Fitness:Langlauf verleiht Flügel

Neue Trends zwischen Jib-Skating und Nordic Cruising

Martina Scherf, Mitarbeit: Tanja-Rupprecht-Becker

Ein riesiges, unberührtes Feld aus weißen Kristallen. Mittendurch zwei dünne Linien, wie von Geisterhand gezeichnet. Absolute Stille. Nur der eigene Atem und das rhythmische Knirschen der "Kufen" im Schnee sind zu hören. Zug um Zug in einen Zustand der Glückseligkeit gleiten - das ist Langlauf.

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(Foto: Foto: Fischer)

Kein anderer Sport vereint auf so einfache Weise Kraft, Ausdauer, Naturerleben und Meditation. "Langlaufen ist wie ein leeres Blatt Papier, das man vor sich liegen hat, um es zu beschreiben", sagt Peter Schlickenrieder. Noch heute, nach zweifachem olympischen Silber, fünf deutschen Meistertiteln und drei Weltcupsiegen, ist es die gleiche Faszination, die den Schlierseer schon als Schüler auf die Loipe trieb: das Ausloten der eigenen Grenzen.

Langlauf bietet ein nachhaltiges Gefühl der inneren Harmonie. Und ist gesund wie kein anderer Sport. 90 Prozent der Muskeln werden aktiviert, Koordination und Konzentration geschult. Die Verletzungsgefahr ist gering, kein Anfänger läuft Gefahr zu übertreiben wie beim Jogging. Das Tempo der Skier passt sich automatisch der Kondition an. Herz und Kreislauf werden gestärkt - und jede Menge Kalorien verbrannt.

Peter Schlickenrieder selbst ist der beste Beweis, dass in dieser Disziplin keine Grenzen gelten: Als er am Sportgymnasium einst die Diagnose "Asthma" erhielt, sagte er sich: "Jetzt erst recht". Eine schwierige Phase in seinem Leben. Doch er hat sie überwunden. Und erlief sich olympische Weihen.

Ob Bregenz oder Bottrop, Garmisch oder Göteborg, Langlauf lässt sich überall betreiben, wo Schnee liegt. Zahl und Bandbreite der Loipen wachsen von Jahr zu Jahr. Längst sind die Zeiten vorbei, als sich Senioren in Kniebundhosen und Wollstrümpfen mit Bambusstöcken durch den Schnee schoben. Heute tragen sie alle Funktionskleidung in fluoreszierenden Trendfarben. Apropos Bambus: Der neueste Chic auf den Pisten heißt ja "Retro" und da ist gerade die Pflanzenfaser wieder in.

Erlaubt ist, was gefällt, auch im Laufstil. Da treffen klassische Läufer auf Skater, Nordic Cruiser auf - der letzte Schrei - Jib-Skater: mit Langlaufbrettern in die Halfpipe. "Nordic Cruising versteht sich als Winter-Variante des Nordic Walking," sagt Eva Hottenroth. Die junge Dame aus dem Allgäu ist staatlich geprüfte Skilanglauflehrerin, bildet Trainer aus für den Deutschen Ski Verband und gibt privat auch noch Unterricht, wenn die Zeit es zulässt (www.nordics.eu).

Langlauf verleiht Flügel

Auch wenn Nordic Cruising ganz neu klingt, eigentlich bedeutet es die Renaissance des klassischen Stils. Während sich die Ackermanns dieser Welt mit der Skating-Technik abrackern und immer am Limit fahren, machen die Cruiser genau das, was Cruiser schon immer gemacht haben: Sie gleiten dahin. Entweder im Diagonalschritt oder mit dem Doppelstockschub, aber immer im Einklang mit der Natur und möglichst auch mit sich selbst, denn die Balance spielt dabei eine große Rolle. Dass die einen drei Mal so schnell sind wie die anderen, wen stört's? "Das ist ja das Schöne: Es ist alles erlaubt", sagt Schlickenrieder. Schanzen bauen, um die Wette rennen, den Hang hoch sprinten, so fingen sie an, damals in Schliersee. Eine Gaudi war's. Weil Kinder sich gerne bewegen. Weil es ohne Aufwand vor der Haustüre losgehen kann.

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Die Gedanken in den Schnee schreiben

Auch wenn es ganz früher kein Sport war - die Menschen haben sich schon immer Bretter unter die Füße gebunden, um im Schnee voran zu kommen. Doch erst vor ein paar Jahren hat die Fortbewegungsart ihr Klischee "langweilig, anstrengend, unspektakulär" verloren. Seit der Sprint 2002 in die olympischen Disziplinen aufgenommen wurde, haben Stars wie Peter Schlickenrieder, Tobias Angerer oder Evi Sachenbacher-Stehle unter Wintersportfans hierzulande schon fast den Status, den einst Boris Becker oder Steffi Graf genossen. Zigtausende jubeln ihnen entlang der Rennstrecke zu.

Doch am schönsten ist es, selber zu laufen. Weit ab vom Pistenrummel. Allein, zu zweit, mit Freunden. Seine Gedanken in den Schnee schreiben, der Stille lauschen, spüren, wie der eigene Rhythmus Flügel verleiht. "Das ist immer noch ein Abenteuer", sagt Peter Schlickenrieder, der in seinem Leben schon Zehntausende von Kilometern gelaufen ist. "Dann wird die Welt weit. Jetzt mehr denn je". (Wer anfangen will, findet in seinem neuen Buch "Skilanglauf für Einsteiger", Südwest-Verlag, alles Wichtige erklärt).

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