Flugreisen:Anruf aus den Wolken

Schon 2007 soll Telefonieren im Flugzeug erlaubt und ohne Störung der Bordsysteme möglich sein. Eine SMS soll etwa 50 Cent kosten.

Hans Gasser

"Guten Morgen meine Damen und Herren, hier spricht ihr Kapitän. Wir haben unsere Reiseflughöhe von 11300 Metern erreicht. Wenn Sie möchten, können Sie nun Ihre Mobiltelefone einschalten." So ähnlich könnte bald die Ansprache des Piloten lauten, vielleicht noch ergänzt um die Bitte, statt des Klingelsignals nur den Vibrationsalarm einzustellen.

"Mäuschen, wir fliegen grad über die Wüste, ich glaub ich seh' schon die Pyramiden." Und so, steht zu befürchten, wird sich bald der Sitznachbar anhören, im Gespräch mit seiner Frau.

Fliegende Funkzelle

Bislang ist die Benutzung von Mobiltelefonen in Flugzeugen gesetzlich verboten, weil die Radiowellen die Bordelektronik, vor allem das GPS-Navigationssystem, stören können. Siemens hat zusammen mit Airbus nun ein System entwickelt, das dies verhindern soll. Die Daten verlassen und erreichen dabei das Flugzeug über eine Satellitenantenne.

Damit die Passagiere sie mit ihren Telefonen empfangen können, müssen sie mit Hilfe eines Modems in die übliche GSM-Frequenz verwandelt werden. "Der Kniff ist, dass wir im überschaubaren Raum des Flugzeugs eine kleine Funkzelle errichten", sagt Josef Kolbinger, der das Projekt bei Siemens leitet. "Man muss sich die Antenne wie ein Kabel vorstellen, das sich durchs ganze Flugzeug zieht. So ist sie von jedem telefonierenden Passagier nur wenige Meter entfernt." Wegen der kurzen Distanz reiche eine sehr geringe Funkstärke aus, die die Bordelektronik nicht stören könne.

"Die Leistung der Funkzelle bestimmt auch die Sendeleistung der Handys", so Kolbinger. Damit die Passagiertelefone nicht versuchen, sich in Netze auf dem Boden einzubuchen und damit die Bord-avionik störende starke Signale aussenden, werde ein Channel Selector eingebaut. Der lässt im Flugzeugraum nur die Frequenz der dortigen Funkzelle zu und filtert alle anderen heraus.

Zwar läuft das Genehmigungsverfahren bei der europäischen Agentur für Flugsicherheit (Easa) noch, und auch wenn diese zustimmt, müssten erst noch die nationalen Gesetze geändert werden, die einen Handybetrieb im Flugzeug verbieten. Doch Airbus, Siemens und die Firma Onair, die als Mobilfunkanbieter mit dabei ist, wollen Anfang 2007 den kommerziellen Betrieb aufnehmen.

Von Spätherbst 2006 an soll es den Probebetrieb in Flugzeugen der portugiesischen Tap und der British Midland Airways geben. Die Gesprächsminute über den Wolken soll sich an den Roamingpreisen am Boden orientieren, sagt ein Onair-Sprecher, also etwa zwei bis 2,50 Dollar teuer sein. Eine SMS soll 50 Cent kosten.

Mobile Kommunikation hat in anderer Form bereits im Mai 2004 in die Flugzeuge Einzug gehalten. Seitdem bietet Lufthansa auf ihren Langstreckenflügen Zugang zum Internet über Wireless Lan, also einer Funkverbindung zwischen dem Laptop des Passagiers und einem ebenfalls über Satellit gespeisten Bordnetzwerk. Die Technik dazu stammt von der Boeing-Tochterfirma Connexion by Boeing.

Zehn Fluglinien bieten das Surfen am Himmel mittlerweile in rund 100 Flugzeugen an. Darunter sind chinesische, japanische und arabische Fluglinien, aber noch keine amerikanische. Lufthansa hat das System bereits in 60 Flugzeugen installiert, bis Ende des Jahres sollen alle 80 Langstreckenjets damit ausgerüstet sein.

Handy-Terror auf dem Nachtflug?

Im Schnitt, so schätzt Lufthansa-Sprecher Michael Lamberty, nutzten zehn Passagiere pro Flug den Internetservice; eine Stunde kostet 9,95 Dollar, 24 Stunden, auch auf Anschlussflügen verbrauchbar, kosten 26,95 Dollar.

Ein Reporter der Los Angeles Times testete jüngst die Internetverbindung auf einem Flug nach Frankfurt und kam zum Schluss, dass sie "zwar etwas langsam, aber durchaus brauchbar" sei - die meisten Webseiten hätten etwa 30 Sekunden zum Laden benötigt. Seit Anfang 2006 bietet Connexion by Boeing zudem über das Bordsystem vier Fernsehkanäle an. So kann der Zuschauer live auf seinem Laptop die neuesten Nachrichten von Euronews oder BBC-World sehen.

Nach einer Umfrage von Connexion by Boeing möchten 61 Prozent der Fluggäste ihr Handy im Flugzeug nutzen. Bei Lufthansa gibt es bislang aber noch keine konkreten Pläne, Handytelefonate zu ermöglichen, sagt Lamberty. Zum einen sei es noch verboten. Ferner müsse man sich als Fluglinie gut überlegen, wie man einen solchen Dienst nicht zur Geißel werden lasse. "Wenn man sich den A380 bei einem Nachtflug vorstellt, so kann es nicht im Sinne der Mitreisenden sein, wenn dauernd Handys klingeln."

Tap-Portugal will die Technik zunächst nur auf Kurz- und Mittelstreckenflügen anbieten. Je nach "Lärmpegel und Grad der Belästigung" werde die Crew das Telefonieren erlauben oder verbieten, sagte eine Tap-Sprecherin. Technisch sei es möglich, dass das System auf Langstreckenflügen zu Ruhezeiten nur Internetverbindungen oder Textmitteilungen zulässt, nicht aber Anrufe.

Bei Start oder Landung muss die Funkzelle an Bord ohnehin ausgeschaltet sein, um Interferenzen mit Sendeanlagen am Boden zu verhindern. Die Passagiere wird man auffordern, vor der Landung ihre Telefone auszuschalten. Dass dies der ein oder andere vergisst, ist bei so vielen eingeschalteten Handys wahrscheinlich.

Doch gerade beim Landeanflug ist es am heikelsten, wie Forscher der Carnegie Mellon University in Pittsburgh herausfanden: "Handys können GPS-Geräte untauglich für den Landeanflug machen", heißt es in dem Bericht. Die Forscher hatten auf 37US-Inlandsflügen Frequenzen gemessen. Das Handyverbot nahmen die Passagiere nicht so genau. Bis zu vier Telefonate registrierten die Messinstrumente pro Flug während der Start- und Landungsphase.

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