Flugrundreise im Westen der USA:Die Überflieger

Sieben Tage, alle Höhepunkte, eine eigene Propellermaschine: Auf einer Flugrundreise zum Schnäppchenpreis können Urlauber innerhalb einer Woche die wichtigsten Sehenswürdigkeiten an der Westküste der USA abhaken. Wenn alles nach Plan läuft.

Christine Dohler

Die Sonne sollte flimmern in der Wüstenstadt Las Vegas, und dann das: Unser Privatjet kann nicht abheben in Richtung Grand Canyon, weil es schneit. Also geht es zu einer mickrigen Alternativschlucht in der Nähe. Die VIP-Reisenden tragen es mit Fassung. In ihren Allwetterjacken trotzen sie dem eisigen Wind und der kleinen Störung im Programmablauf. Sie blättern in ihren Reiseführern, ob sie den nahezu unbekannten Red Rock Canyon darin entdecken. 15 deutsche Touristen auf Flugrundreise durch den Westen der USA. Eigentlich sind wir auf die Klassiker eingestellt: Golden Gate Bridge, Yosemite National Park und Hollywood. Aber einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul. Nun ja, gratis ist diese Rundreise nicht, aber die Teilnehmer empfinden sie zumindest als Schnäppchen.

South Rim from the Bright Angel trail in the Grand Canyon

Bis auf den Grund des Grand Canyon wäre die Reisegruppe ohnehin nicht gekommen - doch nicht einmal der Überflug klappte.

(Foto: REUTERS)

Bei Aldi-Ableger Hofer in Österreich und über ein Pauschalangebot von "Sonnenklar TV" gab es die Reise zu buchen: Für etwa 1400 Euro werden wir sieben Tage lang im Privatflugzeug zu den wichtigsten Attraktionen an der Westküste geflogen, von Los Angeles über San Francisco bis zum Grand Canyon. Alles inklusive, außer Mittagessen. Wer kann da schon meckern, wenn es mal nicht ganz so läuft wie vorgesehen?

Schließlich löste die Reise bisher ihr Luxus-Versprechen ein: Für jeden stand bei der Ankunft aus Deutschland eine Stretch-Limousine am Flughafen in Los Angeles bereit. Die erste Nacht schlief es sich weich im Viersterne-Hotel auf Kingsize-Betten. Und die Rundreise am nächsten Morgen startet pünktlich um sechs Uhr.

"Willkommen in Amerika!", sagt David Herzog extrem gut gelaunt. Der Endfünfziger ist unser Reiseleiter, er sieht aus wie eine Figur aus einem Woody-Allen-Film: Strickpullover, schwarze Brille, Jeans. Briefmarken hat er auch schon gekauft. "Falls jemand zum Postkartenschreiben kommen sollte", sagt er grinsend. Jeden Morgen liest David den Wetterbericht für Deutschland vor. Dort ist es grundsätzlich kälter und verregneter - das hebt die Stimmung.

Zum ersten Mal in der weiten Welt

Heute strahlt die kalifornische Morgensonne durch die verglaste Fensterfront des Van Nuys Airport am Rand von Los Angeles wie ein Spotlight auf uns: sechs Paare, vier von ihnen im Rentenalter, plus drei alleinreisende Frauen. Die meisten Teilnehmer sind nicht der Kategorie Abenteurer zuzuordnen. Während der Reise tauschen sie sich gerne darüber aus, wie viel sie dafür bezahlt haben, und im Restaurant vergleichen sie die Preise mit Deutschland.

Viele hat das neuartige Angebot zum ersten Mal in die weite Welt gelockt. "Alleine hätten wir uns nie nach Amerika getraut. Wir sprechen doch kein Englisch", sagt eine Rentnerin mit weißer Dauerwelle aus Brandenburg, die mit ihrem wortkargen Mann reist. "Als ich die Bilder von Hollywood und Las Vegas im Fernsehen gesehen habe, wollte ich mir den Traum erfüllen, ohne stundenlang im Bus sitzen zu müssen", sagt eine andere ältere Dame. Wir haben gerade mal zehn Minuten gewartet, da ruft David schon: "Unser Baby ist da! Alle einsteigen!"

Zehn weitere Minuten später schnurren die Propeller der 30-Mann-Maschine. Alle haben einen Fensterplatz. Wie viel Treibstoff hier verpustet wird, darüber denkt man nicht viel nach, wenn man die Straßen voller spritfressender Fahrzeuge sieht. Für dieselbe Rundreise müssten wir 45 Stunden im Bus sitzen, hat der Reiseveranstalter errechnet, so sind es nur fünf Flugstunden. Flugrundreisen sind keine Neuheit, und Inlandsflüge für Amerikaner wie Busfahren.

Exaktes Timing im Tagesplan

Die "Mauiva Air Cruises" an der amerikanischen West- und Ostküste kann sich fast jeder leisten, weil man in der Gruppe reist und das System ausgeklügelt ist: Die Mannschaft (zwei Piloten plus eine Stewardess) fliegt bei der Westküstentour jeden Tag die ganze Route ab, die die Gäste in einer Woche zurücklegen. Auf jedem Flughafen bewegt sie die parallel reisenden Gruppen jeweils wie Schachfiguren um eine Station weiter. Mehr als 8000 Reisende haben sich seit dem Start des Angebots im Juni 2011 auf die Flugrundreise begeben, die meisten kommen aus Europa.

Fog settles on Golden Gate Bridge from Marin Headlands

Nur die Pfeiler der Golden Gate Bridge ragen aus dem dichten Nebel in San Francisco heraus.

(Foto: REUTERS)

Die Taktung ist exakt: Wenn um sieben Uhr Abfahrt ist, wirft der Busfahrer um 7.03 Uhr den Motor des Reisebusses an. Es bleibt gerade genug Zeit, um zu realisieren, wo man gestern eingeschlafen ist und wohin es nun geht. Gefrühstückt wird auch mal im Flieger, das Mittagessen gibt es notfalls aus dem Supermarkt, und die Zimmerschlüssel werden schon im Bus verteilt, um Zeit zu sparen.

Ein bisschen ist es tatsächlich so, als wäre man ein Star: kein Schlangestehen, keine nervenden Sicherheitskontrollen. Komischerweise fühlt sich das Jetsetten nicht stressig an, man freut sich über die kostbare, eingesparte Urlaubszeit: Sobald der Flieger landet, rollt parallel der Bus auf die Landebahn, und in nur zehn Minuten ist die Gruppe plus Gepäck verladen. Stewardess Pam kennt bald alle mit Namen und weiß, wer seinen Kaffee mit Milch und wer ohne trinkt.

So wie Amerikaner und Japaner durch Europa jagen, können wir tatsächlich in einer Woche ein Häkchen unter die "Must-Sees" an der Westküste setzen. Wenn alles nach Plan läuft.

San Francisco im Nebel

Und die Pläne sind nicht flexibel. San Francisco ist an diesem Tag im Nebel verschwunden. Gut, dass man die Golden Gate Bridge von Postkarten kennt, denn zu sehen ist sie nicht. Gelassen, erneut ohne zu murren, spaziert die Gruppe über die Brücke, blitzt mit den Kameras in den Nebel. Auch wenn man nur die vorbeirauschenden Autos hört, mal eine Schiffshupe dröhnt und man gerade mal seine Hand vor Augen sieht, haben alle Verständnis für das streng getaktete Programm.

Man will ja viel erleben in kurzer Zeit, und schließlich muss man den nächsten Flug bekommen.

Das Foto von der Straßenbahn und der Alcatraz-Zelle ist zwar im Kasten, doch es war keine Zeit, ein Gefühl für den Ort zu entwickeln. Ist San Francisco eine Stadt, in der man gerne in einem Café verweilt oder schnell mit Einheimischen in Kontakt kommt? Wir wissen es nicht, denn nach der Gefängnisinsel und einem Fischessen am Hafen endet der Tag im Hotel, das so aussieht wie die anderen.

Abfahrt in der Stretch-Limousine

Freizeit zum Bummeln gibt es nicht. Kaum in Las Vegas gelandet, steuern wir den nahegelegenen Hoover-Staudamm an. Nichts gegen Staudämme, aber bei nur sieben Tagen in den USA interessiert einen eher nicht so, wo hier die Rohre verlegt sind, noch dazu, wenn rund 50 Kilometer entfernt in Las Vegas die einarmigen Banditen klingeln. Na ja, mitgenommen, abgehakt! Als wir am nächsten Tag in Las Vegas dem Schnee und dem eisigen Wind trotzen und den Red Rock Canyon entlangfahren, stellt sich dann doch ein leises Murren darüber ein, dass wir bei dieser Flugrundreise ganz schön viel Zeit im Bus verbringen.

Flugrundreise im Westen der USA: undefined

Glamouröse Entdeckung

Da lotst uns ein Parkranger am Canyon zur Spring Mountain Ranch. Niemand hat je etwas von ihr gehört oder gelesen, auch nicht über die Besitzerin Vera Krupp, eine bereits verstorbene deutsche Hollywood-Schauspielerin. Und doch könnte diese Entdeckung nicht amerikanischer und glamouröser sein: eine Ranch auf ehemaligem Indianergebiet mit Pool, prasselndem Kamin und den Überbleibseln von Frau Krupp - ein Frottee-BH, edle Roben und viele Anekdoten, die die Ranch-Führerin erzählt. Etwa, dass ein 33-karätiger Brillantring von Frau Krupp später von Liz Taylor getragen wurde. Zwar können wir daheim nicht damit prahlen, auf dem Skywalk am Grand Canyon spaziert zu sein, doch die Diven-Villa gibt auch was her.

Weil der Flug zum Grand Canyon ja entfällt, geht der letzte Flug früher, es bleibt noch ein bisschen Zeit am Ausgangspunkt Los Angeles. Reiseleiter David bringt uns erst nach Hollywood, wo viele vergebens nach Glamour suchen, und dann zurück ins Hotel. Dort sitzen wir bei bunten, überteuerten Cocktails zusammen, etwas geschlaucht, aber zufrieden. Eine führt ihr Glitzerkleid aus einem Markenoutlet in Las Vegas vor, während David an der Rezeption die Abflugzeiten an den Limousinenservice durchgibt.

Die Reise soll für jeden so enden, wie sie angefangen hat: auf der Lederrückbank einer Stretch-Limo mit verdunkelten Scheiben. Verdunkelt ist auch die Erinnerung an die vergangenen sieben Tage. Wo waren wir schnell nochmal? Mal sehen. Auf der Digitalkamera ist ja alles gespeichert.

Informationen:

Mauiva Air Cruise bietet drei Flugrundreisen an: Eine West- und eine Ostküstentour sowie eine Route ab Orlando mit Stationen auf den Bahamas und in Mexiko. Die siebentägige Westküstentour kostet pro Person ab 1400 Euro (DZ-Belegung, ohne Flug ab Deutschland), inklusive inneramerikanische Flüge, Reiseleitung und Halbpension. Möglich und sogar günstiger ist das Ganze auch mit Mietwagen statt Bus an den jeweiligen Landeorten, www.mauivaaircruise.com; Pauschalpakete inkl. Anreise ab 2300 Euro, www.fti.de, www.mytraveltours.de

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: