Energieversorgung:Wasser, Holz und Sonne

Energieversorgung: Umgeben von einer beeindruckenden Bergkulisse liegt der Vermunt-Stausee an der Silvretta-Hochalpenstraße auf 1743 Metern. Der See speist eines von vielen Wasserkraftwerken in Vorarlberg.

Umgeben von einer beeindruckenden Bergkulisse liegt der Vermunt-Stausee an der Silvretta-Hochalpenstraße auf 1743 Metern. Der See speist eines von vielen Wasserkraftwerken in Vorarlberg.

(Foto: torino/Maurimit)

Vorarlberg will bis 2050 seinen gesamten Energiebedarf aus erneuerbaren Quellen decken. Dieser Plan jedoch birgt auch Konflikte.

Von Ralph Diermann

Tobias Ilg macht es einfach. "Oben kommt Holz rein, unten kommen Strom und Wärme raus" - so erklärt er den Holzvergaser, den er in Dornbirn, dem Wirtschaftszentrum Vorarlbergs, installiert hat. Zusammen mit seinem Bruder Bernhard betreibt Ilg dort fünf Biomasse-Heizwerke, die Haushalte, Unternehmen und öffentliche Gebäude klimaneutral mit Wärme versorgen. Mit dem Holzvergaser gehen die Brüder nun den nächsten Schritt: In der Anlage wird die Biomasse nicht verbrannt, sondern verschwelt. Dabei entsteht ein methanreicher Brennstoff. Damit treiben die Ilgs einen Gasmotor an. Anders als in ihren Heizwerken können sie so nicht nur Wärme, sondern auch elektrische Energie erzeugen. Die Anlage deckt den Strombedarf von 400 Haushalten. "Das ist eine Technologie der Zukunft", sagt Tobias Ilg.

Sorgenkind ist der Verkehr. Man setzt nun verstärkt auf E-Mobilität und öffentlichen Nahverkehr

Auf Pioniere wie das Brüderpaar Ilg kommt es an, wenn Vorarlberg seine Energiestrategie zum Erfolg führen will. Das Bundesland ganz im Westen Österreichs hat sich ein ambitioniertes Ziel gesetzt: Bis 2050 soll der gesamte Vorarlberger Energiebedarf - für Strom und Wärme genauso wie für den Verkehr - bilanziell aus lokalen erneuerbaren Quellen gedeckt werden. Das hat der Landtag 2009 beschlossen, mit den Stimmen aller Parteien. Der Plan ist zentrales Instrument für den Klimaschutz in Vorarlberg. Doch auch wirtschaftliche Aspekte spielten bei der Entscheidung eine zentrale Rolle. "Unsere Energiestrategie stärkt die regionale Wertschöpfung", erklärt Christian Vögel, Energiebeauftragter des Landes Vorarlberg. "Österreich gibt jährlich zwölf Milliarden Euro für den Import fossiler Energieträger aus. Wenn wir von dieser Summe etwas im Land halten können, ist das ein großer Gewinn für die Volkswirtschaft."

Damit das gelingt, werkeln Politik, Wirtschaft und Bürger gemeinsam an der regionalen Energiewende. In mehreren Arbeitsgruppen haben sie zusammen ein Bündel an konkreten Maßnahmen entwickelt. An erster Stelle steht dabei das Energiesparen. Dann folgt die Effizienz: Die erzeugte Energie soll besser ausgenutzt werden. Schließlich wollen die Vorarlberger die örtlich verfügbaren erneuerbaren Energien kräftig ausbauen. Für alle drei Ansatzpunkte haben sie bis 2020 zu erreichende Ziele definiert. Ein jährliches Monitoring macht deutlich, wie weit der Prozess schon vorangeschritten ist.

Die jüngste Zwischenbilanz zeigt Licht und Schatten. So ist der Energieverbrauch zwischen 2005 und 2014 nahezu konstant geblieben, obwohl die Einwohnerzahl in dieser Zeit um fünf Prozent zugelegt hat und die Wirtschaft gar um 37 Prozent gewachsen ist. Beim Heizen von Gebäuden wurden dreizehn Prozent eingespart. Die Industrie hat dagegen sechs Prozent mehr Energie verbraucht. Angesichts der stark gestiegenen Wirtschaftsleistung wertet das Land dies aber als Erfolg.

Größtes Sorgenkind ist der Verkehr. "Dort ist die Trendwende bislang ausgeblieben", sagt Vögel. Nun soll der öffentliche Nahverkehr in der Region weiter ausgebaut werden. Auch auf der Elektromobilität ruhen große Hoffnungen.

Doch ganz werde man auch langfristig nicht auf die fossilen Energien verzichten können, erklärt Vögel. Daher werden bei der Bilanzierung Strom, Wärme und Mobilität in einen Topf geworfen. Das erlaubt es, den Einsatz von Benzin und Diesel wie auch von Erdgas und Heizöl durch die vermehrte Produktion von Strom aus erneuerbaren Quellen zu kompensieren. Die niederschlagsreiche, bergige Region bietet dafür beste Voraussetzungen. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts errichteten Unternehmer Wasserkraftwerke, um ihre Fabriken mit Strom zu versorgen. Heute erzeugt allein der landeseigene Energiekonzern Illwerke/VKW in seinen Vorarlberger Anlagen so viel Strom, dass damit mehr als 80 Prozent des lokalen Bedarfs gedeckt werden könnten. Könnten - denn tatsächlich exportiert der Versorger einen großen Teil der Energie. So produzieren die Illwerke/VKW in ihren Pumpspeicherkraftwerken gezielt dann Strom, wenn die Nachfrage und damit die Preise in Deutschland gerade hoch sind. Wichtigster Abnehmer ist der baden-württembergische Versorger EnBW. Ein Teil der Energie aus seinen Laufwasserkraftwerken verkauft der Konzern zudem an der Leipziger Strombörse. Das wird so bleiben, betont Vögel. "Wir werden auch künftig Strom exportieren", erklärt er.

Planer und Naturschützer streiten: Mehr Wasserkraft oder besser Fotovoltaik und Solarthermie?

Egal, ob der Strom nun exportiert oder vor Ort genutzt wird: Allein die Produktion zählt für die Vorarlberger Energiewende. Daher will die Landesregierung die Erzeugung von Energie aus regenerativen Quellen kräftig ausbauen. Um rund sechzig Prozent sollen die Kapazitäten bis 2050 steigen. Dabei setzt das Land neben der Biomasse vor allem auf die Wasserkraft. Das ruft die Naturschützer auf den Plan. Sie sehen die ökologische Qualität von Flüssen und Bächen in Gefahr. "Das aktuelle Ziel des Landes, die Wasserkraftnutzung um 350 Gigawattstunden bis 2050 zu steigern, ist naturverträglich nicht umsetzbar - und bei geänderter Schwerpunktsetzung im Erneuerbaren-Mix auch gar nicht nötig", erklärt Bettina Urbanek vom österreichischen World Wildlife Fund (WWF). Der Umweltverband plädiert dafür, die Wasserkraft nur punktuell auszubauen. Stattdessen sollten Photovoltaik und Solarthermie deutlich stärker als vorgesehen genutzt werden.

Konflikte drohen auch beim Verkehr. Zwar hat das Land Vorarlberg zusammen mit den Gemeinden den öffentlichen Nahverkehr bereits stark ausgeweitet. Fast jeder fünfte Einwohner besitzt mittlerweile eine Jahreskarte für Bus und Bahn. In der Folge werden daher heute mehr Wege mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt. Zudem setzen sich die Vorarlberger immer häufiger auf das Rad. Das wird jedoch nicht genügen - ohne eine Beschränkung des Autoverkehrs sind die für 2020 gesetzten Ziele nicht zu erreichen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: