Flugverbot wegen Vulkanasche: Fragen und Antworten:Rote Zonen für Turbinen

Wer bestimmt eigentlich, wann es ein Flugverbot gibt? Welche Grenzwerte gelten in Deutschland und Europa? Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Flugverbot nach dem Vulkanausbruch auf Island.

Daniela Dau

Wer entscheidet in Europa über Flugverbote?

Ob ein Luftraum geschlossen wird, ist souveräne Entscheidung jedes Einzelstaates. Die nationalen Flugsicherheitsbehörden bewerten die Lage und können sich auf Empfehlungen eines EU-Krisenstabes stützen, der aus Experten von EU-Kommission, Eurocontrol und Airlines besteht. Bei den Messwerten werden in Deutschland Zahlen des Volcanic Ash Advisory Centers in London und des Deutschen Wetterdienstes zugrundegelegt.

Welche Grenzwerte gelten in Deutschland?

Die EU-Staaten hatten sich nach dem Flugchaos im vorigen Jahr auf eine engere Zusammenarbeit der nationalen Flugaufsichtsbehörden verständigt. Auf allgemein gültige Grenzwerte für Vulkanasche-Partikel konnten sie sich aber bislang nicht einigen. Nach dem neuerlichen Vulkanausbruch auf Island hat Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) eine Allgemeinverfügung für den deutschen Luftraum in Kraft gesetzt, sie entspricht dem sogenannten Drei-Zonen-Modell.

Unterster Grenzwert ist eine Konzentration von 0,2 Milligramm Vulkanasche pro Kubikmeter Luft. So lange dieser Wert nicht überschritten ist, gilt keinerlei Einschränkung für den Luftverkehr.

Zwischen 0,2 und zwei Milligramm Asche pro Kubikmeter Luft darf unter Auflagen weiterhin geflogen werden. Beispielsweise kann eine häufigere Wartung von Flugzeugen vorgeschrieben werden. Das Luftfahrt-Bundesamt muss zudem über Vorkommnisse informiert werden, die in Zusammenhang mit der Vulkanasche stehen.

Ein Messwert von zwei Milligramm oder mehr führt zu einem grundsätzlichen Flugverbot, da Schäden an den Flugzeugen, insbesondere an den Triebwerken, nicht ausgeschlossen werden können.

Bei einer Belastung der Luft mit zwei bis vier Milligramm Asche pro Kubikmeter dürfen turbinengetriebene Flugzeuge noch eingesetzt werden, wenn die Hersteller entsprechende Sicherheitsgarantien abgeben. Das ist nach Angaben Ramsauers bisher allerdings nicht passiert. Das Luftfahrt-Bundesamt müsste derartige Erklärungen der Unternehmen prüfen und anerkennen, um eine Ausnahme vom Flugverbot zu ermöglichen.

Europäische Grenzwerte, Risiken und Vorbereitungen

Welche Grenzwerte gelten in anderen europäischen Ländern?

Auf europäischer Ebene sind die Luftsicherheitsbehörde Eurocontrol und das Vulkanasche-Zentrum in London weniger streng als die deutschen Behörden: Sie empfehlen höhere Grenzwerte. So beginnt die rote Flugverbotszone in ihrem Modell erst bei vier Milligramm Asche in der Luft. Die Zwischenzone mit Auflagen liegt zwischen zwei und vier Milligramm. So konnte der Luftraum über Großbritannien am Dienstag geöffnet bleiben, die etwa 250 Flugannullierungen wurden von einzelnen Airlines angeordnet.

Für wen gilt das Flugverbot in Deutschland nicht?

Grundsätzlich nicht betroffen vom Flugverbot sind Messflüge, Not- und Rettungsflüge sowie Einsätze von Polizei und Militär. Für Flugzeuge mit Kolbenmotor, der bei bestimmten Propellermaschinen zum Einsatz kommt, oder ganz ohne Motorantrieb, also Segelflieger, gibt es ebenfalls keine Einschränkungen.

Wie stehen Piloten zum Flugverbot?

Die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit hat das Bundesverkehrsministerium wegen der Grenzwerte für Flugasche kritisiert. Solche Grenzwerte seien zwar sinnvoll, sagte Cockpit-Sprecher Jörg Handwerg in einem Interview mit der WAZ. Das Problem sei aber, dass die Grenzwerte nicht für ganz Europa gelten. Handwerg kritisierte zudem: "Die jetzt geltenden Werte wurden nicht im Test ermittelt." Man habe "konservative Werte zugrunde gelegt, einen Sicherheitspuffer draufgelegt und ein wenig gerechnet".

Wie äußert sich der Dachverband der Fluggesellschaften?

Der internationale Luftfahrtverband IATA hat angesichts der Aschewolke des isländischen Vulkans Grímsvötn eine offizielle Übereinkunft unter den Einzelstaaten zur Sicherung des Luftraums gefordert. "Fluggesellschaften und ihre Kunden brauchen Sicherheit", sagte IATA-Chef Giovanni Bisignani. Noch gebe es keine formale Festlegung in Europa, um koordiniert ein Chaos im Luftverkehr wie im vergangenen Jahr zu verhindern. Die europäischen Verkehrsminister müssten sich auf ein einheitliches Vorgehen einigen, um zu bestimmen, "ob und wann es sicher ist zu fliegen", sagte Bisignani. Der IATA zeigte sich außerdem verärgert über den Umgang der britischen Behörden mit der Aschewolke des Grímsvötn. Es sei "erstaunlich und inakzeptabel", dass die britischen Luftverkehrsbehörden keine eigenen Messungen zu der Asche in der Atmosphäre vornähmen, erklärte der Verband mit Sitz in Genf. Die britische Luftverkehrsbehörde teilte mit, sie verlasse sich auf die Vorhersagen der offiziellen Wetterdienste.

Welches Risiko besteht in einer Aschewolke?

Grundsätzlich ist Vulkanasche hochgefährlich für Flugzeuge mit Düsen-Triebwerken. Die Hauptgefahr besteht darin, dass sich Aschepartikel in den Triebwerken festsetzen und diese zum Stillstand bringen können. Außerdem können sie das Staudruckrohr ("Pitot") des Flugzeuges verstopfen, so dass die Geschwindigkeitsanzeige im Cockpit nicht mehr funktioniert. Die scharfkantigen Aschepartikel wirken wie Schleifpapier auf Außenhaut und Kabinenfenster, die schnell undurchsichtig werden.

Wie bereitet sich der Frankfurter Flughafen auf die Aschewolke vor?

Um für solche und ähnliche Fälle gewappnet zu sein, habe der Flughafen 700 Feldbetten angeschafft, sagte ein Sprecher des Frankfurter Flughafens. Bevor der Vulkan Eyjafjallajökull vor einem Jahr den Flugverkehr für mehrere Tage lahmgelegt hatte, habe der Flughafen die Feldbetten leihweise organisiert. Bei Flugausfällen wenden sich die Passagiere normalerweise an die Airlines und bekommen ein Hotelzimmer gestellt, wie der Flughafensprecher weiter sagte. Die Feldbetten seien vor allem für Fluggäste bestimmt, die in Deutschland zwischenlanden und kein Visum für die Einreise haben.

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