Ende der Reise:Ein bisschen Frieden

Der Mensch reist mit einem Rollkoffer voller Vorurteile: Die Briten, denkt der Deutsche, saufen nur. Die Deutschen, denkt der Brite, sichern sich immer die besten Plätze am Pool. Wie gut, dass ein Reiseveranstalter die Nationen nun zusammenbringt.

Von Hans Gasser

Im Urlaub, so denken viele, sei man ein anderer Mensch. Offener, weniger rechthaberisch, insgesamt entspannter. Schließlich hat man ja das ganze Jahr über auf die schönste Zeit des Jahres hingearbeitet und hingewartet. Wäre man im Urlaub also genauso grantig wie an einem Dienstagmorgen in der S-Bahn zur Arbeit, hätte sich der ganze Aufwand ja nicht gelohnt.

Der Mensch kann zwar Zehntausende Kilometer weg fliegen, den Alltag weit hinter sich lassen. Sich selber aber muss er immer mitnehmen, samt einem Rollkoffer voller Ängste und Vorurteile. Die Briten, denkt der Deutsche, die saufen ja nur und grölen die schöne All-inclusive-Anlage voll. Die Deutschen, denkt der Brite, diese Reservierungsfanatiker und Pedanten, sichern sich schon frühmorgens die besten Plätze am Strand, um ihr Handtuch dann zu verteidigen als wär's das eigene Kind - oder zumindest der Hund. Der Brexit, der Trump, die reaktionären Regierungen in Polen und Ungarn, sie alle mildern derlei nationale Stereotypen nicht gerade ab.

Wie gut, dass nun der Reiseveranstalter Thomas Cook, einer der größten in Europa, die Hand zur Versöhnung ausstreckt. Der Handtuchkrieg sei beendet, erklärte vor kurzem dessen Chefmanager Peter Fankhauser. Man habe es als "Mythos" entlarvt, dass Deutsche nur mit Deutschen und Briten nur mit Briten im Hotel Urlaub machen wollten. In einer Umfrage unter 18 000 Kunden hätten 90 Prozent gesagt, dass sie sich gut vorstellen könnten, mit der jeweils anderen Nationalität unter einem Hoteldach zu wohnen. Wow. Und das im Jahr 2017, nur 60 Jahre nach Beginn der Einigung Europas und läppische 72 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs!

Und deshalb, so der Manager weiter, werde man die jahrzehntelang praktizierte Trennung von Briten und Deutschen in Hotels ab sofort aufheben.

Bevor man nun aber in kosmopolitische Euphorie verfällt oder gar den Manager für den Friedensnobelpreis vorschlägt: Der Grund für die plötzliche Harmonie ist ein eher prosaischer. Durch den starken Rückgang der Buchungen für die Türkei und anderer problematischer Länder konzentrieren sich so viele Touristen auf Spanien, Italien, Portugal, dass die Hotels dort so gut wie möglich, sprich: bis unters Dach vollgemacht werden müssen. Und das geht nicht so gut, wenn man ein Hotel exklusiv für Deutsche reserviert oder für Briten - für die nach dem Brexit und mit ihrem nun schwachen Pfund Urlaub im Euroland immer teurer wird.

Und ganz so Laissez-Faire will man dann bei Thomas Cook auch nicht sein. Keine Nation dürfe im Hotel die Übermacht haben, denn das fänden die Befragten wiederum nicht so amusing. Als Puffer zwischen den Erbfeinden sollen deshalb die Skandinavier fungieren, die von beiden Seiten als angenehme Zeitgenossen klassifiziert werden. Und schließlich gibt es auch eine Ausnahme von der neuen Völkerfreundschaft: In Magaluf auf Mallorca, wo Pubs und Bachelor-Partys die britische Bodenhoheit zementiert haben, will man es bei der Hoteltrennung belassen. Cheers!

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: