Ende der Reise:Politik all-inclusive

Ein Justizminister, der auch noch für Europapolitik und Tourismus zuständig ist? In Baden-Württemberg geht das. Und ganz verkehrt ist es nicht.

Von Stefan Fischer

Gelacht ist schnell über andere Leute und die vermeintliche Einfalt ihrer Entscheidungen. Guido Wolf hat das jüngst wieder erleben müssen: Der CDU-Politiker wäre gerne Ministerpräsident in Baden-Württemberg geworden, eine verlorene Landtagswahl später ist er nun lediglich Justizminister. Allerdings mit der zusätzlichen Verantwortung für Europapolitik und Tourismus. Was ist nicht gefeixt worden über diese Mixtur der Zuständigkeiten; die beiden Dreingaben sind als Trostpreise verspottet worden, um das eher nur mittelwichtige Justiz-Ressort etwas größer erscheinen zu lassen. Als Wolf zu der - zugegeben kleinlauten - Rechtfertigung anhob, Europa und Tourismus hätten durchaus irgendwie miteinander zu tun, wurde noch mehr und noch lauter gelacht.

Dabei hat der Mann natürlich recht. Und all diejenigen, die stets nach einem schlanken Staat rufen, sollen, wenn sie das Beben ihres Zwerchfells wieder in den Griff gekriegt haben, einmal nach Stuttgart schauen. Die südlichen und nahöstlichen Ufer des Mittelmeers nämlich bereisen wir schon länger nicht mehr, das Zika-Virus verleidet uns Lateinamerika und Donald Trump die USA. Tourismuspolitik ist folglich natürlich Europapolitik. Und was machen wir, wenn wir uns mit dem centbilligen All-inclusive-Fraß in Bulgarien den Magen verrenken, wenn neben unserem spanischen Hotel lärmend noch ein spanisches Hotel gebaut wird und wenn auch in Italien, Kroatien sowie Mecklenburg-Vorpommern die Urlaubsfreude wieder einmal eingeschränkt ist? Wir klagen, gegen Reiseveranstalter, Fluglinien und Hoteliers. Fordern neue Gesetze gegen Kofferverschlamper, Stechmückengeschwader und Haare in der Suppe. Dafür müssen wir von Pontius zu Pilatus laufen. In Stuttgart hingegen liegt das jetzt alles in einer Hand.

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