Flughäfen: Knappe Enteisungsmittel:Hilfst Du mir, helf ich Dir

Einer der größten Hersteller produziert derzeit kein Enteisungsmittel. In dieser Krisenzeit haben sich elf deutsche Flughäfen zusammengeschlossen.

"Wir haben in den ersten vier Wochen dieses strengen Winters bereits genau so viel Enteisungsmittel verbraucht, wie im gesamten Winter des letzten Jahres - und der ist uns ja auch schon als sehr harter Winter in Erinnerung geblieben", sagt Ralph Beisel, Chef der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen ADV. An den Berliner Flughäfen mussten im Dezember Maschinen am Boden bleiben, weil sie nicht mehr von Eis befreit werden konnten - das Mittel war ausgegangen, die Lastwagen mit Nachschub hingen auf vereisten Autobahnen fest.

Nun hatte der Hersteller Clariant auch noch am Tag vor Silvester verkündet, bis zum vierten Januar die Produktion einstellen zu müssen: Es fehle der Glykol-Nachschub. Um das nächste Flugverkehrs-Chaos zu vermeiden haben sich elf deutsche Flughäfen zu einem Krisen-Pool zusammengeschlossen.

Die Flughäfen würden in einer täglichen Telefonkonferenz ihre Lagerbestände und Wettervorhersagen abgleichen, erklärte eine Sprecherin des Berliner Flughafen-Dienstleisters Globe Ground. Die Airports hätten gegenseitig die Bereitschaft erklärt, Bestände mit Tanklastwagen auszutauschen, falls die Depots in einem Flughafen leerzulaufen drohten. Der Pool gelte für die Zeit, in der der Hersteller Clariant nicht produziere.

Derzeit seien die Lager in Berlin aber voll, sagte ein Flughafensprecher. Das Tauwetter zum Neujahrswochenende habe geholfen.

Dem deutschen Pool angeschlossen haben sich Berlin-Tegel, Berlin-Schönefeld, Hamburg, Bremen, Hannover, Münster/Osnabrück, Köln/Bonn, München, Nürnberg, Stuttgart und Hahn. Die Clariant-Kunden Düsseldorf, Leipzig und Dresden sind nicht dabei.

Frankfurt/Main bekommt sein Enteisungsmittel von der britischen Konkurrenz Kilfrost, die nach eigenen Angaben derzeit keine Probleme bei der Herstellung oder Auslieferung des Enteisers hat. Es laufe alles nach Plan, auch gebe es keine Nachschubsorgen bei Stoffen, die für die Produktion wichtig seien, sagte eine Firmensprecherin.

Der Konzern Kilfrost im nordenglischen Newcastle-upon-Tyne ist neben dem Schweizer Spezialchemiekonzern Clariant einer der Größten der Branche: Kilfrost versorgt Kunden in 50 Ländern mit seinem Enteisungsmittel, Clariant beliefert europaweit rund hundert Flughäfen.

Die Entscheidung, ob ein Flugzeug enteist werden muss, trifft der Pilot selbstständig. Glykolhaltige Enteisungsmittel sollen dafür sorgen, dass sich vor dem Start eines Flugzeugs, aber auch während der kritischen ersten Flugphase, auf den Maschinen keine Eisschichten durch feuchte Luftschichten bilden können.

Das Enteisen, meist ein Besprühen von einem mobilen Kran aus, dauert je nach Flugzeuggröße durchschnittlich 15 Minuten. Diese Zeitspanne ist laut der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen jedoch in den im Voraus geplanten Flugzeiten nicht berücksichtigt. Daher seien Verspätungen unvermeidbar.

In den vergangenen Wochen hatte der Mangel an Enteisungsmitteln schon mehrfach für Einschränkungen und Ausfälle im europäischen Flugverkehr gesorgt, beispielsweise auf den Flughäfen Berlin-Schönefeld, London-Heathrow und am Pariser Airport Charles de Gaulle.

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