Städtereise Linz:Kunst statt Stahl

Linz ist zum Labor für elektronische Medien, Video- und Lichtkunst geworden - und diese wird nicht nur von Künstlern gestaltet.

Von Stephanie Schmidt

Eine Drohne, die über dem eigenen Garten herumschwirrt und Singvögel vertreibt, ist ärgerlich. Aber eine Drohne zu beobachten, die Figuren in den Abendhimmel zeichnet, das hat etwas. Wie das geht, erfährt man im Ars Electronica Center in Linz. In dessen Future Lab entwickeln Forscher diese Drohnen weiter. Was man Eindrucksvolles erleben und erfahren kann, wenn Technik und Kunst miteinander verschmelzen, zeigt dieses 3000 Quadratmeter große Museum der Zukunft.

Wenn einem zur Medienkunst nur ein paar schräge Videoinstallationen in den Sinn kommen, lohnt es sich, in die oberösterreichische Landeshauptstadt zu fahren und zu erkennen, dass sehr viel mehr hinter diesem Begriff steckt. Linz hat sich zu einem Zentrum der Medienkunst entwickelt und trägt seit 2014 den Titel Unesco City of Media Arts, ebenso wie etwa Lyon, Tel Aviv und Dakar. Damit gehört die Stadt zu einem weltweiten Netzwerk von Städten, welche die Unesco für Experimentierfreude und besondere Leistungen in bestimmten Sparten, etwa Literatur, Film, Kunsthandwerk oder Medienkunst kürt. Jedes Jahr werden während des Ars Electronica Festivals leer stehende Gebäude in Linz mit Performances bespielt, circa 35 000 Besucher kommen, um neue Facetten der Medienkunst kennenzulernen.

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Bei Dunkelheit lassen die angeleuchteten Fassaden des Ars Electronica Centers und des Lentos-Kunstmuseums (links) die Donau in changierenden Farben leuchten.

(Foto: Johann Steininger/Linztourismus)

Die Experimentierfreude hat in Linz verschiedenartige Gesichter: So wandelt sich derzeit das 80 000 Quadratmeter große Gelände der ehemaligen Tabakfabrik, ein zwischen 1929 und 1935 im Stil der Neuen Sachlichkeit errichteter Bau an der Unteren Donaulände, zu einem Kreativquartier. "Wegen Umbau geöffnet" steht in orangefarbenen Lettern an einer der Hallen des Industriedenkmals. Das direkt an der Donau gelegene Lentos-Kunstmuseum beherbergt Werke des 19. Jahrhunderts, der klassischen Moderne, etwa von Klimt, Schiele und Kokoschka, bis hin zu zeitgenössischen Arbeiten.

Im Sommer versorgt ein Getränke-Lieferservice die Badenden am Donaustrand

An Abenden und von außen betrachtet ist das Bauwerk selbst eine Art Medienkunstwerk. Seine bei Dunkelheit illuminierte Glasfassade spiegelt sich im Wasser der Donau. Stellt man sich vor das brückenförmige Museum, sieht man am gegenüberliegenden Ufer die ebenfalls funkelnde Fassade des Ars Electronica Centers. So entsteht ein sich wandelndes Gesamtkunstwerk, denn die Farben der Gebäude ändern sich mehrmals am Abend. Mal schimmern sie violett, mal in Feuerrot, mal grüngelb. "Mehr als 40 000 LEDs sind in der Fassade verbaut", sagt Andreas Bauer, Senior Director des Centers. An einem Terminal im Freien lassen sich die Licht-Szenarien dem persönlichen Geschmack anpassen. "Jeder, der das möchte, kann selbst mitgestalten", erklärt Bauer den Sinn des Terminals, "nicht nur die Künstler dürfen ran."

Ums hautnahe Erleben und Selbermachen geht es auch im Inneren des Hauses. In der interaktiven Schau "Neue Bilder vom Menschen", einer von mehreren Dauerausstellungen, lernen Besucher wissenschaftliche Phänomene des modernen Lebens kennen. Sie erfahren, wie man DNA sichtbar machen kann, sie entwerfen 3-D-Designobjekte und lernen unterschiedliche Arten von Robotern kennen. "Wir wollen das Zusammenspiel von Mensch, Technik und Kunst betrachten und mit den Besuchern darüber diskutieren", fasst Bauer den Leitgedanken des didaktischen Konzepts zusammen. In allen Ausstellungen sind sogenannte Infotrainer unterwegs, die Besuchern Exponate erklären.

Mit der 3-D-Brille durchs alte Rom

Praktisch ein Muss für alle Besucher ist der Besuch einer der Shows im "Deep Space". Auf eine Fläche von jeweils 16 mal neun Metern auf Wand und Boden werden Bildwelten in Ultrahochauflösung projiziert. Also 3-D-Brille aufgesetzt, und auf geht's ins Pantheon und den Untergrund der historischen Stadt Rom. Versteckte Stollen, verwinkelte Aquädukte - die Zuschauer gelangen in Bereiche, die sie sonst nie zu Gesicht bekämen. "Diese Art von Filmvorführungen ist weltweit einzigartig", sagt Bauer.

In einer anderen Show fliegt man durch verschiedene Galaxien, zu den bis 26 000 Meter hohen Vulkankegeln auf dem Mars und man düst zum Mond. Dieser scheint den Zuschauern ins Gesicht zu fliegen, die sich vor Schreck auf ihren Plätzen zusammenkauern. "Steckt ihn nicht ein, wir haben ja nur den einen", scherzt der Moderator der Show, Stefan Schwarzmair.

Ars Electronica Center Linz

Die interaktive Fassade des Ars Electronica Centers kann in allen Farben beleuchtet werden.

(Foto: Stadt Linz)

Zurück auf die Erde, wo es auch jede Menge zu sehen gibt. Wie die Voestalpine Stahlwelt, die den Herstellungsprozess des Werkstoffs künstlerisch inszeniert - etwa mit sphärischen Klängen und Lichtspiegelungen. Noch immer ist Voestalpine der größte Stahlproduzent Österreichs, doch Linz ist keine Industriestadt mehr.

"Wir haben hier nun saubere Luft, und in der Donau kann man jetzt bedenkenlos baden", sagt Sebastian Frankenberger. "Es gibt sogar einen Getränke-Lieferservice, der die Leute am Donaustrand versorgt." Nachdem er in Bayern vor zehn Jahren das Rauchverbot in Restaurants auf den Weg gebracht und sich damit viele Feinde gemacht hatte, zog er sich aus der Politik zurück und erkor Linz zu seiner Wahlheimat. Dort arbeitet der 35-Jährige als Stadtführer, außerdem ist er als Reiseleiter unterwegs.

An Linz gefalle ihm das Unkonventionelle, erklärt Frankenberger bei einem Spaziergang durch die Altstadt mit ihren barocken Bauten und schwärmt von der Bienenzucht auf den Dächern Linzer Kultureinrichtungen, zum Beispiel auf dem Dach des neuen Musiktheaters. Jede Menge individuelle Boutiquen und Szenelokale haben in den jüngsten Jahren die Gassen um den Alten Markt, um Herren- und Landstraße zum Blühen gebracht. "Wien orientiert sich eher an der Vergangenheit und ist den habsburgischen Traditionen verpflichtet. "Aber wir dürfen!", ruft er mit Verve. "Wir hatten ja keinen Kaiser in Linz. Wir schauen auf die Zukunft."

Flimmern einem von all der Medienkunst die Augen, tut indes ein wenig Vergangenheit, respektive Retro-Atmosphäre, gut. Im Café Meier am Pfarrplatz kann man mal offline gehen. Tablets und Handys will der Wirt hier nicht sehen. So kann sich der Gast ganz auf den hausgerösteten Biokaffee konzentrieren.

Informationen: Das diesjährige Ars Electronica Festival findet von 7. bis 11. September statt, www.aec.at. Lentos Kunstmuseum: www.lentos.at, Stahlwelt: www.voestalpine.com/stahlwelt. Über ungewöhnliche Geschäfte und Lokale informiert das in der Tourist-Info am Hauptplatz kostenlos erhältliche Büchlein "Linzlabyrinth-Guide".

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