Ende der Reise:Grüße vom Zotteltier

Tokio hat Godzilla, diese zivilisationszermalmende Gefahr aus dem Pazifik, zum Tourismus-Botschafter ernannt. Wenn das mal gut geht.

Von Stefan Fischer

Die Monsterechse Godzilla ist die personifizierte Urangst der Japaner; eine Metapher für die Gewalt des Ozeans, für das Grauen aus dessen Tiefe - für eine gepeinigte Natur, die zurückschlägt. Wir hier in Europa kennen ja oftmals nur, wie Hollywood den ewigen Kampf des Menschen gegen dieses Vieh ausgeschlachtet hat. In seiner Heimat ist Godzilla jedoch das, was hierzulande Faust und sein Teufelspakt ist oder für die USA, um ins Kino zurückzukehren, der Western: eine fortwährend variierte Erzählung darüber, was die Welt im Innersten zusammenhält respektive aus den Fugen reißt. Kultur als Form der Gesellschaftstherapie.

Nun aber ist Godzilla, diese zivilisationszermalmende Gefahr aus dem Pazifik, zum Tourismus-Botschafter Tokios ernannt worden. So viel Selbstentblößung traut man den Japanern eigentlich gar nicht zu. Aber zumindest die Hauptstädter wollen jetzt tatsächlich Touristen anlocken, indem ein Monster ihnen zuwinkt, sie also einen Blick in die Abgründe der japanischen Seele gewährt bekommen. Vielleicht liegen die Tokioter damit aber gar nicht einmal falsch. Schwäche zu zeigen und als charmante Eigenart zu verkaufen, funktioniert zum Beispiel bei den pazifischen, nun ja, Nachbarn in Neuseeland bestens. Seit die Neuseeländer ihr Image ausgerichtet haben an einem Haufen gnomenhafter Halbtrottel mit Haaren an den Fußsohlen, wird ihr Land von Besuchern überrannt. Den falschen Weg haben unterdessen die New Yorker eingeschlagen, die sich in der Sängerin Taylor Swift Everybody's Darling zur Tourismus-Botschafterin auserkoren haben. Sie ist grenzenlos beliebt, steht aber so wenig für die Eigenheiten der Stadt wie Helene Fischer für die Macken der Berliner.

Rumänien hat Dracula, London Jack the Ripper: Mancherorts ist es ein Leichtes, eine touristische Charme-Offensive zu starten. Wie sähe es aber hierzulande aus, wen sollte Deutschland zum schaurig-schönen Tourismus-Botschafter ernennen, wer oder besser: was hat genug Selbstironie-Potenzial? Es wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Frankenstein, den Walküren und Derricks Toupet.

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