Riverbus in Hamburg:Ich nehme heute mal den Fluss

Erst Straße, dann Elbe: Eine Tour durch Hamburg im ersten schwimmenden Bus Deutschlands.

Von Hannah Beitzer, Hamburg

Der Moment, auf den alle gewartet haben, klingt ungefähr so: Wwwwwusch - platsch! Mit diesem Geräusch fährt der Hafencity-Riverbus direkt von der Straße ins Wasser und tuckert danach die Norderelbe entlang: vorbei an Backsteingebäuden, Industrieanlagen, dem Altenwohnheim der Flussschiffergemeinde, kleinen Yachten und Motorbooten. Der Bus ist ein Amphibienfahrzeug - perfekt für eine Rundfahrt durch Hamburg. Denn die schönsten Sehenswürdigkeiten der Stadt liegen unter anderem, aber nicht ausschließlich auf dem Wasser. Eine Stadt- und eine Hafenrundfahrt in einem, das klingt verlockend.

Der Riverbus fährt seit Mitte April, er ist das erste Amphibienfahrzeug für Touristen in Deutschland. Hamburger sitzen darin, aber auch Besucher aus der Schweiz und Niedersachsen. An Land fühlt sich die Fahrt an wie in jedem beliebigen Linienbus. Das Fahrzeug hat blau gemusterte Sitze, einen Straßenmotor und sogar Halteknöpfe. "Sie werden sich totlachen - aber das brauchten wir für die Zulassung. Obwohl wir unterwegs gar nicht anhalten", erklärt Stadtführer Florian Gude, der sich als "Sabbelstrippe" der Mannschaft vorstellt.

Nur auf die Verteilung der Gäste im Bus achtet die Mannschaft schon beim Einsteigen. Alle auf einer Seite, das geht nicht. Denn sobald Busfahrer Hans Meisner am Elbpark Entenwerder über die Rampe fährt, wird aus ihm ein Kapitän. Das richtige Gleichgewicht ist dann wichtig. Auf keinen Fall dürfen die Passagiere während der Flussfahrt aufstehen, bittet Gude. Das traut sich ohnehin keiner, denn es ist schon aufregend genug, von der Straße direkt in einen Fluss zu fahren. Wie in einem dieser Filme, in denen der Held mit seinem Auto das Brückengeländer durchbricht.

Was fehlt, ist die frische Brise im Gesicht. Die Fenster bleiben während der Fahrt geschlossen

Einmal auf dem Wasser, schaukelt der Riverbus dann sehr sanft dahin, vom Seegang ist kaum etwas zu spüren. Er hat zwei Diesel-Schiffsantriebe. Eine Schiffsglocke baumelt über dem Kopf von Kapitän Hans. Sieben Knoten, also etwa 13 Stundenkilometer schnell tuckert das Amphibienfahrzeug vorwärts. "In sechs Tagen erreichen wir unseren nächsten Halt: die Elbstadt Magdeburg", scherzt Gude. Stimmt natürlich nicht, stattdessen dauert die Fahrt auf der Elbe etwa 20 Minuten. Was fehlt, ist die frische Brise im Gesicht, denn die Fenster müssen geschlossen bleiben.

Die Veranstalter müssen auf ihren Touren außerdem immer die Tide im Blick behalten, also die Gezeiten. Der Wasserstand der Elbe schwankt um 3,5 Meter, erklärt Gude. Das verlangt von den Passagieren Flexibilität, denn steht das Wasser zu niedrig, kommt der Bus nicht von der Rampe ins Wasser. Die heutige Tour zum Beispiel beginnt eine halbe Stunde früher als geplant. Ein älteres Ehepaar hätte deswegen beinahe die Abfahrt verpasst und reagiert ungehalten: "Woher sollen wir das wissen?" Die anderen Gäste haben via E-Mail oder Telefon Bescheid bekommen, doch die beiden hatten nur eine Festnetznummer hinterlassen. Auch die Route des Busses ist wegen Tide und Ostwind eine andere als sonst.

Normalerweise beginnt die Tour mit einer Fahrt durch Speicherstadt und Hafencity. Diesmal geht es vom Brooktorkai direkt in Richtung Billwerder Bucht. Der Arbeiterstadtteil Rothenburgsort, den der Bus dabei passiert, war früher geprägt von Gründerzeithäusern. Im Zweiten Weltkrieg wurde er zerbombt. Jetzt stehen dort unscheinbare Nachkriegsbauten. "Er ist noch heute eines der ärmsten Viertel Hamburgs. Das durchschnittliche Einkommen liegt bei 18 000 Euro im Jahr, in den reichsten Vierteln sind es 150 000", sagt Gude.

Interessant ist das für alle, die die Standard-Stadtrundfahrten in Hamburg schon kennen und mal andere Gegenden sehen wollen. Mit Sicherheit aber ist es nicht der Teil der Stadt, den Touristen zuerst ansteuern. Für die wird es nach der Fahrt auf der Elbe spannender, in der Speicherstadt und der Hafencity. Dort zeigt die Riverbus-Mannschaft den Gästen einige spektakuläre Bauprojekte. Zum Beispiel den Marco-Polo-Tower, eines der teuersten Wohnhäuser der Stadt. "Sieht aus wie ein Dönerspieß", kommentiert Gude die ungewöhnliche Architektur des Gebäudes. Und zum Abschluss gibt es noch einen schönen Panorama-Blick. Schon sind 80 Minuten Stadt-Land-Fluss-Fahrt vorbei.

War das jetzt ein angemessener Ersatz für eine herkömmliche Stadtrundfahrt und eine große Hafenrundfahrt? Auf Ersterer gibt es viel mehr Sehenswürdigkeiten, von der Reeperbahn übers Rathaus bis zur Alster. Auf Letzterer viel mehr Wind im Gesicht und den spektakulären Blick auf Containerschiffe. Der Riverbus ist vor allem wegen des Platsch-Moments spannend. Für das volle Hamburg-Erlebnis aber könnte die Tour ruhig ein wenig länger dauern.

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