Chaos im Flugverkehr:"An den Nordpol - und nicht mehr zurück"

Schiff und Zug statt Flug: Ihre Reisen unter der Aschewolke wurden auch für Mitarbeiter von sueddeutsche.de zur Odyssee.

B. Lutz-Temsch, J. Aumüller und H.J. Jakobs

Birgit Lutz-Temsch, Redakteurin, wollte an den Nordpol und eigentlich auch wieder zurück.

"Das ist ein falscher Film, denke ich mir, ein ganz falscher, als ich am Donnerstagmorgen aus dem Hubschrauber auf der russischen Drifteisstation Barneo steige. Hinter mir liegt eine Expedition zum Nordpol, zwei Wochen lang mit Skiern über den letzten Breitengrad, unter denkbar schwierigen Bedingungen, mit Stürmen bei 30 Grad Minus und extremer Gegendrift. Als einziges Team haben wir es bis zum Pol geschafft, dort liegen wir dann zweieinhalb Tage im Schneesturm im Zelt und warten auf einen Helikopter, bis uns sogar das Essen langsam ausgeht. In der Station Barneo werden wir mit den Worten empfangen: 'Gratulation - ihr habt es an den Pol geschafft, ihr habt die Drift überwunden, die ganzen Stürme und die Kälte - jetzt wartet ein Vulkan auf euch!'

Jetzt also ein Vulkan. Vom 89. Breitengrad, wo die Station steht, bis nach Spitzbergen geht es noch einfach, so weit hinauf ist die Asche nicht gezogen: Die Eislandebahn Barneos ist zur Zeit wohl der am besten funktionierende Flughafen der Welt.

In Spitzbergen dann sind alle Flüge gestrichen, am Samstag hebt nur eine Maschine ab, aber die Flughafenangestellten sagen: Sie können an Bord gehen, aber wir wissen nicht, wohin wir fliegen. Das machen wir lieber nicht.

Am Montag schaffen wir es in den einzigen abgehenden Flieger nach Tromsø. Nun sind wir auf dem Festland, aber es gibt hier keinen Zug, kein einziges Mietauto mehr und die Busse sind mit unserem sperrigen und schweren Expeditionsgepäck keine Option.

Wir könnten also warten, irgendwann vielleicht nach Oslo fliegen, aber dort wäre die Reise wiederum zu Ende, denn die Fähren nach Deutschland sind bis Donnerstag voll, es gibt keine Mietautos, und die Flughäfen in Deutschland sind dicht ...

Im Hafen von Tromsø aber liegt ein Hurtigruten-Schiff. Die Kabinen der Nordkapp sind alle voll, aber es gibt Plätze an Deck. Kurzentschlossen springen wir an Bord. Jetzt kommt uns unser Riesengepäck zunutze, denn in der Expeditionsausrüstung sind unter anderem zwei Schlafsäcke, Isomatten und eine neu erstandene Wolldecke mit Eisbärmuster. Auf dem Panoramadeck ergibt das ein wunderbares Lager.

Auf diese Weise hoffen wir, mehrere Möglichkeiten offenzuhaben: Sollten bald wieder Flüge gehen, steigen wir in Bodø oder Trondheim aus und fliegen oder fahren nach Oslo. Sollten weiterhin keine Flüge gehen, fahren wir bis Bergen, dort wären wir am Donnerstag, und von dort aus könnten wir dann eine Fähre nach Dänemark nehmen und mit dem Zug nach München fahren. Außerdem vermeiden wir es so, täglich unser schweres Gepäck vergeblich an den Flughafen zu karren und stundenlang auf einen Flug zu hoffen.

Aus Norwegen allerdings gibt es keine Horrorgeschichten von teuren Hotelzimmern und Krisengewinnlern, im Gegenteil: In Longyearbyen auf Spitzbergen übernimmt die Fluggesellschaft SAS alle Kosten für Übernachtungen und lässt alle Gestrandeten in den SAS-Hotels kostenlos essen. In Tromsö wartet am Flughafen schon ein Bus, der alle in ein Radisson SAS Hotel bringt, wo man wiederum auf Kosten von SAS übernachten darf, die Organisation und Information ist hervorragend. Und SAS hat vor, das so lange weiterzumachen, bis die Flieger wieder fliegen. Die Angestellten sind ausnahmslos entspannt und freundlich, sie bemühen sich außerordentlich, für jeden Einzelnen passende Lösungen zu finden.

In einer Vulkanaschenwolke ist es wohl am besten, man strandet an kleinen Orten mit kleinen Flughäfen. Die Hilfsbereitschaft der Norweger ist phantastisch.

Als ich das letzte Mal vom Pol zurückreiste, dauerte es bis München keinen ganzen Tag. Diesmal wird die Distanz wieder deutlicher. Aber bis ich zu Hause bin, wird sich niemand mehr für die Expedition interessieren - sondern nur noch für den Heimweg. Und der ist, bei allen Ungewöhnlichkeiten, dagegen eine wirklich leichte Übung!"

Johannes Aumüller wollte von Teheran nach München reisen - und landete ganz woanders ...

Auf welchen Wegen sind Sie wieder nach Hause oder an Ihr Ziel gekommen? Schreiben Sie es hier auf!

Rauswurf aus Istanbul

Johannes Aumüller, Sportmitarbeiter, wollte mit seiner Frau und dem elf Monate alten Sohn von Iran heimkehren nach München.

"Am Freitagmorgen flogen wir wie geplant von Teheran nach Istanbul. Doch unser Anschlussflug nach München war wohl einer der ersten, die gestrichen wurden. Leider haben Turkish Airlines zumindest bei uns nicht sonderlich gut reagiert und keine Alternativen für uns gesucht. Außerdem haben Mitarbeiter behauptet, der Flughafen München sei bereits dicht - dabei war der noch bis 20 Uhr am Abend offen.

Also mussten wir zwei Tage in Istanbul bleiben, das Hotel war in Ordnung, bezahlt hat es Turkish Airlines. In der Zeit haben wir das ganze Touristen-Programm absolviert: Blaue Moschee, der Basar - schön. Eher ungalant war allerdings, als Turkish Airlines wohl die Höhe der Hotelkosten für alle gestrandeten Passagiere bewusst wurde und sie uns vor die Wahl stellten, entweder zu bleiben und das Zimmer selbst zu zahlen, oder am Sonntag um vier Uhr morgens aufzustehen, um eine Dreiviertelstunde später den Shuttlebus zum Flughafen zu erwischen.

Wir nahmen den Bus zum Flughafen, obwohl das für eine Familie mit Kleinkind keine Freude ist. Von Istanbul aus konnten wir nach Rom fliegen. Dort wollten wir einen Leihwagen nach München mieten, doch wir bekamen keinen.

Dann hatten wir Glück: Ich denke, weil wir mit unserem elf Monate alten Sohn reisten, erhielten wir gerade noch so am Sonntagabend ein Zugticket nach Bozen - denn eigentlich waren die Züge für die nächsten zwei bis drei Tage dicht.

So fuhren wir nachts nach Südtirol und konnten von dort aus in die Bahn nach München steigen. Zum Glück hat unser Sohn diese Odyssee recht geduldig mitgemacht."

Hans-Jürgen Jakobs bleibt länger als gedacht in New York - und staunt über den Geschäftssinn mancher Hoteliers ...

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Hans-Jürgen Jakobs, Chefredakteur von sueddeutsche.de, ist in New York gestrandet.

"Ich bin zum Glück nicht zum Flughafen gefahren, da ich auf der Homepage der Lufthansa gelesen hatte, dass man dies unbedingt sein lassen sollte. Das war aber auch das Einzige, was ich von der Lufthansa erfahren habe - telefonisch ist weder die amerikanische noch die deutsche Hotline erreichbar. Der einzige Unterschied ist, dass man bei der US-Hotline keine Warteschleifen-Musik hört. Irgendwann gibt man auf, bei der Lufthansa anzurufen. Man muss ruhig bleiben, es hilft nichts, panisch zu werden.

Den Urlaub muss ich nun auf eigene Kosten verlängern, erst einmal bis Mittwoch - dann ist die Luft hoffentlich wieder rein. Das Prinzip Angebot und Nachfrage haben die New Yorker Hoteliers offenbar verinnerlicht. Eigentlich wollte ich in einem Guest House in Greenwich Village absteigen. Doch dort hat man sofort auf die Aschewolke reagiert und die Preise von mehr als 200 Dollar auf über 400 Dollar pro Nacht verdoppelt.

Zum Glück ist das Hotelangebot in New York ja sehr groß, in den Hotelriesen sind immer noch einige Zimmer frei, nun bin ich am Battery Park an der Südspitze von Manhattan untergekommen.

Wegen der Aschewolke lerne ich die Seiten New Yorks kennen, für die ich bisher keine Zeit hatte - die Hauptattraktionen hat man schließlich irgendwann durch. Nun sehe ich mir Brooklyn, Harlem und Long Island an."

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