Ende der Reise:Als Whatsapp noch Briefmarken brauchte

Früher war es spannender die Welt zu erkunden? Nein, die Herausforderungen sind nur inzwischen ganz andere.

Von Dominik Prantl

Es gehört zu den noch näher zu erforschenden Reisephänomenen, warum die Reisenden heutzutage immer älter werden und trotzdem immer früher anfangen, von früher zu reden. Früher nämlich, also vor etwa zwei bis fünf Jahrzehnten - jedenfalls kurz nachdem die allenfalls adligen Sprösslingen vorbehaltene Grand Tour außer Mode geraten war - da war das Reisen noch etwas ganz anderes. Statt zweimal im Internet zu klicken, musste man spät durch Nacht und Wind fahren, ach was: reiten, um sich in einem Reisebüro ein Ticket ans andere Ende der Welt zu ergattern, das damals noch Italien oder Portugal hieß. Statt Whatsapp-Messages wurden aus Italien oder Portugal dann sehr langsam reisende Postkarten geschrieben, für deren Briefmarken man das halbe Weltende abgegrast hatte. Ehrenwort!

Dass heute alles leichter geworden sei und das Reisen deshalb an Reiz verloren habe, ist eine übliche Perspektive der Von-früher-Redner. Dabei sind nur die Herausforderungen ganz andere. Ziemlich sicher wird es immer leichter, eine Reise zu organisieren. Dafür werden beispielsweise die Entscheidungen in einer Welt, in der booking.com, Tripadvisor und soziale Netzwerke unendlich viele Ziele, Unterkünfte und Postkartenderivate vor einen auf den Tisch legen, immer schwieriger.

Vor allem aber ist das Reisen in grundlegenden Punkten nicht anders als früher. Es ist das große Privileg, als junger Mensch rausgehen zu können und die Welt entdecken zu dürfen. Und es wird für die Älteren die größte Kunst bleiben, vielleicht irgendwann die Welt gesehen zu haben und sich trotzdem die Fähigkeit zu bewahren, darüber staunen zu können, statt immer von gestern zu reden.

© SZ vom 27.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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