Deutsche Bahn:Das haben Reisende vom neuen ICE 4

Die Deutsche Bahn präsentiert ihren neuen Zug, der für den "Fernverkehr der Zukunft" stehen soll. Was ist dran an den versprochenen Verbesserungen? Unser Autor ist schon mal eingestiegen.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Ein alter Eisenbahnerspott geht so: Die Bahn hat wie einst der Sozialismus in der DDR vier große Feinde - Frühjahr, Sommer, Herbst und Winter. Dafür stand zuletzt vor allem der ICE 3, bei dessen Einführung sich die Pannen häuften. Mal funktionierten die Toiletten nicht, mal streikte die Klimaanlage, mal brach sogar die Radsatzwelle. Nun aber bekommt die ICE-Familie Zuwachs. An diesem Mittwochnachmittag stellt die Bahn den neuen ICE 4 vor. Er soll "das Rückgrat des neuen Fernverkehrs der Zukunft" werden, sagt Verkehrs- und Transportvorstand Berthold Huber.

Ende 2017 werden die ersten der neuen Hochgeschwindigkeitszüge fahren. 130 ICE 4 sollen der Generalunternehmer Siemens und sein Hauptlieferant Bombardier bis 2023 ausliefern. 5,3 Milliarden Euro lässt sich die Bahn die neue Zuggeneration zunächst kosten, die auf bis zu 300 Züge aufgestockt werden kann. Noch nie hat es einen so großen Auftrag in der Geschichte des deutschen Personenverkehrs gegeben.

Doch was haben die Bahnreisenden davon? Birgit Bohle, Fernverkehrschefin bei der Bahn, verspricht schon jetzt: "Der Zug ist elegant und komfortabel. Die Kunden werden begeistert sein." Tatsächlich haben sich die Ingenieure des neuen ICE einiges einfallen lassen, um mehr Menschen in die Züge zu locken - hier der Faktencheck.

Viele Sitzplätze

Für die Bahn ist der ICE 4 ein "Nutzflächenchampion", weil er in seiner längeren Variante als Zwölfspänner 830 Sitzplätze bietet. Die Wagen sind länger, im Inneren gibt es weniger Schränke für Steuerungssysteme. Deshalb ist die hohe Zahl an Sitzplätzen möglich, obwohl nun in jedem Wagen der zweiten Klasse vier zusätzliche Regale viel Stauraum für Gepäck bieten - auch auf dem Fußboden und in Sichtweite zum Sitzplatz.

Besserer Sitzkomfort

Am Platz für die Beine ändert sich nichts. Die ergonomischen Sitze haben aber einen entscheidenden Vorteil: Wenn die Rückenlehne gekippt wird, stört das den hinteren Nachbarn nicht mehr. Denn die Lehne schiebt sich beim Verstellen in eine feste Sitzschale.

Neuer Komfort in der 1. Klasse

Auch hier gibt es die neuen Regale für Gepäck - aber nur zwei pro Wagen. Dafür hat jeder der Sitze mit Echtlederbezug eine Leselampe und eine Steckdose.

Mehr Platz für Familien und Fahrräder

Es wird künftig in den neuen Zügen neben den Kleinkindabteilen ausgewiesene Bereiche für Familien in den Großraumwagen und dort mehr Platz für Gepäck wie Kinderwagen geben. Außerdem bietet die Bahn erstmals in dem neuen ICE acht Plätze für Fahrräder an. Diese sind reservierungspflichtig, der Sitzplatz ist direkt im angrenzenden Abteil. Der Radstellplatz kostet so viel wie im IC oder Eurocity: neun Euro (mit BahnCard sechs Euro).

Bessere Ausstattung für Rollstuhlfahrer

Der ICE 4 verfügt über einen Hublift, den Rollstuhlfahrer über einen Taster außen anfordern können. Im Zug gelangen sie dann gleich in einen Wagen mit breiterem Gang, so dass sie den Rollstuhl wenden können. Ihr Stellplatz hat einen höhenverstellbaren Tisch. Auch im Bistro gibt es künftig einen Extra-Tisch für Rollstuhlfahrer.

Der neue Speisewagen

Neu im Bistro ist die gläserne geschwungene Glasvitrine, in der die Bahn etwa Croissants oder Brote zum Mitnehmen präsentiert. Das Restaurant wirkt durch hellere Holztöne freundlicher. Es gibt dort jetzt auf Wunsch der Kunden fünf Kleiderhaken. In den Zügen will die Bahn auch testen, wie neue Gerichte ankommen. Wer gerne die Landschaft neben sich vorbeiziehen lässt, kann sich freuen. Die Fenster im ICE 4 sind größer geworden.

Mildes Diodenlicht

Wo auch immer die Fahrgäste sitzen, Lichtfarbe und -intensität passen sich, mal blau, mal rötlich, der Tageszeit an.

Klimaanlage mit zwei Kreisläufen

Künftig sollen zwei Kühlkreisläufe Kaltluft produzieren. Wenn einer ausfällt, soll die Anlage weiterlaufen Die Klimaanlage ist jetzt auf bis zu plus 45 Grad Celsius ausgelegt und damit deutlich leistungsfähiger als die Vorgängermodelle.

Langsamer, aber trotzdem besser

Bis zu 250 Kilometer pro Stunde

Der ICE 3 kann mehr als 300 km/h schnell fahren. Beim ICE 4 ist bei der Marke 250 Schluss, weil die 300 wegen der vielen Haltestellen in Deutschland und der vielen Mittelgebirge ohnehin nur selten zu erreichen sind. Dafür beschleunigt der neue Zug schneller, und es ruckelt weniger. "300 zu fahren, das bringt nicht mehr. Das ist Energieverschwendung", sagt Lokführer Markus Paetow im Führerstand bei der Pressevorstellung des Zuges. So ist der Energieverbrauch beim leichteren ICE 4 im Vergleich zum ICE 1 je Sitzplatz um mehr als 20 Prozent geringer.

Klarere Orientierungshilfen

Die Platz- und Reservierungsanzeigen sind beim ICE 4 an den Kopfstützen der Gangplätze zu finden. Neue Piktogramme und Banderolen weisen spezielle Sitzbereiche aus. Der grüne Knopf zum Öffnen der Tür wurde vergrößert.

Besser telefonieren und surfen

Die Bahn will ihre Kunden im ICE 4 besser informieren und unterhalten. Auf sechs Displays im Wagen sehen die Reisenden zudem, ob sich ein Anschlusszug beim nächsten Halt verspätet. Das Telefonieren und Surfen im Internet soll wie in den anderen ICE auch deutlich besser klappen. Auf dem "ICE Portal" können sich Fahrgäste Serien und Blockbuster anschauen.

Erteilt das Eisenbahnbundesamt wie geplant bald die Zulassung, werden die ersten ICE 4 im Herbst auf Probe fahren - auch mit Fahrgästen an Bord. Zum Fahrplanwechsel im Dezember 2017 gehen die ersten Züge dann in den Regelbetrieb, etwa auf der Strecke Hamburg-Berlin-München.

Der neue Zug soll helfen, den Fernverkehr voranzubringen. Schließlich will die Bahn bis 2030 mehr Metropolen und Städte "öfter, schneller, direkter und komfortabler" miteinander verbinden und so ihr Angebot um 25 Prozent ausweiten. Der ICE 4 soll dabei eine "Schlüsselfunktion" haben.

Auch deshalb hat die Bahn bei der Entwicklung des neuen Zugs die Kunden von Anfang an einbezogen. Einst bezeichnete die Bahnindustrie ihre Züge als "grüne Bananen" - also Produkte, die beim Kunden reifen. Das soll diesmal nicht mehr passieren.

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