühlen in den Korridoren, die Stempeltische und die Lampen im Foyer sind originales Inventar des Reichshofs. Die Tische haben lediglich neue Marmorplatten bekommen und die historischen Lampengestelle sind um moderne Glasschwerter ergänzt worden. Viel neue Technik ist verbaut worden, aber die ist selten sichtbar.

Im Reichshof treffen sehr unterschiedliche Gäste aufeinander: Zum einen sind das die Anhänger des alten Reichshofs, denen man beweisen müsse, dass sie mehr gewinnen, als man ihnen weggenommen hat, so Folke Sievers. Dann die Hilton-Stammgäste, die hier jedoch kein klassisches Hilton-Hotel vorfinden. Der Konzern führt den Reichshof als erstes Haus in Europa unter seiner Submarke Curio, in der die Hotels teilweise ihre eigenen Standards setzen. Und zuletzt die Gäste des alten Restaurants Slowman. Frank Bertram hat sich damit im Chilehaus einen Namen gemacht - und wagt nun einen Neustart im Reichshof. Warum er sich das antut? "Weil man Wettkämpfer ist", sagt er etwas distanziert über sich selbst. 140 Plätze statt 100 im Chilehaus, dazu jetzt zusätzlich die Verantwortung fürs Hotelfrühstück und das Tages-Catering: "Da eine Handschrift reinzukriegen, geht nicht von heute auf morgen." Bertram setzt auf einen positiven Überraschungseffekt: Die Kombination eines trotz Renovierung erkennbar historischen Ambientes mit einer modernen Küche mache neugierig, glaubt er - "vor allem auch ausländische Gäste". Im Slowman werde im Rhythmus der Natur gekocht, die Lieferanten stammen aus der Region. Es gibt Klassiker, etwa Steak Frites Mignon oder Kutterfisch; dazu Asiatisches - Sushi sowie Wokgerichte, zubereitet nach Demeter-Kriterien. Frank Bertram lässt ein eigenes Brot für den Reichshof backen. Und das Wasser des Hotels kommt aus einem eigenen Brunnen in der Lüneburger Heide. "Wir sind zwar jetzt an das Hamburger Wassernetz angeschlossen", sagt der Hoteldirektor Sievers, "nutzen das aber nicht."

Was es nicht mehr gibt, ist die Klingel in der Bar, die vom Schauspielhaus aus betätigt werden konnte und das Signal für den Barkeeper war, dass nun die Pausengäste kommen würden - und etwas später für die Gäste, die wieder zurück ins Theater gebeten worden sind. Nicht nur das Schauspielhaus, auch das Ohnsorg-Theater ist vis-à-vis - der Reichshof ist also attraktiv für Theaterleute und Publikum. Ohnehin soll neben dem Restaurant vor allem die Bar 1910 mit ihrem Billardtisch und der großen Whiskey-Auswahl ein Treffpunkt der Hamburger werden. Und für Münchner bietet sich das 1910 als Expatriot-Bar an: Der Barchef Mario Zils hat ein Jahrzehnt lang im Schumann's gearbeitet.

Reichshof Hamburg, Kirchenallee 34-36, 20099 Hamburg, Tel.: 040/37 02 59-0, E-Mail: info@hamburg-reichshof.com, www.hamburg-reichshof.de. Zimmerpreise ab 149 Euro. Restaurant Slowman: info@slowman.de, www.slowman.de.

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