Digitale Kunst:Unmögliche Objekte

Digitale Kunst: „Promenade“, so nannte der Physiker Spizzichino diese gigantische rote Schnecke, auf der eine winzige Figur marschiert. Er spielt mit der Fibonacci-Spirale, Mussorgskis „Bildern einer Ausstellung“, und einer Figur, die an „L’homme qui marche“ des Schweizer Bildhauers Alberto Giacometti erinnert.

„Promenade“, so nannte der Physiker Spizzichino diese gigantische rote Schnecke, auf der eine winzige Figur marschiert. Er spielt mit der Fibonacci-Spirale, Mussorgskis „Bildern einer Ausstellung“, und einer Figur, die an „L’homme qui marche“ des Schweizer Bildhauers Alberto Giacometti erinnert.

(Foto: 2017 by Eli Spizzichino)

Aldo Spizzichino war ein Pionier der Computerkunst. In der Ausstellung "Math <=> Art" im Senatssaal der Alten Universität sind seine Werke zu sehen.

Von Johanna Pfund

Eine perfekte Schnecke, hauchzarte Blumen in eigenartig gewundenen transparenten Vasen, ineinander verschlungene Ringe, bunte Muster wie aus dem Kaleidoskop - die Bilder, die in der Ausstellung zum Heidelberg Laureate Forum gezeigt werden, wirken psychedelisch. Weit gefehlt, denn sie greifen altbekannte mathematische Fragestellungen auf. Der kürzlich gestorbene italienische Physiker Aldo Spizzichino hat die Werke am Computer geschaffen und für jedes ein eigenes Programm geschrieben - ein Spiel mit optischen Täuschungen oder sogenannten unmöglichen Objekten. Die Vase, das ist eine Kleinsche Flasche, die Ringe, das sind Tori, ringförmige geometrische Strukturen.

"Mein Vater war ein Pionier der Computerkunst", sagt Eli Spizzichino, der gemeinsam mit seiner Mutter Marina zur Ausstellung nach Heidelberg gereist ist. "Er experimentierte mit diesen Bildern, als die Technik bei Langem noch nicht so ausgereift war wie heute." Beispielsweise löste er das Darstellungsproblem, indem er einfach Vektoren übereinanderlegte. Grundsätzlich sei es Aldo Spizzichino, der als Astrophysiker am CNR (National Council for Research) in Bologna arbeitete, darum gegangen, die Lücke zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit zu schließen. Und Bilder waren seine Lösung.

Bauhaus, Salvador Dalí oder M. C. Escher: Kunst kommt von Berechnungen

Kunst und Mathematik haben als Paar eine jahrtausendealte Tradition. "Es gibt eine lange Beziehung zwischen Mathematik und Kunst", sagt Piergiorgio Odifreddi, der die Betreuung der Ausstellung in Heidelberg nach dem Tod Spizzichinos im Juni übernommen hat. Odifreddi, emeritierter Professor, Mathematiker, Logiker und Autor, hat sofort eine lange Reihe von Beispielen parat. Die Griechen etwa setzten mathematische Ideen in der Architektur oder bei ihren Skulpturen ein. Wesentlich subtiler aber zeige sich die Beziehung in der Malerei, etwa zur Zeit der Renaissance. Der berühmteste Vertreter disziplinenübergreifender Arbeit war Leonardo da Vinci. "Er wusste, dass man ein Kunstwerk schaffen kann, wenn man mathematisch malt", sagt Odifreddi. Da Vincis Zeitgenosse Piero della Francesca begnügte sich ebenfalls nicht allein mit der Malerei, sondern war zugleich Kunsttheoretiker und Mathematiker. Wie sehr Zahlen Einfluss auf Piero della Francescas Werk nahmen, zeigt sich in seinem Gemälde "Die Geißelung Christi". Das Bild ist unterteilt in ein Quadrat links, ein Rechteck rechts, links im Hintergrund die Geißelungsszene, rechts in den Vordergrund gerückt drei Männer. Della Francesca wandte hier den Goldenen Schnitt an, der bis heute als Prinzip einer idealen ästhetischen Proportion in Bildern, in Bauwerken und im Kunsthandwerk gilt.

Offensichtlich wird die Beziehung zur Mathematik in der Modernen Kunst: bei den Bauhaus-Künstlern, den abstrakten Malern, in den Werke des Surrealisten Salvador Dalí, der Kunst von Victor Vasarely oder den Werken von M. C. Escher, der das Spiel mit der optischen Täuschung bis zur Perfektion betrieb. Bis sich zuletzt die Informatik dazugesellte, die Aldo Spizzichino nutzte, um Althergebrachtes neu zu interpretieren. Der Goldene Schnitt wurde bei ihm zur "Golden Family", einem Herz, das sich aus lauter Spiralen zusammensetzt, mit goldenen Proportionen.

"Math<=>Art", bis 28.9., täglich 8.30 bis 19 Uhr, Senatssaal der Alten Universität Heidelberg; www.computedart.org

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: