Experten über Flughafen-Kontrollen:Noch mehr Sicherheit macht nicht unbedingt sicherer

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Die nächste Verschärfung der Vorschriften ist bereits beschlossene Sache: Ab 2007 darf nur noch kleines Handgepäck im Flieger mitgeführt werden. 100-prozentigen Schutz vor Anschlägen gibt es trotzdem nicht

Dominik Hutter

Eine Woche nach Einführung neuer Sicherheitsbestimmungen am Flughafen haben sich die Kontrollen zwar eingespielt - die nächste Verschärfung ist aber bereits beschlossene Sache: Von Frühjahr 2007 an darf das Handgepäck eine Größe von 56 mal 45Zentimeter nicht mehr überschreiten. Experten warnen inzwischen vor einem "Overkill" immer neuer Security-Richtlinien. Hundertprozentige Sicherheit könne es leider niemals geben.

Rund 2,5Tonnen Flüssiges haben die Behörden am Münchner Flughafen allein in den ersten drei Tagen nach Inkrafttreten der neuen Vorschriften aus dem Verkehr gezogen - überwiegend Getränke, die nun aufwändig entsorgt werden müssen.

Immer mehr Einschränkungen

Die in aller Eile eingeführte Regelung ist eine Folge der vereitelten Terroranschläge von London, bei denen im Sommer diesen Jahres Interkontinentalmaschinen mit Flüssigsprengstoff zum Absturz gebracht werden sollten. Ursprünglich waren sogar noch weit strengere Sicherheitsvorkehrungen geplant - bis hin zum Komplett-Verbot jeglichen Handgepäcks.

Davon ist zwar inzwischen keine Rede mehr. Die Passagiere müssen sich dennoch auf weitere Einschränkungen gefasst machen: Demnächst darf das Handgepäck die Maße von 56 mal 45 Zentimeter, Dicke 25 Zentimeter, nicht mehr überschreiten.

"Was getan werden kann, wird getan", versichert Thomas Ross, zuständiger Mann für Recht und Sicherheit am Münchner Flughafen. Nicht zu übersehen seien allerdings gewisse "Auswüchse", die das Sicherheitsdenken inzwischen mit sich brächte, warnte der Experte beim 5.Luftfahrt-Podium der Hanns-Seidel-Stiftung. Er nannte Umsteigerkontrollen bei eigentlich schon in Tel Aviv penibelst durchleuchteten Passagieren als Beispiel oder die immer intensivere Überprüfung auch langjähriger Flughafen-Mitarbeiter.

Und was helfe die viel gepriesene Biometrie, wenn trotzdem an den Kontrollschaltern Personal benötigt wird. "Wo ohnehin jemand ist, kann der auch das Passfoto anschauen."

"Wir sind bei der Sicherheit bereits sehr gut aufgestellt", erklärte auch der Sprecher der Deutschen Flugsicherung, Axel Raab. "Irgendwann ist die Grenze erreicht." Fliegen solle schließlich auch noch Spaß machen. Und sogar Uwe Büchner, der Chef des für die Kontrollen verantwortlichen Luftamts Südbayern, betonte: "Hundertprozentige Sicherheit kann es nicht geben. Das Leben ist immer auch lebensgefährlich."

Tatsächlich müsse über diverse Maßnahmen der vergangenen Jahre, darunter die Personal- und Umsteigerkontrollen, noch einmal kritisch nachgedacht werden. "Wenn ein Pilot 20 Jahre zuverlässig für die Lufthansa gearbeitet hat, muss man ihm doch nicht das Taschenmesser abnehmen", findet Burkhart Kaumanns von der Pilotenvereinigung "Cockpit".

Funktionierende Kontrollen wurden entschärft

Problematisch ist laut Büchner, dass im Eifer des Gefechts sogar einst funktionierende Kontrollen versehentlich entschärft wurden. So sei durch die jüngste Änderung der Zuverlässigkeitsprüfung für Flughafen-Mitarbeiter eine "Nivellierung nach unten" erreicht worden - weil auf klare Vorgaben verzichtet wurde und deshalb je nach Bundesland unterschiedlich verfahren wird.

Und der Rückzug des Staates aus den inzwischen privat organisierten Frachtkontrollen habe bewirkt, dass die einst viel genutzten Gepäck-Unterdruckkammern derzeit leerstehen. Auch hier sei das Regelwerk "unklar" ausgefallen. Letztlich müsse die Sicherheit aber klar im Aufgabenbereich des Staates bleiben. "Stattdessen werden immer mehr Aufgaben auf die Industrie und die Flughafenbetreiber abgewälzt", kritisierte Ross.

Büchner warnt vor der Illusion, die Kontrollen am Flughafen als "allein selig machendes Mittel" zu betrachten. Tatsächlich seien Metalldetektor und Co. lediglich die letzte Instanz.

Das Vermeiden von Terrorakten müsse viel früher ansetzen: mit politischen Lösungen für Krisenherde, Aufbauhilfe in wirtschaftlich benachteiligten Staaten sowie einem verantwortungsbewussten Umgang mit anderen Religionen und Lebensstilen. Das Vertrauen allein auf die Undurchlässigkeit der allerletzten Kontrolllinie, das ist auch Ross wichtig, reiche nicht aus.

Pilot Kaumanns riet eindringlich davon ab, den Abschuss entführter Flugzeuge zu erlauben. Letztlich könne niemand genau wissen, wie die Situation in der Maschine tatsächlich aussieht.

Unter Piloten kursiert offenbar schon die Angst vor dieser "Lösung": Als im Juli 2004 ein Flugzeug nach München entführt wurde, kam laut Ross im Notfall-Funkspruch das Wort Entführung nicht vor. Der Pilot bat lediglich um Landeerlaubnis - wegen technischer Probleme.

Fühlen Sie sich durch die neuen Handgepäcksvorschriften sicherer im Flugzeug? Diskutieren Sie mit!

© SZ vom 15.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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