Flexibilisierung:Sag mir, wo ich hinwill

Der Tourist wird flexibler - das belohnt die Tourismusbranche mit großen Preisnachlässen. Allerdings wird der Individualtourist aufgrund seiner Gier nach Schnäppchen auch deutlich weniger selbstbestimmt.

Von Dominik Prantl

In beinahe jeder Abhandlung über die Moderne des Reisens taucht das schwerfällige Begriffspärchen Individualisierung und Flexibilisierung auf, wobei sich die beiden keineswegs immer ergänzen. Sie sind häufig eher Gegenspieler. Individualisierung - also der Wunsch, möglichst ja nichts so zu machen wie andere - führt dazu, dass man möglichst viele Bausteine des Reisens vom Flug bis zum Frühstück nach eigenen Vorstellungen zusammensetzt. Die immer größere Flexibilität - also die Bereitschaft, sich an alles anpassen zu können - wird zwar meist mit grandiosen Preisnachlässen belohnt. Sie hat aber auch zur Folge, dass der Individualtourist einen Teil seiner Bausteinreiseplanung nahezu zwangsläufig an Dritte überträgt.

Das zeigt sich beispielsweise bei Buchungen über Schnäppchenplattformen wie Secret Escapes oder bei dem Start-up für Last-Minute-Flüge namens Let's Yalla. Beide gewähren geradezu irrwitzige Rabatte, wofür jedoch Abstriche bei der Reiseplanung in Kauf genommen werden müssen: Die Angebote von Secret Escapes beschränken sich auf vorgegebene Hotels und bestimmte Termine; Let's-Yalla-Nutzer müssen schon am nächsten Morgen zum Abflug bereit sein. Dabei geht die Biegsamkeit der Urlauber teilweise so weit, dass sie zum Zeitpunkt der Buchung nicht einmal das Reiseziel kennen. So hat die größte deutsche Fluggesellschaft kürzlich das Programm Lufthansa Surprise gestartet, bei dem der Kunde nur eines von mehreren Reisethemen (zum Beispiel Romantik, Natur oder Party) sowie den Reisezeitraum wählt. Die Destination wird dann der Lufthansa überlassen, wobei der Flug umso billiger wird, je mehr Optionen man als Gast offenlässt. Eine ähnliche Strategie verfolgt der Nischenanbieter Powderchase, was sich am ehesten mit Tiefschneejagd übersetzen lässt. Auch hier bestimmen Skifahrer nur den Zeitraum, an dem sie abseits der Piste durch die Berge pflügen wollen; der Ort wird erst ganz kurzfristig bekannt gegeben und hängt davon ab, wo die besten Schneeverhältnisse herrschen. Anders gesagt: Der Reisende hat in solchen Fällen zwar eine klare Vorstellung, wann er was erleben möchte. Aber wo das sein soll, ist nicht mehr entscheidend.

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