Fluggastrechte:Ein geldwerter Nachteil

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Der EU-Gerichtshof muss klären, was einen verspäteten von einem annullierten Flug unterscheidet - und was er die Reisebranche kostet.

Von Helmut Kerscher

Jeder weiß, was eine Flugverspätung ist. Und jeder weiß, was eine Flugannullierung ist. Jeder? Deutsche Reiserichter wissen es schon mal nicht genau. Jedenfalls dann nicht, wenn sie über Ausgleichszahlungen nach der Fluggastrechte-Verordnung der EU entscheiden sollen.

(Foto: Foto: dpa)

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat deshalb jetzt die prozessentscheidende Frage nach der Abgrenzung von "Annullierung" und "Verspätung" an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in Luxemburg (EuGH) weitergereicht. Erst wenn dessen "Vorabentscheidung" eingetroffen ist, wird sich der BGH erneut mit der seit Februar 2005 geltenden Verordnung EG Nr. 261/2004 befassen. (Az: X 95/06)

Den Anlass lieferte im Juli 2005 ein Charterflug der Luftfahrtgesellschaft Condor von Frankfurt nach Toronto (Kanada) und zurück. Der Rückflug verschob sich wegen technischer Defekte. Nach mehrstündiger Wartezeit bekamen die Passagiere ihr Gepäck zurück und wurden zur Übernachtung in ein Hotel gebracht - auf Kosten von Condor.

Erst am nächsten Tag, 25 Stunden nach der vorgesehenen Abflugzeit, ging es schließlich mit einem anderen Flugzeug Richtung Heimat.

Ein Ehepaar aus Neustadt an der Weinstraße verlangte daraufhin eine Ausgleichszahlung von 600 Euro pro Person nach der neuen EU-Verordnung bei Nichtbeförderung, Annullierung und großer Verspätung. Auf die Weigerung der Chartergesellschaft klagten die Eheleute. Sie blieben damit zwar sowohl beim Amtsgericht als auch beim Landgericht erfolglos, durften ihren Fall aber durch die Zulassung der Revision dem BGH vortragen.

Dieser befasste sich nun ausführlich mit der bisher wenig bekannten Fluggastrechte-Verordnung der EU. Diese verspricht den Passagieren - zum denkbar größten Verdruss der Luftfahrtbranche - bei der "Annullierung" eines Fluges eine zusätzliche Ausgleichszahlung von 250, 400 oder 600 Euro, je nach Streckenlänge (bis 1500 und 3500 Kilometer sowie darüber).

Das gilt unabhängig vom Ticketpreis sowie zusätzlich zu anderen Ansprüchen wie denen auf Betreuungsleistungen oder den Ersatz auf Bahntickets. Bei bloßen Verspätungen, auch größeren, sind diese Ausgleichszahlungen nicht fällig.

Die Kernfragen lauten also: Wann liegt eine Annullierung vor? Und: Von welcher Stundenzahl an kann man nicht mehr bloß von einer Verspätung, sondern schon von der Annullierung eines Fluges sprechen? Die Verordnung verrät nämlich nur, was sie unter Annullierung versteht, nämlich "die Nichtdurchführung eines geplanten Fluges, für den zumindest ein Platz reserviert war". Wann eine große Verspätung faktisch einer Annullierung gleich kommt, muss nun Luxemburg entscheiden.

© SZ vom 18.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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