Dumping-Flüge:Die falsche Rechnung

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Bei Billigflügen kommen meist Kosten hinzu, die den niedrigen Flugpreis bei weitem übersteigen.

Von Thomas Grether

Wenn er den Ortsnamen Weeze hört, läuft Cliff Head aus Reading bei London immer noch puterrot an vor Wut. Hatte sich doch seine Familie so sehr auf den Kurztrip mit Ryanair nach Düsseldorf gefreut. Ein echtes Schnäppchen meinte der Familienvater gemacht zu haben, als er per Internet bei dem irischen Billigflieger die Flugsitze für umgerechnet 80 Euro pro Nase nach Düsseldorf geordert hatte.

Die Billigfluglinie Ryanair darf fuer ihre Londonfluege nicht mehr mit der Formulierung "Flughafen Niederrhein (Duesseldorf)" werben. (Foto: Foto: ddp)

Doch ¸¸Airport Düsseldorf, Perfecture Weeze" erwies sich als Landeplatz irgendwo in der Pampa, weitab vom eigentlichen Zielort. Eigentlich wollten die Heads pünktlich bei einer Hochzeitsfeier im Düsseldorfer Zentrum sein. Aber daraus wurde nichts. Sie kamen mit dreistündiger Verspätung dort an.

Mit der Fahrt zum Flughafen London-Stanstead und den Wartezeiten waren sie fast zehn Stunden unterwegs gewesen. ¸¸Mit dem Auto wären wir schneller in Düsseldorf gewesen - und billiger", resümiert Cliff Head.

Erst rechnen, dann buchen

Touristen müssten genau rechnen, ob sich ein Flug von und zu einem Provinzflughafen wirklich lohnt, empfiehlt ein Sprecher des Bundesverbands der Verbraucherzentralen. Oftmals fräßen lange Transfers den Zeitvorteil des Fliegens wieder auf.

Bei Strecken unter 600 Kilometern seien Zug und Auto dem Flugzeug in der Praxis meist überlegen, befinden die Verbraucher-Schützer. Auch kosten Transfers ordentlich Geld - die englischen Staatsbahnen beispielsweise kassieren deutsche Touristen kräftig ab: Bis zu 120 Euro kann die Fahrt für eine vierköpfige Familie kosten.

Selbst die Interessenvertretung der Billigflieger in Deutschland fordert ihre Kunden auf, ¸¸zu überlegen, ob sich jeder Flug auch lohnt", erklärt Verbandssprecher Herbert Euler. Was der Verbraucher am Ticketpreis spare, wenn er von Hamburg aus vom Ryanair-Ziel ¸¸Hamburg-Lübeck" flöge, gäbe er für Bahntickets wieder aus.

¸¸Ein ökonomisch wie ökologischer Schwachsinn", schimpft Norbert Frank vom Bund für Umwelt und Naturschutz (Bund). Viele Mini-Pisten ¸¸generieren unnötigen Flugverkehr". Da würden Gäste der umweltfreundlichen Bahn in den Jet gelockt. Touristen, die selbst im Auto weniger Kohlendioxid in die Stratosphäre bliesen, als sie im Low-Cost-Flieger verursachten, flögen, ¸¸nur weil der Preis billig erscheint".

"Hauen und Stechen um die Passagiere"

Innenansicht des Terminalgebäudes des Flughafens Niederrhein in Weeze (Foto: Foto: AP)

Dem Geschäftsgebaren von Ryanair und dem Flughafen Weeze jedenfalls hat das Oberlandesgericht Köln einen Riegel vorgeschoben. Der Airport unweit der Kleinstadt Kleve sowie der irische Billigflieger dürfen nicht mehr Touristen mit der Behauptung anlocken, sie landeten unweit Düsseldorfs.

Fortan musste sich der Mini-Flughafen in ¸¸Airport Weeze" umbenennen und soll eine satte Strafe von einer halben Million Euro berappen. Holger Terhorst, Marketing-Chef von Weeze, findet das ungerecht und erzählt von einem ¸¸großen Hauen und Stechen um die Passagiere", bei dem die großen Airports die Kleinen ¸¸platt machen wollen". Weswegen der Großflughafen Düsseldorf juristisch gegen den Kleinen im Westen schösse.

Dass ein erbitterter Konkurrenzkampf der Flughäfen in Deutschland tobt, wird demjenigen klar, der sich die Deutschland-Karte mit den eingezeichneten Flughäfen der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) anschaut.

Zu den 19 internationalen Airports gesellen sich 41 Regionalflughäfen, die allesamt Start- und Landepisten für große Jets haben. ¸¸Viel zu viel", wie Martin Geabges vom Verband der in Deutschland operierenden internationalen Fluggesellschaft (Barig) findet. 60 deutsche Flughäfen könnten, so die Barig, sich auf Dauer nie wirtschaftlich über Wasser halten.

Der Steuerzahler finanziert

Doch damit nicht genug. In den kommenden Jahren werden noch weitere Klein-Flughäfen eröffnet. Von 2007 an sollen im Allgäu vom Militärflugplatz Memmingerberg Urlaubs- und Linienjets starten, obwohl es mit Friedrichshafen am Bodensee schon einen Flughafen gibt. Kassel-Calden wird den Steuerzahler 150 Millionen Euro kosten.

So mancher Regional-Fürst hätte gern den eigenen, prestigeträchtigen Flughafen. Zumal in vielen ehemaligen Militärflieger-Standorten nach dem Abzug der Amerikaner deutsche Mitarbeiter arbeitslos wurden. Regionalflughäfen seien ¸¸Job-Maschinen", tönen Lokalpolitiker. Aber verschweigen dabei, dass ihre Flughäfen angesichts des Überangebots nur mit Subventionen überleben können - von Steuergeldern bezahlt.

¸¸Marketing-Beihilfen" von mindestens 100.000 Euro zahlen Flughafen-Betreiber-Gesellschaften an Airlines, die neue Fluglinien in die Provinz bringen. Weil die Flughäfen über Start- und Landegebühren Geld einnehmen, aber auch fürs Parken, Einkaufen, Essen und Trinken ihrer Gäste kassieren, versuchen sie, Fluggesellschaften anzulocken. Mitunter wird sogar die Übernachtung des fliegenden Personals bezahlt.

¸¸Duschen für den Flughafen"

Oft erhalten deutsche Airports günstige Kredite von der öffentlichen Hand oder sind mehrheitlich im Besitz von Städten, Kreisen und Ländern. Dem Dortmunder Regionalflughafen wird von seinen Konkurrenten nachgesagt, er würde von den Stadtwerken subventioniert. Denn die halten dort Anteile; die Kommune, wiederum im Besitz der Stadtwerke, brauche zahlungskräftige Touristen und Geschäftsreisende.

Ein Grund für Torsten Hiermann, Sprecher des weitaus größeren Konkurrenz-Flughafens Düsseldorf, zu wettern, die Dortmunder Bürger müssten ¸¸für ihren Flughafen blechen". Über die Gas-, Wasser- und Stromrechnungen. ¸¸Duschen für den Flughafen" nannten es die Ruhr Nachrichten.

Doch wer als Kommune oder Landkreis zu viel bezuschusst, riskiert, von der EU sanktioniert zu werden. So musste der belgische Provinz-Fliegerhorst Charleroi von den zwölf Millionen Euro, die er vom Steuerzahler absahnte, vier Millionen zurück zahlen.

Um Subventionierungen zu vertuschen, so das Forum Umwelt und Entwicklung in einer Gemeinschaftsstudie mit dem Bund, seien Regionen und Landesregierungen sehr kreativ. Ryanair kassiere Millionen - nur fürs Verteilen von Prospekten. Gerade in der Hunsrück-Kommune Hahn gelandete Touristen, die zumeist nach Mainz, Wiesbaden oder Frankfurt wollen, bekämen Info-Material über den schönen Hunsrück und seine touristischen Angebote. In die Hand gedrückt von Ryanair-Personal.

© Süddeutsche Zeitung vom 19. April 2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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