Flugzeugabsturz in San Francisco:"Landung auf Sicht wird zu wenig geübt"

U.S. National Transportation Safety Board investigators work at the scene of the Asiana Airlines Flight 214 crash site at San Francisco International Airport in San Francisco

Experten des National Transportation Safety Board untersuchen das Wrack des Asiana Airlines Fluges 214.

(Foto: Reuters)

Die Boeing 777 der Asiana Airlines war vor der Bruchlandung auf dem Flughafen San Francisco zu tief und zu langsam: Das Durchstarten gelang nicht mehr, die Maschine blieb wohl an der Ufermauer hängen. Welche Fehler Piloten bei einem solchen Sichtanflug machen können, erklärt Flugsicherheitsexperte Siegfried Niedek.

Von Katja Schnitzler

Wie kann es passieren, dass eine Boeing 777 beim Anflug auf den Flughafen San Francisco nicht nur zu tief, sondern auch noch viel zu langsam ist? So langsam, dass automatisch vor einem Strömungsabriss gewarnt wird? In diesem Fall hätte die Maschine ihren Auftrieb verloren und wäre abgesackt. Um das zu vermeiden, versuchte der Pilot der Air Asiana kurz vor dem Aufsetzen, doch noch durchzustarten.

Doch das gelang nicht mehr, die Maschine blieb offenbar an der Ufermauer hängen. Bei der Bruchlandung kamen am Samstag zwei junge Chinesinnen ums Leben. Mehr als 180 der insgesamt 307 Menschen an Bord wurden verletzt.

Am Wetter kann es nicht gelegen haben, das war für den Airport beinahe optimal. "Und der Flughafen ist eigentlich auch nicht schwierig anzufliegen", sagt Siegfried Niedek, Experte für Flugsicherheit. Er hält einen Pilotenfehler für wahrscheinlich.

Zwar sagt ein Sprecher der Pilotenvereinigung Cockpit, dass bei Landeanflügen meist nur bei schlechter Sicht auf den Autopiloten zurückgegriffen werde: "Die letzten drei bis vier Minuten werden in der Regel immer von Hand geflogen - außer wenn sehr starker Nebel herrscht."

Ungewöhnlich ist aber, ohne eine elektronische Rückversicherung vom Boden aus zu landen: Seit Juni war die Gleitweganzeige des Instumentenlandesystems (ILS) in San Francisco außer Betrieb. Diese Technik zeigt dem zweiten Piloten, der die Instrumente im Cockpit überwacht, ob der Pilot zu hoch oder zu tief fliegt - eine zusätzliche elektronische Sicherung beim Sichtanflug.

Der Co-Pilot, der auf dem Flug 214 die Landung übernommen hatte, kann zwar insgesamt knapp 10.000 Flugstunden vorweisen - nur für den Flugzeugtyp Boeing 777 war er noch im Training und hatte dieses Modell erst 43 Stunden geflogen.

"Ein neuer Flugzeugtyp wird zwar im Simulator geübt, bevor der Pilot die Berechtigung seiner Airline bekommt, die Maschine tatsächlich zu fliegen", erklärt Sicherheitsexperte Niedek. Doch Landungen werden auch im Simulator meist nicht nur auf Sicht geflogen, sondern mit zusätzlicher elektronischer Überwachung.

"Hinzu kommt ein Problem, das viele Langstrecken-Piloten betrifft", sagt Niedek: die fehlende Übung. Ein Kapitän, der vier Mal im Monat Langstrecke fliege und dabei auch seinen Kopiloten landen lasse, komme gerade mal auf etwa vier eigene Landungen im Monat. "Und dann ist noch die Frage, wann er das letzte Mal eine große Maschine nur auf Sicht gelandet hat." Wie oft dies ein Pilot im Simulator trainieren müsse, liege in Deutschland in der Verantwortung der Airlines und des Piloten selbst. Nun sei die Frage, wann der koreanische Pilot zuletzt eine Sichtlandung geübt habe.

"Am sichersten fliegen diejenigen, die als Hobby mit kleinen Maschine ständig starten und landen", so Niedek. Nur so habe der passionierte Segelflieger Chesley Sullenberger 2010 seine Maschine nach dem Motorenausfall im Hudson notwassern können.

Beim Unglück in San Francisco sei hinzugekommen, dass sich beim Anflug über Wasser kaum Referenzpunkte fürs Auge bieten: "Da ist es menschlich, zu denken, dass man zu hoch ist - man geht automatisch runter und wird langsamer." Um diesen Fehler beim Sichtflug zu vermeiden, sind neben der Landebahn in San Francisco eigentlich Balken mit vier Signallichtern in einer waagrechten Reihe aufgestellt (Precision Approach Path Indicator, PAPI): "Das Flugzeug hat die richtige Flughöhe auf dem Gleitpfad, wenn zwei Lichter rot anzeigen und zwei weiß. Leuchten alle vier Signale rot, ist die Maschine gefährlich tief."

Zusätzlich zum Kopiloten, der auf Sicht flog, machte aber auch der Pilot im Cockpit, der für die Überwachung der Instrumente zuständig war, einen Fehler: Er warnte seinen Kollegen nicht, dass er viel langsamer als die vorgeschriebenen 137 Knoten war.

So drohte die Strömung abzureißen, die dem Flugzeug Auftrieb gibt. Der Pilot versuchte, durchzustarten - eineinhalb Sekunden vor dem Aufsetzen. "Aber bis beim Vollgas der Schub ansetzt, vergehen beim Düsentriebwerk vier Sekunden", sagt Niedek. Zu lange für die koreanische Maschine.

Zudem habe der Pilot das Flugzeug wohl stark nach oben gezogen, so dass sich das Heck senkte und an der Ufermauer hängenblieb.

"Die Hauptverantwortung trägt aber der Kapitän", erklärt der Sicherheitsexperte. Denn dieser treffe die Entscheidungen an Bord - auch die, auf der zugewiesenen Runway zu landen, obwohl dort die elektronische Hilfe ILS nicht funktionierte. So musste der Pilot die Lichtbalken richtig einschätzen. Und dabei ging offenbar etwas schief.

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