Extrembergsteiger Ueli Steck:"Das Gefühl, ich könnte immer weiter laufen"

Extrembergsteiger Ueli Steck: Ueli Steck nach seiner Tour in Sigoyer am 13. August

Ueli Steck nach seiner Tour in Sigoyer am 13. August

(Foto: AFP)

Der Extrembergsteiger Ueli Steck - Spitzname "Swiss Machine" - hat in zwei Monaten alle Alpengipfel über 4000 Metern erklommen. Wie geht denn das?

Von Titus Arnu

82 Viertausender, 117 450 Höhenmeter, 1770 Kilometer Strecke: Was andere in ihrem ganzen Leben nicht schaffen, hat Ueli Steck innerhalb von 62 Tagen absolviert. Der Schweizer Extrembergsteiger erkletterte in knapp zwei Monaten mit minimalistischer Ausrüstung und im Eiltempo alle Alpengipfel, die höher sind als 4000 Meter. Zwischen den Gipfeln verzichtete der 38-Jährige (Spitzname: "Swiss Machine") auf motorisierte Fortbewegung: Er ging entweder zu Fuß, flog mit dem Gleitschirm oder fuhr mit dem Mountainbike.

SZ: Sie sind seit Mitte Juni fast pausenlos im Hochgebirge unterwegs, wie fühlen Sie sich jetzt am Ziel?

Ueli Steck: Direkt nach dem Abstieg vom letzten Viertausender, dem Barre des Écrins in Frankreich, hatte ich das Gefühl, ich könnte immer weiter laufen. Jetzt merke ich, wie mein Körper langsam runterfährt und wie platt ich bin.

Das Ziel des Projekts "82 Summits" war es, alle Viertausender innerhalb von 80 Tagen zu schaffen, jetzt sind Sie fast 20 Tage schneller gewesen als geplant. Wie das?

Das Wetter war überraschend gut diesen Sommer, fast surreal, damit hätte ich nie gerechnet. Das gibt es nur alle zehn, zwanzig Jahre. Wobei die Bedingungen schon sehr unterschiedlich waren.

Inwiefern?

Als ich am 11. Juni auf den Piz Bernina gestartet bin, dem östlichsten Viertausender der Alpen, lag noch ziemlich viel Schnee, ich war mit Skiern unterwegs. Gegen Ende der Tour, in den französischen Alpen, war es heiß und trocken, und das Problem war eher der Steinschlag. Aber so ist das eben in den Bergen, man muss sich auf die Verhältnisse einstellen, das lässt sich nicht vorher planen.

Das Projekt wurde von Unglücken überschattet. Erst musste Ihr Begleiter Michi Wohlleben nach einem Gleitschirm-Unfall aufgeben, dann stürzte der niederländische Begleiter Martijn Seuren am Rochefortgrat im Mont Blanc-Gebiet ab und starb. Haben Sie da nicht daran gedacht, die Tour abzubrechen?

Doch, da wird man natürlich nachdenklich. Nach dem Tod von Seuren habe ich eine Woche lang unterbrochen, war kurz zu Hause und bin zu seiner Beerdigung nach Holland gefahren. Dann habe ich mich aber entschieden, weiter zu machen. Es hätte nichts an der Sache geändert, wenn ich das Projekt beendet hätte. Und ich muss zum Unfall sagen, dass ich da nicht dabei war, ich war auf einer anderen Route am Mont Blanc unterwegs, wir hätten uns erst am nächsten Tag getroffen. Das wurde teilweise falsch dargestellt in den Medien.

Gab es einen Tiefpunkt, an dem Sie nicht mehr weiter wollten?

Im Monte Rosa-Gebiet habe ich eine extrem lange Tour absolviert, bei der ich 18 Viertausender auf einen Schlag abhaken konnte. Als ich dann über das Breithorn abgestiegen bin und danach auf der Hörnlihütte am Matterhorn ankam, dachte ich: Was, da auch noch hoch am nächsten Morgen? Aber dann überwindet man sich halt und rennt halt schnell auf's Matterhorn.

Wie haben Sie es geschafft, die Gipfel so schnell abzuhaken? Indem sie alleine und ungesichert hochgerannt sind?

Schnell war ich schon, und ich hatte minimale Ausrüstung dabei, im Prinzip nur Seil, Steigeisen, Pickel und Trinkflasche. 31 Gipfel bin ich alleine angegangen, den Rest mit verschiedenen Kletterpartnern, oft auch gesichert. Auf vielen Alpen-Viertausendern war ich zum ersten Mal.

Welchen Sinn hat es, 82 Viertausender in Rekordzeit zu besteigen?

Für mich ist der Rekord nicht der Sinn. Ich mache das, weil ich Lust darauf habe, mir macht es Spaß, schnell auf Berge zu gehen. Über den Sinn kann man dann natürlich diskutieren. Für mich waren es jedenfalls die bisher besten zwei Monate meines Lebens.

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