Touristen und ihre Ziele:Pst, nicht weitersagen!

Strand von Magaluf, Mallorca, Spanien

Einsamer Sandstrand? Nicht in Magaluf auf Mallorca.

(Foto: David Ramos/Getty Images)

Der Gardasee? Nur ein weiteres Bundesland. Mallorca? Kein Kommentar. Namibia? Wieder deutsche Kolonie. Wir wüten immer weiter auf unserer Suche nach Unentdecktem.

Von Dominik Prantl

Als guter Tourist weiß man natürlich, dass der alte Enzensberger so was von recht hatte. Der Enzensberger hat nämlich geschrieben, dass der Tourist das "zerstört, was er sucht, indem er es findet", er also Sensenmann für authentische Berghütten und unberührte Strände spielt.

Kennt man ja: An der Bar, wo vor 15 Jahren noch der Einheimische auf einer Art Ukulele rumgeklampft und der 2000-Lire-Hauswein zu den dicken Calamari richtig nach Hauswein geschmeckt hat, gibt es jetzt Soave für 20 Euro; auf der Speisekarte steht Lachs. Am Nebentisch sitzt die Erika mit ihrem triefäugigen Mann, weil die Dings aus der Nachbarschaft natürlich nicht dichthalten konnte, als man ihr beim Metzger vom letzten Italienurlaub erzählte. Gesucht, gefunden, zerstört.

Der Gardasee? Nur ein weiteres Bundesland. Mallorca? Kein Kommentar. Namibia? Wieder deutsche Kolonie. Also wüten wir immer weiter auf unserer Suche, finden Seidenstraße, Kalahari, Amazonas, hinterlassen entdeckte, zerstörte Landschaften. Die nicht mehr ganz so links-intellektuellen Rentner kennen die Weingegenden Südafrikas inzwischen fast so gut wie die Toskana, jedenfalls besser als den eigenen Hinterhof.

Skifahren muss man heute wenigstens in Japan, aber besser in Kamtschatka, und vor jedem Wandern, das jetzt Trekking heißt, steht mindestens ein Mittelstreckenflug auf die Azoren oder Madeira, weil die Kanaren irgendwie out sind.

Schon versuchen die Entdeckten zu reagieren, zu reanimieren. Reiseführer über Florenz, Paris und Teneriffa bewerben üble Spelunken und dunkle Gassen als die letzten "unbekannten Ecken", in denen jeder der Erste sein will. Orte mit Skigebieten, die jahrzehntelang mit Liften und Gondeln zupflastert wurden, vermarkten die wenigen noch halbwegs natürlichen Berghänge auf dem Gemeindegebiet als ihre "stillen Seiten".

Genauso gut könnte ein Schlachter das Regal mit Grillsoßen in seinem Laden als die "vegetarische Ecke Ihres Metzgers" anpreisen. Und weil sich der Tourist nicht für dumm verkaufen lässt, beginnen angeblich schon einige damit, im Urlaub die versteckten Werte der eigenen Heimat kennenzulernen. Wehe, wenn sich das herumspricht.

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