Deutschland:Holz um die Hütte

Jurten, Hütten, Baumhäuser: Eine Jugendherberge im Bergischen Land geht neue Wege und holt die Welt ins regnerische Rheinland.

Von Peter Sich

Draußen prasselt der Regen, die Kinder backen trotzdem Stockbrot am Feuer. "Das Bergische Land ist schön - wenn bloß ein Dach drüber wär'!", heißt es. Feuchte Atlantikluft trifft hier auf die Hänge des Rheinischen Schiefergebirges - es regnet also viel im Bergischen, was einerseits sattes Grün, andererseits eine gewisse Wetterfestigkeit der Bewohner zur Folge hat, die manchmal auch dem Besucher abverlangt wird. Wenn es dann noch einen Platz gibt, an dem die Kinder im Trockenen gut aufgehoben sind - umso besser. In Panarbora sind die Feuerstellen überdacht.

Panarbora ist ein ambitioniertes Jugendherbergsprojekt, betrieben vom Deutschen Jugendherbergswerk (DJH). Schon der Name ist Programm: Panarbora setzt sich zusammen aus der griechischen Vorsilbe pan, allumfassend, und dem lateinischen arbor, Baum. Die Anlage liegt auf einer Anhöhe über dem oberbergischen Waldbröl auf dem Gelände einer ehemaligen Kaserne. Der Jugendherberge ist ein Naturerlebnispark angeschlossen. Auf dem Baumwipfelpfad mit seinen interaktiven Info-Stationen soll den Besuchern der Wald nähergebracht werden, daneben gibt es einen Kräutergarten, einen kleinen Spazierweg am Waldrand und einen Irrgarten aus Hecken, der allerdings noch wachsen muss, um Besucher vor Schwierigkeiten zu stellen. Auch die Jugendherberge sucht die Nähe zur Natur.

Panarbora

Südamerika liegt im Bergischen Land: Herzstück des Parks ist der Baumwipfelpfad, von dem aus Besucher in den Westerwald blicken können.

(Foto: Dominik Ketz)

Ein Großteil der 170 Betten findet sich in drei "globalen Dörfern", offen gestalteten Gruppenunterkünften mit Ethno-Charakter, die den Wohnstilen verschiedener Kulturen nachempfunden sind. Das afrikanische Dorf wirkt wie eine Lehmfestung. Besonders schön sind die Zelte im Jurten-Camp - Originale aus der Mongolei. Seit Kurzem nun gibt es in Panarbora eine weitere Attraktion: Baumhäuser, in denen man übernachten kann.

Jugendherbergen, das ist bekannt, können heute nicht mehr mit Hagebuttentee-Charme überleben - sie müssen sich etwas einfallen lassen. Viele der DJH-Häuser im Rheinland gehen deshalb längst neue Wege: In Duisburg ist eine Sportlerunterkunft entstanden, in Hellenthal in der Eifel bietet die Jugendherberge Erlebnispädagogik im hauseigenen Hochseilgarten. "Der Charakter der Jugendherbergen verändert sich", sagt Friedhelm Kamps, Geschäftsführer des DJH-Landesverbandes Rheinland. Wichtig sei aber nach wie vor, dass man Orte schaffe, an denen Gemeinschaft erlebt werden könne. Gerade für Gruppen ist Panarbora optimal, nicht zuletzt wegen des Konzepts der "globalen Dörfer". Christiane Kaiser, die mit einer Familiengruppe der Kölner Sektion des Deutschen Alpenvereins ins Bergische Land gereist ist, hat es nach "Südamerika" verschlagen - in einen Garten mit Wasserlauf am Rande des Panarbora-Geländes. Hier schläft man in Holzhütten, die auf Stelzen stehen und mit Wellblech gedeckt sind. Könnte irgendwo am Amazonas sein. Oder auch eine Favela.

Christiane Kaiser wusste allerdings lange nicht, ob die Fahrt tatsächlich zustande kommt. Es lief nicht alles glatt in der Planung und beim Bau von Panarbora. Nach dem ersten Spatenstich im März 2013 geschah erst mal eine ganze Weile nichts, außer, dass die Kosten in die Höhe schossen. Bei der Eröffnung von Park und Jugendherberge war vieles noch nicht fertig. Als Unterkunft stand zunächst nur das Gästehaus im alten Kasernengebäude zur Verfügung. Und noch immer merkt man, dass Panarbora ein Organismus ist, der noch wächst. Viele der Wege sind erst Schotterpisten. Und bis die neu gepflanzten Bäume und Kräuter wuchern, wird Zeit vergehen.

Deutschland: Durch das Hüttendorf im Ethno-Stil führt ein Wasserlauf, was vor allem kleine Kinder freut.

Durch das Hüttendorf im Ethno-Stil führt ein Wasserlauf, was vor allem kleine Kinder freut.

(Foto: Peter Sich)

Trotzdem sind die Baumhäuser bereits jetzt, kurz nach der Fertigstellung, für den Rest des Jahres ausgebucht. Allerdings ist der Begriff Baumhäuser offenbar recht dehnbar: Die hölzernen Hütten sind nicht hoch oben im Geäst, sie stehen auf einem Geflecht aus Stelzen. Bei Wind schaukelt das Haus leicht. Es gibt drei geräumige Häuser für sechs und zwei für vier Personen, mit eigenem Bad. In den beiden Zwei-Personen-Baumhäusern sind die Verhältnisse eher beengt, der Weg zum Badezimmer führt über einige Planken unter freiem Himmel. Der Zugang ist ebenerdig, durch die Hanglage befinden sich die Hütten dennoch in einigen Metern Höhe. Liegt man im Stockbett und blickt aus dem Fenster, sieht man in die mittleren Lagen der Bäume, die draußen wachsen.

Die Anlage wurde im Herbst vergangenen Jahres eröffnet. Seitdem kamen 70 000 Tagesbesucher. An einem Samstagvormittag im Juni füllen sich schnell die Parkplätze, im Eingangsbereich wuseln die Menschen. Im rheinischen Singsang ruft ein älterer Herr seine Karnevalsgesellschaft zur Ordnung, im Restaurantbereich haben sich die Teilnehmer eines Junggesellenabschieds zum Bier aufgereiht. Junge Väter in Funktionskleidung und Frauen mit geländegängigen Bollerwagen strömen zum Baumwipfelpfad, dem Herzstück des Parks.

Waldbröl

SZ-Karte

Der Baumwipfelpfad schraubt sich direkt hinter dem Empfangsgebäude in die Luft. Es gibt einen Aussichtsturm, einen hölzernen Koloss, der den Gästen einen weiten Blick über Felder, Hügel und Wälder ermöglicht. Steht man auf der Aussichtsplattform des Turms in 34 Meter Höhe, sieht man in den Westerwald, über die Sieg hinweg, den Fluss, der die südliche Grenze des Bergischen Landes markiert. In der anderen Richtung meint man das 50 Kilometer entfernte Köln zu erahnen.

Die Holzplanken führen durch einen Wald, der wie ein Urwald wirkt. Doch das Bergische Land ist eine über Jahrhunderte gewachsene Kulturlandschaft. Die vielen Bäche und Flüsse begünstigten früh die Ansiedlung vorindustrieller Metallbetriebe. Noch heute ist Solingen, einst Sitz der Grafen von Berg, für seine Messer berühmt. Schnell zog die Forstwirtschaft nach. Eisen braucht Feuer, Feuer braucht Holz. Erst als die Stahlindustrie auf Kohle umstieg und ins Ruhrgebiet abwanderte, kamen die bergischen Wälder zur Ruhe.

Reise-Informationen

Anreise: Mit der Bahn von Köln bis Schladern (Sieg), von dort fahren Busse; Panarbora in Waldbröl verfügt über eine eigene Haltestelle. Die nächstgelegene Autobahnausfahrt ist Bergneustadt/Waldbröl an der A4; von Süden nimmt man die A 3, ab AK Bonn/Siegburg die A 560 bis Hennef-Ost, ab da fährt man über Land.

Übernachtung: Die Preise variieren. Bis 6. November kostet ein Baumhaus ab 180 Euro (für zwei Personen), eine Hütte/Jurte in den "globalen Dörfern" ab 140 Euro (für zwei Personen), eine Nacht im Gästehaus 35 Euro pro Person; hinzu kommen Frühstück (4,50 Euro) bzw. Halbpension (10,50 Euro). Übernachten können nur DJH-Mitglieder, den Park besuchen können alle. Für ein Tagesticket dort zahlen Familien 24,90 Euro; www.panarbora.de

Panarbora passt perfekt in diese Landschaft. Und der Wald ist etwas Besonderes. Die Eichen und Buchen, die sich hier in die Höhe recken, wirken grazil. Das liegt daran, dass das Gebiet lange als sogenannter Niederwald bewirtschaftet wurde - die Bäume werden dabei alle 15 bis 20 Jahre "auf den Stock gesetzt" und knapp über dem Boden abgeschnitten. Für die Bäume war der Einschlag eine Verjüngungskur: Ein bis zwei Jahre später schlugen sie "aus dem Stock" aus. Das Ergebnis sind lichte, krautige Wälder und eben jene schlanken Bäume, die hier stehen. Der Mensch hat die Natur hier also schon lange geprägt. In ein paar Jahren wird auch Panarbora das alte Militärgelände überwuchert haben.

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