Ende der Reise:Berliner Provokation

Ist ja gut, dass sie nicht mehr Brauner Bär, Zur Post oder Deutsche Eiche heißen, aber warum sich ein Berliner Hotel wohl Provocateur nennt? Es sieht aus wie in den 1920er- Jahren. Im Tourismus herrscht immer Fasching.

Von Stefan Fischer

In Berlin hat dieser Tage ein neues Hotel eröffnet, das ist an und für sich nichts Ungewöhnliches. Und dass ein Hotel, ein neues zumal, heutzutage ein Konzept oder Motto braucht, damit die Leute dort ihre Nächte verbringen, auch nicht. Dieses neue Hotel heißt "Provocateur". Die Betreiber scheinen alles richtig gemacht zu haben, denn dieser Name klingt verwegen und passt zu Berlin, weil im Grunde die gesamte Stadt eine Provokation ist. Außerdem kann man den eigentlich fremdländischen Namen auch dann aussprechen, wenn man gar keine Fremdsprachen beherrscht.

Da ist er, der Haken. Zwar schadet ein wenig Weltläufigkeit nie, insofern ist es zu begrüßen, dass Hotels eher nicht mehr Zur Post, Brauner Bär oder Deutsche Eiche heißen und das Provocateur sich mit einem Hauch internationalen Flairs umgibt. Aber das Provozierende an diesem Haus ist nicht die Inneneinrichtung gewordene Hommage an die Zwanzigerjahre mit ihrer angestrebten Verruchtheit und inszenierten Burleske. Sondern der Umstand, dass die Gäste möglichst nicht merken sollen, dass sie in Berlin sind.

Das französelnde Provocateur zitiert nämlich nicht die Goldenen Zwanziger in Berlin, vielmehr spielt es mondänes Paris vor reichlich 90 Jahren. Es will speziell an Edith Piaf erinnern, die in den 1920er-Jahren allerdings noch ein Kind war. Und an Oscar Wilde, der in den 1920er-Jahren allerdings schon tot war. Sich falsche Paten für sein Motto zu suchen, ist das eine. Das andere: Warum ist im Tourismus das gesamte Jahr über Fasching? Und alle verkleiden sich und niemand will mehr er selbst sein.

Da nennt man sich lieber Elbflorenz oder Paris des Ostens (was ein Dutzend Städte tut), baut Sehenswürdigkeiten nach und imitiert fremde Lebensgefühle, ganz nach dem Motto: lieber eine gute Kopie als ein schlechtes Original. Anstatt sich auf sich selbst zu beziehen. Gewiss, das ist anstrengend. Denn dann müsste man mehr bieten als einen oberflächlichen Schein. Die für Provokationen stets zu habenden Berliner jedenfalls würden es einem Zwanziger-Jahre-Lookalike-Berlin-Hotel gewiss nicht durchgehen lassen, beriefe es sich auf Nina Hagen und Georg Trakl.

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