East Village in New York:Gott bewahre vor dem Denkmalschutz!

Die Gentrifizierung ist auch im East Village in vollem Gange. Teile des Boheme-Viertels sollen unter Denkmalschutz gestellt werden, doch diesmal sind es nicht Beatniks oder Punker, die dagegen sind - sondern Kirchenmänner.

Daniela Dau

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Efforts To Landmark Sections Of Manhattan's East Village As Historic Draws Controversy

Quelle: AFP

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Die Gentrifizierung ist auch im East Village in vollem Gange. Teile des Boheme-Viertels sollen unter Denkmalschutz gestellt werden, doch diesmal sind es nicht Beatniks oder Punker, die dagegen sind - sondern Kirchenmänner.

Teile des East Village sollen offiziell in ein historisches Viertel verwandelt werden - was sich auf den ersten Blick wie eine gute Idee der New Yorker Stadtverwaltung und vor allem nach üppigen öffentlichen Zuwendungen anhört, hat für Bestürzung und Aufruhr im südlichen Manhattan gesorgt. Nur sind es diesmal nicht die Nachfahren der alternativen Künstler- und Punkrockszene, die das Viertel jahrzehntelang geprägt hat, die sich gegen das Vorhaben wehren. Die Rebellion wird getragen vom Establishment des Quartiers: den Vertretern von Kirchen und Synagogen.

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Sollten Teile des Viertels als Sehenswürdigkeit unter Denkmalschutz gestellt werden, befürchten die Kirchenvertreter ein Anwachsen der Bürokratie, einen Rückgang von Spenden und den Werteverlust ihrer Gebäude. Potentielle Investoren könnten durch baurechtliche Beschränkungen abgeschreckt werden. "Religiöse Einrichtungen können nicht allzu tief in die Tasche greifen", veranschaulichte ein Kirchensprecher in der New York Times die prekäre Finanzlage. "Dieses Vorhaben wird unseren Handlungsspielraum stark begrenzen." Selbst einfache Projekte wie die Reparatur eines Fensters oder die Instandsetzung eines Dachs würden dann zu aufwändigen bürokratischen Vorgängen.

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Eigentlich recht zentral gelegen, hat das Viertel zwischen 10. Straße und Second Avenue lange Zeit ein Nischendasein geführt. Künstler, Beatniks, Hippies und Punker prägten die Atmosphäre im East Village, das aber auch als Hort von Drogen, Armut und Verbrechen galt. Allen Ginsberg lebte und arbeitete hier, Andy Warhol organisierte verschiedene Kunstprojekte unter musikalischer Begleitung von Velvet Underground, Mark Rothko malte in dem Viertel seine großformatigen Bilder. Wer Ende der 70er Jahre durch die Straßen lief, konnte der Rock-Poetin Patty Smith begegnen oder Joey Ramone von den "Ramones" und abends im legendären CBGB-Club Debby Harrie treffen - die "Blondie"-Sängerin war Stammgast in der Punkrock-Diskothek und stand vorzugsweise am Flipper. In den zahlreichen Theatern und Galerien feierten ...

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... postmoderne Künstler wie Keith Haring, Jean-Michel Basquiat und Jeff Koons ihre ersten Erfolge. Der umfangreiche Bestand an Backsteinbauten weist in die Vergangenheit des Viertels als Einwandererquartier. Um 1850 war East Village die größte deutsche Auslandsgemeinde. 370.000 Menschen lebten in "Little Germany" zwischen 10. Straße und Second Avenue, eröffneten Biergärten, gründeten Sport- und Schützenvereine, Schulen und Kirchen. Nach ihnen übernahmen Immigranten aus Osteuropa die Wohnungen und bildeten bald die Mehrheit.

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An die Einwandererzeiten und "Old New York" erinnern Pubs wie "McSorley's Old Ale House" in der 7. Straße. Beim Schritt durch die Tür des Ende der 1850er Jahre eröffneten Lokals begibt sich der Besucher auf eine Zeitreise, denn ...

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... die Einrichtung ist weitgehend unverändert geblieben. Die Wände sind über und über mit Erinnerungsstücken und Fotos von berühmten Gästen wie dem Zauberkünstler Houdini, Präsident Teddy Roosevelt, Folksänger Woody Guthrie und dem Dichter E.E. Cummings dekoriert. Nur die Gepflogenheiten im Pub haben sich glücklicherweise modernen Zeiten angepasst: Bis 1970 war Frauen der Zutritt verboten.

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Seit den 1980er Jahren werden die freien Kunst- und Kultureinrichtungen im Viertel weniger, Galerien und Kunstbühnen schließen. Dafür steigen die Mieten, ganze Etagen werden zu schicken Eigentumswohnungen umgebaut und alte Reihenhäuser aufgestockt - der Prozess der Gentrifizierung ist auch im East Village in vollem Gang.

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Trotzdem sind an vielen Gebäuden noch charmant-schäbige Jugendstil- und Art Déco-Elemente zu sehen. Schon heute sind Teile des Viertels als historisch ausgewiesen.

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Befürworter der Ausdehnung auf das ganze East Village hoffen, dadurch den Veränderungsprozess im Viertel besser steuern und gierigen Investoren leichter Einhalt gebieten zu können. Noch in diesem Frühjahr soll eine Entscheidung fallen. Sollten sie sich in der New Yorker Denkmalschutz-Kommission durchsetzen, würde dies strengere Regeln für Abriss, Umbau und Sanierung bedeuten.

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Genau das läuft den Plänen der Kirchengemeinden zuwider - und zwar gleich welcher Konfession.

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So plante die anglikanische St. Mark's Church-in-the-Bowery in ihrer bereits seit 1969 als historisch ausgewiesenen Umgebung ein sechsstöckiges Appartmentgebäude, das die Kirche überragt hätte. Die Pläne wurden schließlich fallengelassen, weil die Gemeindemitglieder dagegen waren. Der Synagagogenvorstand von Adas Le Israel Anshei Meseritz wollte gleich die ganze Synagoge - bis auf die neoklassische Fassade - abreißen lassen, um dahinter einen Neubau inklusive Appartment zu errichten. "Sie wollen sie zu einem Museum machen", klagte ein Gemeindemitglied in der New York Times über die Denkmal-Pläne, "aber wir wollen sie retten."

Kathedrale "Holy Virgin Protection" im East Village

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Quelle: Spencer Platt/AFP

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Das geplante historische Viertel würde sich vom St. Mark's Place zur Second Avenue und von der Avenue A bis zur Bowery ausdehnen. Darin enthalten wären 300 Gebäude, viele im Besitz der Kirchen. Etwas außerhalb des neuen historischen Viertels steht das Hauptquartier der "Hells Angels", ein weiteres Symbol für die wilden, ungezähmten Tage im alten East Village. Dies einzubeziehen, trauten sich die Mitglieder der Denkmalschutz-Behörde dann wohl doch nicht.

east village new york Infografik

Quelle: sde

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Von der Subkultur zum teuren Szeneviertel: Das East Village liegt im Südosten von Manhattan.

© Süddeutsche.de/vs
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