Ende der Reise:Der Berg schlägt zurück

Ein bisschen umarmen, ein bisschen kuscheln, die Schwingungen aufnehmen: Urlauber kommen der Natur gerne sehr nah. Zu nah?

Von Stefan Fischer

Unter all den verschrobenen Figuren, die der großartige Zeichner Thomas Körner für seinen täglichen taz-Comicstrip "Touché" erfunden hat, ist auch eine Frau, die Bäume umarmt. "Den Baum spüren, den Baum berühren, eins werden mit . . .", das ist ihr Mantra.

Diese Frau und ihr Baum, das ist ein tragischer Fall von unerwiderter Liebe. Mal sind es Waldarbeiter oder Förster, mal Vögel oder Eichhörnchen, die jede Intimität im Keim ersticken. Und oft ist es der Baum selbst, der sich mehr oder weniger subtil den Kuscheleien entzieht. Und doch, so viel Glück liegt im Unglück dieser Frau schon, kann sie sich gewiss sein: Die Natur reagiert auf ihre Gefühle, auf ihre Avancen und Taten. Wenn auch nicht in der gewünschten Weise.

Weniger nachsichtig als der äußerlich knorrige, in den Tiefen seines Geästes jedoch zartfühlende Comic-Baum war nun in Malaysia ein Berg: Er hat, als Menschen zudringlich geworden sind und ihm die ganze Situation zu intim geworden ist, nicht bloß ein wenig gegrummelt. Er ist heftig erbebt.

So jedenfalls sehen die Behörden des Landes die Zusammenhänge. Der Mount Kinabalu auf Borneo wird von einer dort lebenden Volksgruppe als Ruhestatt der Geister verehrt, derweil Urlauber ihn als Wanderziel schätzen. Auf seinem Gipfel haben nun westliche Touristen nackt posiert, man findet die Bilder in sozialen Netzwerken. Den Berg und seine Geister hat das offenbar nicht angemacht. Und so wird den Exhibitionisten nun das Erdbeben Ende der vorigen Woche in die Wäsche geschoben, bei dem 16 Menschen gestorben sind; die Frevler werden an der Ausreise gehindert, zwei von ihnen sollen sich einem Verfahren nach traditionellem Recht stellen.

So viel zur samtpfotigen Spiritualität Asiens, in die sich nicht nur Menschen mit ausgeprägt esoterischer Grundhaltung verliebt haben. Ein bisschen umarmen, ein bisschen kuscheln, die Schwingungen aufnehmen, so haben wir uns das alles wohlig geredet. Der Körper ist ohnehin nur eine Hülle, ob nun zusätzlich verhüllt oder nackt. Was spielt das für eine Rolle?

Offenbar eine größere, als man bislang gedacht hat. Als Verstandesmensch mag man die malaysische Argumentation als lächerlich abtun und den GipfelStrip zwar als respektlos einstufen, aber keinesfalls ursächlich für das Erbeben. Andererseits: Kann man sich tatsächlich sicher sein, dass die Natur stets und immer total geil auf Verbrüderung und Ringelpiez mit den Menschen ist? Oder ob sie nicht doch demnächst auch andernorts, etwa an FKK-Stränden, drastische Mittel und Wege findet, unmissverständlich Nein zu sagen?

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