Chaos im Berliner Nahverkehr:Stromausfall bremst S-Bahnen aus

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Stillstand auf den Schienen: Ein Stromausfall hat in Berlin vorübergehend das komplette S-Bahn-Netz zum Zusammenbruch gebracht. Noch immer kommt es zu massiven Verspätungen, weil Passagiere auf den Gleisen unterwegs sind. Sie hatten sich zuvor per Nothebel aus den liegengebliebenen Zügen befreit.

Züge blieben in Tunneln stehen, Tausende Fahrgäste saßen fest: Ein Stromausfall in einem Stellwerk hat zeitweise das komplette Berliner S-Bahn-Netz zusammenbrechen lassen. Auch Fernzüge wie einige ICE und Intercitys waren von den Störungen betroffen, die bis auf den Osten fast das gesamte Stadtgebiet erfassten, sagte ein Sprecher der Bahn.

Etwa eine Dreiviertelstunde nach dem Ausfall um 11:45 Uhr setzten sich die Fern- und Regionalzüge wieder in Bewegung, es gab aber bis in den Nachmittag hinein Verspätungen. Die ersten S-Bahn-Züge fuhren erst nach zwei Stunden wieder.

Laut Bundespolizei mussten einige S-Bahn-Züge noch einmal anhalten, weil Fahrgäste sich per Nothebel befreit und den lebensgefährlichen Gang über die Gleise angetreten hatten - daneben verlaufen auf Kniehöhe Stromschienen.

Ursache des Ausfalls war vermutlich ein Kurzschluss bei Bauarbeiten auf dem Gelände des Stellwerks Halensee im Westen der Hauptstadt, wie Bundespolizeisprecher Meik Gauer sagte. Die Anlage steuert den größten Teil des Berliner S-Bahn-Verkehrs. "Wir haben keine Hinweise auf einen Anschlag", sagte Gauer. Im Frühjahr hatte ein Brandanschlag am Ostkreuz die Züge aus den Takt gebracht.

Im Osten Berlins fuhren am Donnerstag die S-Bahnen der Linien S3, S5, S7 und S75. Sie endeten aber vorläufig an den Bahnhöfen Ostkreuz oder Warschauer Straße, wie ein Sprecher am frühen Nachmittag mitteilte. Die landeseigenen Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), die U-Bahnen, Trams und Busse unabhängig von der S-Bahn betreiben, müssen den Ausfall ausgleichen und setzten längere Züge ein.

"Wir fahren praktisch jetzt schon auf Berufsverkehr hoch", sagte BVG-Sprecherin Petra Reetz am Mittag. Dann seien 1250 Busse, 1000 U-Bahnwagen und 450-Straßenbahnwagen unterwegs. Üblicherweise falle das Angebot am Mittag 15 bis 20 Prozent geringer aus. Die BVG befördert täglich 2,5 Millionen Fahrgäste, die S-Bahn etwa halb so viele.

Der Senat machte umgehend Druck auf die Bahn-Tochter S-Bahn. "Ich hoffe, dass die S-Bahn ihr technisches Problem heute noch und so schnell wie möglich in den Griff bekommt", teilte Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) mit. "Dass die gesamten Züge der S-Bahn durch einen einzigen Stellwerkdefekt ausfallen, ist kaum vorstellbar." Die SPD-Fraktion ging sogar noch weiter: "Dieser Zusammenbruch des S-Bahn-Verkehrs ist ein Beleg dafür ist, dass die Bahn mit dem Betrieb der S-Bahn in der Hauptstadt überfordert ist."

Spöttische Kommentare im Internet

Die Berliner S-Bahn-Kunden sind leidgeprüft. Seit zweieinhalb Jahren schafft das Unternehmen nach Wartungsmängeln, Technikproblemen und Missmanagement keinen Normalbetrieb mehr. Die Reaktionen der Fahrgäste schwankten zwischen Empörung und Gleichmut.

"Ich werd' irre!", schimpfte ein Passagier am Potsdamer Platz. Eine ältere Dame sagte: "Ein Stromausfall kann ja immer passieren." Auch im Internet wurde die neuerliche Panne kommentiert: "Die sieben kleinen Feinde der Bahn: Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag, Samstag, Sonntag", twitterte ein Nutzer des Kurznachrichtendienstes spöttisch. Ein anderer User schrieb: "Der Zugverkehr der S-Bahn Berlin ist wie ein Adventskalender: jeden Tag ist eine andere Störung hinter dem Türchen." Es gab jedoch auch Lob für einzelne Bahn-Mitarbeiter: "Beifall und Dank für den Fahrer in Schöneberg. Er beruhigt und informiert immer. Unser Held des Tages."

Im Stellwerk Halensee befindet sich die Betriebszentrale der S-Bahn, in der alle elektronischen Stellwerke der Metropole gebündelt werden. Es gibt aber auch noch einige alte mechanische Stellwerke, vor allem in Außenbezirken. Dass auch der Regional- und Fernverkehr gestört war, konnte ein S-Bahn-Sprecher nicht erklären. Die S-Bahn fährt auf einem eigenen Schienennetz, getrennt vom übrigen Bahnverkehr.

© sueddeutsche.de/dpa/Reuters/dapd/AFP/jobr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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