Die großen Flughäfen: Amsterdam Schiphol:Mit Rembrandt auf die Piste

Für viele ist Amsterdam-Schiphol ein Flughafen der langen Wege, dafür aber gibt es alles unter einem Dach - und sogar ein Kunstmuseum mit Bildern alter Meister.

Andreas Spaeth

Das flache Stück Land, gut zehn Kilometer südwestlich vom Stadtzentrum Amsterdam gelegen, hat Geschichte. Denn vor gut 400 Jahren fanden hier noch Seeschlachten statt, als die spanische Flotte gegen die Schiffe des Prinzen von Oranje kämpfte.

Erst 1852 wurde das Harlemmermeer, berüchtigt wegen plötzlich aufkommender Stürme, trockengelegt - es war die bis dahin größte Landgewinnung in der holländischen Geschichte, die fünf Jahre in Anspruch nahm.

Im Nordosten der Fläche errichtete man ein Fort und nannte es Schiphol, was so viel heißt wie Schiffsloch oder Schiffshölle. Während des Ersten Weltkriegs schließlich wurde das flache, oft durchnässte Areal zum Militärflugplatz, am 16. September 1916 landete erstmals ein Flugzeug, eine zweisitzige Farman. Und am 17.Mai 1920 startete von Schiphol der erste Flug der königlich-niederländischen Fluggesellschaft KLM.

Als sich die junge Airline stürmisch entwickelte, entschied man sich, Schiphol zum Flughafen für Amsterdam auszubauen - das Terrain, vier Meter unter dem Meeresspiegel, erschien ideal geeignet. Ein wichtiger Impuls für den raschen Ausbau waren zudem die Olympischen Spiele, die 1928 in Amsterdam stattfanden.

Bereits 1938 verfügte Schiphol dann über betonierte Bahnen und Vorfelder; mehr als 100000 Passagiere wurden in jenem Jahr abgefertigt. Nach der Zerstörung des Flughafens im Zweiten Weltkrieg ging Schiphol schon 1949 wieder in Betrieb; ein Jahr später wurden wieder 350000 Passagiere gezählt. Und 1956 siedelten sich hier die Fokker-Flugzeugwerke an - bis zu Insolvenz des Unternehmens im Jahr 1996 wurden in Schiphol also auch Verkehrsmaschinen gebaut.

Der Grundstein für den heutigen Erfolg als Europas fünftgrößter Flughafen - weltweit rangierte Amsterdam 2007 mit 47,8 Millionen Passagieren auf Platz 13 - wurde 1967 gelegt. Damals wurde ein neuer Terminal-Komplex namens Schiphol Centrum eröffnet - gelegen inmitten eines tangentialen Pistensystems mit zunächst drei, dann vier und seit 2003 sogar fünf Start- und Landebahnen.

Und seither gilt das bis heute durchgehaltene Konzept, den Passagieren alles unter einem Dach anzubieten. Zwar ist Schiphol für viele ein Flughafen der langen Wege, aber: Es stehen heute an insgesamt acht Piers und in drei Abfertigungshallen 91 gebäudenahe Flugzeug-Positionen zur Verfügung; dazu kommen 105 Vorfeldpositionen.

Mit Rembrandt auf die Piste

Die Kapazität des Flughafens ist auf 60 Millionen Passagiere pro Jahr ausgelegt - damit hat Amsterdam-Schiphol noch Luft nach oben und ist zudem wegen des kleinen niederländischen Heimatmarktes in hohem Maße auf Transferpassagiere angewiesen; mehr als 260 Ziele werden weltweit angeflogen.

Wie groß die Abhängigkeit vom Transit ist, zeigt auch, dass 41 Prozent aller Passagiere in Schiphol lediglich umsteigen. Zu den Besonderheiten zählt auch der 1978 eröffnete Flughafenbahnhof, durch den der Airport zu einem bedeutenden intermodalen Verkehrszentrum geworden ist. Denn möglich wurde so die direkte Anbindung an den nationalen und internationalen Schienenfernverkehr. Inzwischen gibt es sechs Bahnsteige im unterirdischen Bahnhof, Ende 2008 sollen erstmals auch Hochgeschwindigkeitszüge halten.

Neben der aufmerksam ausgebauten Infrastruktur gibt es aber auch andere Gründe dafür, dass Schiphol von den Passagieren immer wieder zu einem der Top-Airports in Europa gewählt wird. Dazu gehört, weltweit einmalig, ein ernstzunehmendes und gerne besuchtes Kunstmuseum - in der Außenstelle des renommierten Rijksmuseums im Abflugbereich werden kostbare Originalgemälde holländischer Meister wie Rembrandt oder Jan Steen gezeigt.

"Das Museum hatte zu viele Bilder im Keller, die nie gezeigt werden konnten - da bot sich die Idee an", erklärt Marcel Lekkerkerk vom Amsterdamer Flughafenbetreiber Schiphol Group pragmatisch. Die Investition von 2,5 Millionen Euro teilten sich Flughafen und Museum - und die täglich 500 bis 700 Besucher sind begeistert.

Aber wie auf anderen Großflughäfen auch, gilt es, das Warten der Passagiere unmittelbar in klingende Münze umzusetzen, sie also mit verlockenden Einkaufsmöglichkeiten zu ködern. So sorgen in Amsterdam insgesamt 97 Geschäfte auf mehr als 12.000 Quadratmeter Fläche für jährlich mehr als 400 Millionen Euro Umsatz und bringen damit weit mehr in die Kasse als die eigentlichen Landegebühren.

Da kann sich Schiphol ein paar imagefördernde Extravaganzen locker leisten. An vielen Ecken sorgen pfiffige Kunstobjekte für ein Schmunzeln selbst bei gehetzten Fluggästen - das Spektrum reicht von überdimensionalen Holzschuhen aus Stein bis hin zu den Grachtenansichten hinter den Urinalen einer Herrentoilette.

Zerstreuung anderer Art bieten mehrere Filialen des Flughafen-Spielcasinos, teilweise mit Blick auf das Vorfeld, oder der Nachbau des Amsterdamer Kristallpalastes - einem typischen holländischen Grand Café aus dem späten 19. Jahrhundert mit hohen Decken, Kronleuchtern und Tiffany-Fenstern.

Handfeste technische Innovationen

Aber auch handfeste technische Innovationen erleichtern das Reisen via Amsterdam: Ende 2008 soll für niederländische Staatsbürger und Bürger der USA erstmals die automatisierte Aus- und Einreise bei Transatlantikflügen möglich sein. Das System arbeitet mit der Erkennung der Augeniris und baut auf der automatischen Grenzkontrolle namens Privium auf, die in Amsterdam seit sieben Jahren im Einsatz ist.

Mehr als 42000 Passagiere sind bereits im Besitz einer speziellen Chipkarte, auf der nach behördlicher Personenüberprüfung die Iris und weitere Daten abgespeichert werden.

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