Das Phänomen St. Moritz:Dorf mit Champagner-Klima

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St. Moritz in der Schweiz gilt als der attraktivste Ferienort in den Alpen. Jetzt kopieren ihn sogar die Chinesen.

Ingeborg Pils

Hotspot der Reichen und Schönen, Traumziel von Millionen, Inbegriff von Luxus, süßem Nichtstun und sportlichen Aktivitäten der Extraklasse. Kein anderer Ferienort in den Alpen ist so attraktiv wie St. Moritz. Der zweimalige Austragungsort der Olympischen Winterspiele sowie von vier Ski-Weltmeisterschaften ist mit 350 Pistenkilometern das berühmteste Skizentrum der Alpen.

Alpenpanorama, der St. Moritzer See und der Ort voller Luxusherbergen - St. Moritz ist der Hotspot der Reichen (Foto: Foto: Kurverein St. Moritz)

Nach einer aktuellen Studie der BAK Basel Economics steht das Dorf mit dem Champagner-Klima an der Alpensüdseite im Kanton Graubünden inzwischen auch im Sommer bei Touristen klar an der Spitze aller alpinen Destinationen.

Für Thomas Mann war das Urlaubsparadies in einem abgelegenen Hochtal an der Engadiner Seenkette, umragt von einer imposanten Bergkulisse, der "schönste Aufenthalt der Welt". Viele Deutsche schlossen sich in den vergangenen Jahrzehnten seiner Meinung an.

Der Industrielle, Photograph und Medienliebling Gunter Sachs gründete hier Anfang der Siebzigerjahre den Dracula-Club und stürzte sich mit seinen waghalsigen Freunden im Winter auf schmalen Kufen, Kopf voran, zehn Zentimeter über dem Eis die Crestabahn Richtung Celerina hinunter. Deutsche Gäste, mit und ohne Wagemut, sind mit rund 20 Prozent der gebuchten Hotel-Logiernächte nach wie vor die zweitstärkste Gäste-Nation in St. Moritz - nach den Schweizern.

Top of the World

"Wer in St. Moritz ist, darf sich als jemand fühlen - das sind psychologische Streicheleinheiten fürs Ego", weiß Kurdirektor Hanspeter Danuser, der seit rund 30 Jahren an der Spitze des Kur-und Verkehrsvereins steht. Und so kommen alle Jahre wieder alle wieder in den mit durchschnittlich 322 Sonnentagen im Jahr auch von der Natur verwöhnten kleinen Ort. Roger Moore und Willy Bogner zählen zu den Stammgästen, Gucci, Pucci, Prada, Burda und Berlusconi - wer es an die Spitze geschafft hat, trifft sich in St. Moritz zum Winterpolo auf dem vereisten St. Moritzersee, zur Gourmetwoche oder zum Wintergolf.

"St. Moritz boomt selbst dann, wenn die halbe Weltwirtschaft hustet", erkannte der Tagesspiegel. Mit 5500 Einwohnern setzt St. Moritz jährlich rund 350 Millionen Euro um, mit der Marke St. Moritz, eine der wertvollsten touristischen Brands, weitere 500 Millionen Euro.

Vor gut 20 Jahren haben sich die cleveren Eidgenossen den Ortsnamen als Marke registrieren und gesetzlich schützen lassen. Es war der erste geografische Begriff, der per se geschützt wurde - ein Novum, das es bis auf die Titelseiten des Wall Street Journal und der Financial Times schaffte. "Top of the World" - die Marke St. Moritz ist heute in über 50 Ländern für bis zu 15 Warenklassen eingetragen und primär für Produkte des Luxussektors reserviert.

Die Rechte gehören dem lokalen Kur-und Verkehrsverein, der sie mit Schweizer Gründlichkeit und Geschäftssinn hegt und pflegt. "Die Erfahrung der Konsum- und Investitionsgüterindustrie zeigt, dass die Qualität der Produkt- und Firmennamen immer wichtiger wird, oft gar entscheidender ist als die Angebote selbst. Je globaler die Welt wird, umso wichtiger wird das Echte. Wir zelebrieren unsere Tradition - und Weltbürger fragen sie nach, wenn sie das Beste wollen." So einfach ist das für Hanspeter Danuser.

"Heutige Gäste sind viel reiseerfahrener als vor einigen Jahren. Sie wissen viel besser, was sie von einem Ferienort verlangen können." Fabrizio D'Aloisio, Director of Public Relations in St. Moritz, sieht gelassen in die Zukunft. "Der Luxusmarkt wächst überproportional, die Ansprüche der Gäste wachsen also tendenziell."

Diesen Trend hat auch die Hotellerie in St. Moritz erkannt. Im Dezember 2007 wird das Fünf-Sterne-Luxushotel "Carlton", einst von Zar Nikolaj II. als Sommerresidenz geplant, nach einer umfangreichen Renovierung wieder geöffnet. Für 65 Millionen Schweizer Franken Umbaukosten ist hier das erste reine Suiten-Hotel der Alpen entstanden.

"Wir wollten das Haus gänzlich neu positionieren, den Komfort für die Gäste in dieser eleganten Feriendestination erhöhen und eine Nische im St. Moritzer Luxushotelmarkt besetzen." So begründet Ina Bauspiess, PR-Repräsentantin der Tschuggen-Hotelgruppe, den Umbau. Die Zarensuite im Carlton Hotel kostet über Weihachten 7.500 Schweizer Franken pro Nacht, Frühstück inklusiv.

Wo Geld ist, ist St. Moritz nicht weit. In der südchinesischen Stadt Shenzhen entsteht derzeit für rund 5500 Einwohner "St. Moritz Garden", ein Luxus-Retorten-Dorf für Chinesen der oberen Einkommensklassen. Die ersten Apartments sind Anfang 2008 bezugsfertig.

Umgeben von einem Naherholungsgebiet mit Hügeln und Wanderwegen sollen sich die Dorfbewohner ganz wie in der Schweiz fühlen. Neben Businesscenter, Restaurants, Ballet- und Klavierschule findet man in St. Moritz Garden auch eine "Switzerland Hall". Geschmückt mit Bildern von St. Moritz und eingerichtet mit Gegenständen aus der Schweiz, soll sie den Chinesen die Lebensart und Kultur der Schweiz näher bringen. Hanspeter Danuser hat es längst erkannt: "Wir erzeugen Träume - davon leben wir".

© SZ-Wohfühlen 21.11.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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