Die scheußlichsten Länder der Welt:Mrs. Mortimer rechnet ab

"In Japan schlitzen sie sich die Bäuche auf!" Die Autorin aus dem 19. Jahrhundert blieb stets zu Hause - das hielt sie nicht davon ab, voller Vorurteile über die Welt zu schreiben.

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Eine Welt voller Vorurteile, Die scheußlichsten Länder der Welt. Mrs. Mortimers übellauniger Reiseführer

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Mrs. Favell Lee Mortimer war eine Bestsellerautorin aus dem 19. Jahrhundert, die selbst nicht reiste - was sie aber nicht davon abhielt, voller Vorurteile über den Rest der Welt zu schreiben. Ihr Wissen entnahm sie Büchern ihrer Zeit und reimte sich den Rest zusammen.

Obwohl die moralinsaure Schriftstellerin höchst ungnädig über die Völker der Welt berichtete, zeigt Herausgeber Todd Pruzan in seiner Einleitung gewisse Sympathien für Mrs. Mortimer. Denn er hat recherchiert, warum die viktorianische Autorin (1802-1878) mit derartiger Voreingenommenheit über die Welt berichtete - und fand heraus, dass sie im Gegensatz zu den Einträgen in damaligen Lexika beinahe gemäßigt über fremde Kulturen urteilte. So steht etwa in der Encyclopaedia Americana von 1854 über die Malaien: "Sie haben äußerst ekelerregende und affenartige Züge, stehen auf der untersten Stufe der körperlichen und geistigen Entwicklung und leben in dem Zustand von Wilden..."

Dass Mrs. Mortimer einen übellaunigen und keinen fröhlich-optimistischen Reiseführer verfasste, lag nicht nur an den abwertenden Vorlagen aus den Lexika, die sie mangels eigener Reiseerfahrung zu Rate ziehen musste - sie selbst verließ England nur zweimal.

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Die Autorin war wohl nicht von klein auf boshaft: Sie musste mit einer unerwiderten großen Liebe, einem gewalttätigen Ehemann und diversen Schicksalsschlägen in der Familie fertigwerden. Auch der Hass der evangelischen Mrs. Mortimer auf alles Katholische zu Hause und in fernen Ländern erklärt sich aus ihrer Lebensgeschichte: Ihre Jugendliebe heiratete erst eine andere und wurde als Witwer auch noch katholischer Geistlicher.

Ein Auszug der größten Boshaftigkeiten über England, Russland bis hin nach Übersee - einige Vorurteile kommen einem leider auch heute noch bekannt vor ...

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England, das Heimatland der übellaunigen Autorin:

"Welches Land liebt man am meisten? Sein eigenes Land. Das weiß ich genau (...) In Gesellschaft sind die Engländer nicht sehr angenehm, weil sie Fremde nicht mögen und sich auch nicht gern um sie bemühen. Am liebsten sind sie zu Hause, und das ist auch richtig so. (...)

Oft sind sie betrübt, fangen schnell an zu murren und wünschen sich immer, reicher zu sein, als sie sind (...). Dennoch sind sie vielleicht die glücklichsten Menschen auf der Welt, denn in keinem anderen Land gibt es so viele Bibeln wie hier."

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Schottland

"Die Schotten sind sehr ernsthaft und mögen keine Scherze; doch sie lieben Musik und können einige sehr schöne Lieder singen; aber der Klang der schottischen Dudelsäcke wird einem nicht gefallen. Der Lärm ist fast so grässlich wie das Quietschen einer Tür oder Katzengeschrei."

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Frankreich

"Die Eltern machen ihre Kinder gern zu kleinen Männern und Frauen. Sie nehmen sie überall mit hin, lassen sie lange aufbleiben und ungesundes Essen verzehren und erlauben ihnen sogar, vor den Erwachsenen herumzuplappern, damit sie zeigen können, wie klug sie sind."

"Die Franzosen mögen Eleganz, sind aber nicht besonders sauber. Es ist in Frankreich sehr verbreitet, die Unwahrheit zu sagen, denn die Franzosen machen andauernd Komplimente, um den Menschen in ihrer Gesellschaft eine Freude zu bereiten, und diese Komplimente stimmen oft nicht."

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Portugal

"Manche Orte sehen aus der Entfernung hübsch aus, entpuppen sich aus der Nähe aber als sehr hässlich - ein solcher Ort ist Lissabon."

"Niemand in ganz Europa ist so tollpatschig und unbeholfen mit seinen Händen wie der Portugiese. Es ist schon seltsam, mit anzusehen, wie schlecht die Zimmerleute Kisten zimmern und die Schmiede Schlüssel fertigen. Die Karren sind stümperhaft gebaut; sie werden von zwei Ochsen gezogen, und wenn sie langsam dahinrollen, erzeugen die Räder ein grässliches lautes Quietschen, das Besucher aus anderen Ländern vor Schreck fast erstarren lässt; aber die Portugiesen stört der Lärm nicht, sie halten ihn sogar für nützlich, denn so bestehe nicht die Gefahr, dass zwei Karren in einer alllzu engen Gasse aufeinandertreffen. Portugal ist, wie Spanien, voller Räuber; den Gesetzen wird nicht Folge geleistet, und die Bösen entkommen oft, ohne bestraft zu werden."

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Russland

"Kutscher werden nach Sibirien geschickt, wenn sie jemanden auf der Straße überfahren. Das macht sie sehr vorsichtig, aber es macht die anderen Menschen auch sehr unleidlich. Statt aus dem Weg zu gehen, sehen sie zum Kutscher auf und sagen: 'Denk an Sibirien.'"

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Italien

"Die Häuser sind sehr schmutzig, besonders die Treppen und die Hauseingänge; aber die Italiener denken mehr daran, ihre Decken zu bemalen und Statuen in ihren Dielen aufzustellen, als das Haus sauber zu halten. Die Engländer finden ein sauberes Haus besser als ein schönes."

Sizilien

"Die Leute werfen sich einen großen, braunen, wollenen Umhang über, mit einer Kapuze, die ihren Kopf bedeckt. Es leben dort viele Mörder, die eine Kapuze benötigen, um ihr Gesicht zu verbergen. Oft tragen sie einen scharfen Dolch unter ihrem Umhang."

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Deutschland

"Die Frauen sind sehr fleißig, und sie nehmen ihr Strickzeug überallhin mit. Sie sind so in ihre Stricknadeln vernarrt wie die Männer in ihre Pfeifen. Es würde Sie überraschen, wie viele Socken sie stricken. Doch es ist weitaus besser zu stricken als zu rauchen! Wenn sie in ihrem Hause sind, verbringen die Frauen einen Großteil ihrer Zeit mit Kochen, außerdem weben sie, und in großen Truhen bewahren sie sehr viel selbstgesponnene Leinenwäsche auf. Können sie denn nichts als stricken, kochen und weben?

O nein, sie können auch Klavier und Harfe spielen und singen sehr lieblich. Aber nützliche Bücher lesen sie nicht gern. Wenn sie lesen, dann nur Romane über Menschen, die gar nicht gelebt haben. Dann wäre es doch besser, gar nichts zu lesen als solche Bücher."

Thomas Gottschalk und Marie-Luise Marjan beim Singen und Stricken, Foto: dpa

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Holland

"Die Holländer können es nicht vermeiden, mit ihren Füßen einigen Lärm zu machen, da sie Holzschuhe tragen - und Holzschuhe, denke ich, brauchen sie wohl, damit ihre Füße nicht nass werden."

"Amsterdam ist die Hauptstadt von Holland. In keiner Stadt kann man so leicht ertrinken, denn es gibt unzählige Kanäle."

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Norwegen

"Nach dem Gottesdienst wird der Sonntag nicht geheiligt. Es wird getanzt und getrunken, und alle sind ausgelassen. Deshalb ist es kein Wunder, dass die meisten Menschen sehr dumm sind."

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Türkei

"Türken sind so ernst, dass sie weise aussehen. Aber wie können faule Menschen wirklich weise sein? Sie verbringen ihre Zeit am liebsten damit, Opium zu rauchen, Kaffee zu trinken und einfach still dazusitzen."

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Japan

"Ich werde nicht in der Lage sein, Ihnen viel über Japan zu erzählen, denn Fremde reisen nicht dorthin, und die Einwohner verlassen es nicht. (...) In Japan herrschen äußerst gottlose Sitten. Es ist gottlos, wenn ein Mensch sich selbst tötet; in Japan aber ist es Sitte für alle Höflinge, die den Kaiser erzürnt haben, sich den eigenen Körper mit einem Schwert aufzuschneiden. Schon kleine Jungen von fünf Jahren beginnen, diese furchtbare Kunst zu erlernen."

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Birma

"Die Burmesen sind ungehobelte und raue Menschen. Sie sind nicht wie die Chinesen und die Hindus, die Fremden gern freundlich begegnen. Wenn ein Burmese einen Besuch beendet, sagt er: 'Ich gehe jetzt', und sein Freund sagt: 'Geh.' Das ist ein sehr schroffes Verhalten. Aber alle schroffen Menschen sind nicht aufrichtig. Die Burmesen sind sehr hinterlistig und lügen bei jeder Gelegenheit; sie schämen sich nicht einmal ihrer Falschheit."

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Anm.d.Redaktion: Die Schreibweise für "Burmesen" entspricht den Buchzitaten.

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Ägypten

"In Ägypten geschieht es sehr selten, dass jemand die Wahrheit sagt. Es gab einmal einen Ägypter, einen Juwelier, der zu seinem Wort stand. Seine Landsleute waren so überrascht davon, dass er immerzu die Wahrheit sagte, dass sie ihm den Beinamen 'der Engländer' verliehen."

"Die Kopten sind die Christen Ägyptens. Nun könnte man wohl annehmen, dass die Kopten sehr gut sind, eben weil sie Christen sind; aber sie sind nicht besser als der Rest des Volkes. Wie der Rest sind sie tückisch, und in einer Hinsicht sind sie sogar schlechter, denn sie sind süchtig nach Brandy."

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Abessinien (Äthiopien)

"Die Abessinier sind kein mutiges Volk. Der Anblick eines wilden Elefanten erfüllt eine ganze Schar von Männern mit Schrecken; und ein Engländer, der keine Angst davor hatte, einen abzuschießen, wurde wie ein Wunder bestaunt.

Dennoch sind sie sehr grausam; grausam zu Tieren, denen sie Glied um Glied abreißen und deren blutiges Fleisch sie essen, noch warm und zitternd; grausam zu Menschen, denn sie töten sogar die hilflosen Kinder ihrer Feinde, nur um des ruhmreichen Asparaguszweiges willen. Ihr größter Stolz besteht in einem Asparaguszweig, den sie sich ins Haar stecken, weil er das Zeicihen dafür ist, dass sie einen Feind getötet haben."

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Die Vereinigten Staaten von Amerika

"Die Kinder werden auf eine sehr ungesunde Weise großgezogen. Auf dem Esstisch des Gasthauses entdecken sie lauter Leckerbissen, und man erlaubt ihnen, schon zum Frühstück Pfannkuchen und Eingemachtes zu essen und Eis und Austern zum Abendbrot, während sie doch mit ihrer Schüssel Haferschleim oder Milch, Wasser, Brot und Butter zufrieden sein sollten. Die Folge ist, dass viele Kinder sterben und andere blass und kränklich sind."

"Die Amerikaner sind wohltätig. Sie lieben es, Gutes zu tun, und betreiben unter anderem Asyle für die Blinden, Krankenhäuser für die Kranken und Unterkünfte für die Mittellosen, und sogar ihre Gefangenen haben es bequem - vielleicht zu bequem."

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Amerika - Südstaaten

"In den Südstaaten herrscht weitgehend Sklaverei. Die Sklaven sind Neger; die meisten der jetzt lebenden Sklaven wurden in Amerika geboren, aber ihre Eltern oder Großeltern wurden aus Afrika verschleppt. Manche Leute behaupten, diese Sklaven seien so glücklich wie freie Arbeiter. Die Sklaven machen klar, dass sie nicht glauben, sie seien so glücklich, indem sie oft weglaufen."

Amerika - Nordstaaten

"Es gibt keine Sklaven in den Nordstaaten, aber es gibt dort viele Schwarze; und vielleicht glauben sie, dass man sie gütig behandelt, weil sie keine Sklaven sind. aber weit gefehlt, sie werden nicht geschlagen, das ist wahr, aber sie werden auf jede nur erdenkliche Weise verachtet und beleidigt. Ist dies nicht sehr gottlos? Nur weil sie eine schwarze Haut haben."

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Jamaika

"Die Neger geben ihren Häusern sehr gern Namen. Eins heißt 'Comfort Castle', ein anderes 'Kanaan', wieder andere 'Paradies', 'Freiheit', 'Komm und Schau', 'Mein kleines Eigenheim,' 'Ich danke Gott dafür'. Eins trägt den einzigartigen Namen: 'Ich nie denkte'.

Was soll denn das heißen? Es heißt: 'Einst hätte ich nie gedacht, dass ich jemals ein solches Haus besitzen würde, geschweige denn überhaupt ein eigenes Haus."

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Mexiko

"In Mexiko hält man es nicht für eine Schande, ein Räuber zu sein. Sogar Gentlemen, die viel Geld beim Glücksspiel verloren haben, werden eine Zeitlang Räuber und schämen sich nicht dafür.

Manchmal wird aber doch ein Räuber gefangen und aufgehängt, und seine Leiche baumelt in Ketten am Wegesrand. Dann hat man großes Mitleid mit ihm."

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Mrs Mortimers Abrechnung mit der ganzen Welt ist im Piper-Verlag erschienen:

Favell Lee Mortimer, Todd Pruzan: Die scheußlichsten Länder der Welt. Mrs. Mortimers übellauniger Reiseführer.

Coverbild: Verlag Piper

(sueddeutsche.de/kaeb/dd/bgr)

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