Ende der Reise:Es wird ein Wein sein

Altgedienten Wein- und Studienreisen-Touristen wird im nächsten Jahr nichts anderes übrig bleiben, als sich auf die Suche nach den letzten guten Tropfen zu machen. Denn: Wein wird knapp! Im Vergleich zum Vorjahr fehlen Millionen Hektoliter.

Von Stefan Fischer

Wein wird knapp: Diese alarmierende Nachricht ging dieser Tage um die Welt. Jede zwanzigste Flasche bleibt heuer leer, um fünf Prozent sinkt der weltweite Ertrag. Die Winzer haben damit eine der schlechtesten Ernten seit der Jahrtausendwende erzielt. Besonders drastisch ist der Einbruch in Frankreich, dem zweitwichtigsten Weinproduktionsland: Mehr als fünf Millionen Hektoliter fehlen im Vergleich zum Vorjahr. Die Folgen werden dramatisch sein: Es wird zur strengen Kontingentierung bei Verkostungen kommen, in Restaurants wird nur noch glasweise aus- und auch nur einmalig nachgeschenkt werden. Und statt Sechser- kann man bei den Winzern fortan nur noch Viererkartons kaufen. Wie soll Urlaub da noch Spaß machen? Und woanders ist es auch nicht besser: In Italien ist die Situation ähnlich wie in Frankreich, bei uns zu Hause auch. In Iran wiederum wird zwar so viel Wein angebaut wie in kaum einem andern Land, aber aus religiösen Gründen nicht vinifiziert. Und in China steigt der Ertrag, aber die Chinesen trinken ihren Wein selbst (und französischen noch obendrein).

Uns altgedienten Wein- und Studienreisen-Touristen wird im nächsten Jahr nichts anderes übrig bleiben, als zu neuen Ufern aufzubrechen. Auf der Suche nach den letzten guten Tropfen. Das Friaul, das Elsass und das Burgenland werden zumindest all jene von uns so schnell nicht wiedersehen, die es entwürdigend finden, sich mit Tausenden anderen um die letzten Flaschen zu prügeln. Dann schon lieber Pioniertaten begehen und notfalls in den sauern Apfel beißen, will sagen, den sauren Saft schlucken. Versorgungsengpässe hängen nicht nur am Angebot, sondern auch an der Nachfrage. Die dürfte in den Niederlanden, in Belgien, Tschechien und Polen nicht übermäßig sein - trotz geringer bis minimaler Produktion. Wem nach einer Fernreise ist: Bolivien, Algerien oder Indien sind zu empfehlen. Und womöglich ist derzeit nicht eine Reise nach Ägypten an sich besonders wagemutig, sondern dort dann heimischen Wein zu trinken.

Aber wahrscheinlich läuft auch das alles aufs Noagerltrinken hinaus, denn was will man ein paar Hundert Hektar Rebland schon abgewinnen? Doch noch ist Hoffnung, noch ist nicht alles verloren. Denn eine neue Toskana wächst uns heran, die Toskana des Ostens: Jede Entwicklung hat schließlich ihren Gegentrend. Und wenn Rumänien auch nicht das Land ist, in dem Milch und Honig fließen - die Keller dort sind voller denn je, der Wein wird so schnell nicht ausgehen. Aber nicht weitersagen!

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