Flugzeugabstürze:Düstere Bilanz am Himmel

Nach einem relativ guten Jahr 2004 hat die Zahl der Todesopfer in der Zivilluftfahrt 2005 wieder deutlich zugenommen.

Andreas Spaeth

Bis zum 2. August war das Jahr 2005 ein scheinbar ganz normales in der Sicherheitsstatistik der kommerziellen Passagierluftfahrt - die Passagierzahlen stiegen weiter, die Zahl der Unglücke und die der zu beklagenden Todesopfer hielt sich vermeintlich konstant auf niedrigem Niveau. Immerhin hatte das Jahr 2004 positive Maßstäbe gesetzt - bei 1,8 Milliarden Passagieren wurden seinerzeit weltweit nur elf Vorfälle und die in Relation niedrige Zahl von 347 Toten gezählt (die SZ berichtete). Nie zuvor war Fliegen sicherer - und die Branche hoffte, dass das Standard bleiben werde.

Flugzeugabsturz, AP

Das Leitwerk der bei Athen abgestürzten Helios-Maschine

(Foto: Foto: AP)

Trügerische Sicherheit, denn nach einer schwarzen Serie von gleich fünf Unglücken, bei denen innerhalb von nur 30 Tagen im August und September des letzten Jahres 417 Menschen zu Tode kamen, ist die Bilanz für 2005 ernüchternd: Insgesamt starben nach Angaben von Aviation Safety Network (ASN) bei 35 Unfällen 1059 Menschen; zu Grunde liegen dieser Zahl nur Crashs von Passagierflugzeugen mit mehr als 14 Sitzen, wobei die Beteiligung großer Passagierjets deutlich gestiegen ist - von elf im Jahr 2004 auf jetzt 21.

Anteil schwerer Unfälle besonders hoch

Während die zu verzeichnenden Opfer in etwa dem Zehn-Jahres-Schnitt zwischen 1995 und 2004 entsprechen und die Gesamtzahl der Unfälle durchschnittlich sogar unter der dieses Zeitraums liegt, war 2005 der Anteil der schweren Unfälle besonders hoch. "In der Luftfahrtgeschichte verzeichnen wir nur fünf Jahre, in denen es noch mehr Unfälle gab, bei denen jeweils mehr als 100 Menschen starben", sagt Harro Ranter vom ASN.

Trotzdem sehen andere keinen Grund für Pessimismus: "Auch wenn manche Jahre schlechter als andere sein mögen, hält die Verbesserung der Luftfahrtsicherheit an - sowohl in absoluten Zahlen als auch bei den Unfallraten", interpretiert Paul Hayes vom Londoner Luftfahrtversicherer Airclaims.

Die schwarze Serie des Jahres 2005 begann am 2. August, als in Toronto ein Airbus A340 der Air France nach einer Bruchlandung bei schlechtem Wetter in Flammen aufging. Niemand hoffte angesichts der Horrorszenen auf Überlebende, doch der beherzten Evakuierung durch die gut geschulte Besatzung folgte das "Wunder von Toronto": Alle 309 Menschen an Bord konnten sich retten, nur wenige wurden verletzt.

Und die Katastrophenmeldungen rissen nicht mehr ab: Am 6. August musste eine tunesische ATR-72 im Mittelmeer vor Sizilien notwassern, nachdem wegen Treibstoffmangels beide Turboprop-Motoren versagten. 16 Passagiere, vor allem italienische Urlauber, starben; es stellte sich heraus, dass die Maschine fälschlicherweise mit der Treibstoffanzeige der kleineren ATR-42 ausgerüstet worden war.

Düstere Bilanz am Himmel

Bis heute nicht restlos geklärt ist eines der schwersten Unglücke in Europa seit langem - der Absturz einer zuletzt führerlos fliegenden Boeing 737-300 der zypriotischen Helios Airways am 14. August bei Athen. Fest steht, dass ein Druckabfall in der Kabine ein Auslöser des Unfalls war, bei dem alle 121 Menschen an Bord starben.

Warum die Piloten den Druckregelungs-Schalter, der nach Bodentests fälschlicherweise auf "manuell" stand, vor dem Start nicht wieder auf "automatisch" umstellten, warum sie sich nicht ihrer Sauerstoffmasken bedienten - all das ist bisher nicht erklärbar.

Zwei Tage später ein erneuter Schock für die Franzosen, nach dem Unfall von Toronto und dem Flash-Air-Absturz mit 148 meist französischen Opfern in Ägypten zwei Jahre zuvor bereits sehr sensibel in Sachen Flugsicherheit: Eine MD-90 der kolumbianischen Airline Western Caribbean Airways, in Panama gestartet und unterwegs in das französische Übersee-Departement Martinique, stürzte über Venezuela ab; alle 160 Insassen, überwiegend Franzosen, starben. Die Ursache dieses schwersten Unfalls des vergangenen Jahres ist mysteriös: Die Piloten hatten zwar den Ausfall beider Triebwerke gemeldet, doch beim Aufprall liefen die Motoren.

Schwarze Liste unsicherer Fluggesellschaften

Als sich herausstellte, dass die Fluggesellschaft bereits Strafen wegen Wartungsmängeln hatte zahlen müssen und das die französischen Behörden nicht wussten, ging ein Aufschrei der Empörung durch die Öffentlichkeit. Die daraufhin vom zuständigen französischen EU-Kommissar angeregte Schwarze Liste unsicherer Fluggesellschaften (die SZ berichtete) ist als direkte Folge dieser Katastrophe zu sehen.

Ein weiterer Brennpunkt des Jahres 2005 war Afrika - weiterhin der unsicherste Kontinent im Luftverkehr. Insgesamt 13 tödliche Unfälle oder 37 Prozent aller Crashs geschahen hier - bei gerade mal 4,5 Prozent aller Starts weltweit. Besonders Nigeria, das bevölkerungsreichste Land Afrikas, traf es schwer: Zwei Abstürze mit zusammen 225 Toten sorgten in der sowieso maroden Luftfahrtbranche für eine schwere Krise. Die Zahl der Passagiere in Nigeria hatte sich innerhalb von sechs Jahren auf acht Millionen jährlich verdoppelt, ohne dass die von Korruption durchsetzte Infrastruktur mitgewachsen war.

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