Ende der Reise:Gefundenes Fressen

Weil jedes Lebensmittel auf irgendeine Weise schadet, ist nun der Detox-Urlaub in Mode. So viel Lustfeindlichkeit war noch nie auf Reisen.

Von Stefan Fischer

Auf Wasser und Brot gesetzt zu werden, das war früher eine Strafe: Es war gleichbedeutend damit, weggesperrt zu werden. In einen Schuldturm oder in eine Fastenklinik. Einer Kur ließ sich immerhin noch etwas abgewinnen, wenn auch nicht kulinarisch: Man konnte sich einen zusätzlichen Schatten zulegen und war für etliche Wochen die Bürokollegen los. Aber tagein, tagaus Vollkornbrot, dünn bestrichen mit Margarine, dazu zwei Radieschen und ein Glas Mondscheinwasser? Macht keine Freude.

Aber ein gutes Gewissen. Manchen Menschen zumindest. Für sie musste die Sache nur neu verpackt werden. Fastenkur klingt nach dem Mief der alten Bundesrepublik. Heute heißt das Detox. Das hört sich viel dringlicher an, nicht nach Entsagung, sondern nach Selbsterrettung und Wohlbefinden: Entgiftet euch! Schwemmt alles raus aus euren Körpern und schmeißt kaum Neues hinein!! Weil Essen krank macht und Weizen sogar dumm!!! Und da der Mensch von Welt im Urlaub nicht einfach nur am Strand herumliegt, sondern aktiv sein muss, ist die Detox-Mode für die Tourismusindustrie, man kann es nicht anders sagen: ein gefundenes Fressen. Wem alles sportlich Aktive nicht liegt oder nicht ausreichend erscheint, dem bleibt immer noch die Selbstkasteiung.

Genussmenschen reisen der Trüffel wegen ins Piemont, schätzen eine gute Bouillabaisse an der Côte d'Azur, die böhmische Küche in Wien oder Prag und die Currys indischer Köche in London. Und bestellen zum Nachtisch gern Schokoladenkuchen mit flüssigem Kern. "Pures Gift für den Körper!", schreien die Detox-Touristen und tänzeln in missionarischer Absicht mit ihren Algen-Smoothies vor einem herum. Wer im Tourismus Geld verdienen will, profitiert natürlich von dieser Lustfeindlichkeit, die sich die Leute trotzdem eine Menge kosten lassen, weil sie es sich wert sind: Einen Rehrücken zuzubereiten ist nun einmal aufwendiger, als ein paar Artischocken zu kochen. Mehr gastliche Gemütlichkeit als beim Pampelmusen-Auskratzen herrscht aber in der Auvergne bei einer Truffade, einem Kartoffelbrei mit Käse und Entenfett. Und den drei Runden Verdauungsschnaps.

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