Ende der Reise:Lust und Last

Drei Viertel der Deutschen wollen eines auf keinen Fall tun: campen. Schon, um nicht Schuld zu sein am Absterben des Baikalsees. Und weil sie nicht als piefig gelten wollen. Da haben sie die Rechnung aber ohne die innovativen Wohnwagenbastler gemacht.

Von Stefan Fischer

Gerade haben wir es von einem seriösen Forschungsinstitut wieder mal bestätigt bekommen: Am liebsten hocken wir in unserer Freizeit vor der Glotze. Zu den liebsten Beschäftigungen zählen des weiteren telefonieren, seinen Gedanken nachgehen und Kuchen essen. Gefragt wurde für die Studie jedoch auch, was die Menschen in ihrer Freizeit unter gar keinen Umständen tun. Das beinahe einhellige Ergebnis: campen. Drei Viertel der Deutschen verweigern sich dieser Form des Zeitvertreibs. Weniger attraktiv sind nur noch Spielhallenbesuche.

Eine Reise mit dem Zelt, im Wohnmobil oder -anhänger ist eine Glaubensfrage. Weder bei Kreuzfahrten noch bei All-inclusive-Ferien spalten sich die zwei Gruppen der Fans und Gegner derart klar voneinander. Ihre Gründe haben die einen wie die anderen schon oft gelistet. Nur ein Motiv der Camping-Verweigerer ist bislang nahezu unbekannt, obwohl die Dinge klar auf der Hand liegen: Die Kosten für die Reifen der Wohnwagen sind immens - jedenfalls gerechnet auf die gefahrenen Kilometer. Meistens parken die rollenden Wohnzimmer, das schädigt die Bereifung; durch die Sonneneinstrahlung insbesondere im Süden Europas wird sie zusätzlich porös. Der Auto Club Europa hat unlängst wieder auf diese versteckten Kosten hingewiesen.

Als hätten die Camper und Caravaner mit derlei nicht bereits genügend Lasten zu schultern, werden sie von der Mehrheit auch noch mit massiven Vorhaltungen konfrontiert. Dass etwa der Baikalsee in einem ökologisch beklagenswerten Zustand ist, der Direktor des geografischen Instituts in Irkutsk weiß es, liegt nicht etwa vor allem an ungeklärten Abwässern, die in ihn geleitet werden. Sondern dem See machten "wildes Campen und Lagerfeuer" sehr zu schaffen.

Da wiegt der Vorwurf der Spießigkeit noch vergleichsweise leicht: Hinter einer Fassade der Freiheitsliebe verberge sich, so der Vorwurf, im Grunde nur der Wunsch, auch unterwegs die eigenen vier Wände nicht verlassen zu müssen. Schwarze Schafe, die es mit dem Hausrat in ihren mobilen Heimstätten übertreiben - dieser Tage wurde nahe München ein Fahrer angehalten, der seinen Wohnwagen um knapp zwei Tonnen überladen hatte -, machen es den Spöttern natürlich besonders leicht.

Auf Fenster mit weißen Gardinen will nicht einmal jener Rheinländer verzichten, der sich just einen Miniatur-Wohnanhänger gebaut hat und dabei von fast allen gängigen Einbauten absehen musste. Dieses Domizil ist gerade einmal 2,10 Meter lang, 70 Zentimeter breit und 1,22 Meter hoch. Deshalb lässt es sich auch, ganz innovativ, mit einem Fahrrad ziehen.

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