Bildband "The Gathering of the Juggalos":Familientreffen der Ausgestoßenen

Hip-Hop, Tätowierpistolen und Clownsgesichter: Daniel Cronin porträtiert die jährliche Pilgerreise jugendlicher Randexistenzen zu einem Musikfestival. Dabei hält er verblüffend zärtliche und intime Momente fest.

Von Jochen Temsch

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Daniel Cronin The Gathering of the Juggalos Bildband

Quelle: Daniel Cronin/Prestel

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Hip-Hop, Tätowierpistolen und Clownsgesichter: Daniel Cronin porträtiert die jährliche Pilgerreise jugendlicher Randexistenzen zu einem Musikfestival. Dabei hält er verblüffend zärtliche und intime Momente fest. Von Jochen Temsch

Dieser Bildband handelt gleich auf zweifache Weise vom Reisen. Zum einen, weil er das Ergebnis einer großen Fahrt des Fotografen Daniel Cronin ist, der über mehrere Jahre hartnäckig sein Projekt verfolgte, eine Gruppe junger Menschen zu porträtieren, die nicht nur niemand haben will, sondern die es nach offizieller Leseart eigentlich gar nicht geben darf: die arbeits- und obdachlosen Jugendlichen, die traumatisierten Kinder verarmter Familien, die Unverstandenen, Verlierer und Geschlagenen - alle, die im unsichtbaren Kastensystem der amerikanischen Gesellschaft nach unten gerutscht sind und sich selbst als Randexistenzen definieren.

Daniel Cronin Bildband The Gathering of the Juggalos

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Vor allem aber dokumentiert Cronins Band "The Gathering of the Juggalos" die Reise dieser Jugendlichen selbst. Jedes Jahr treffen sich Tausende von ihnen auf einem Festival des Rap-Duos Insane Clown Posse. Die beiden Protagonisten Violent J und Shaggy 2 Dope stammen ebenfalls aus heruntergekommenen Verhältnissen. Auf der Bühne stilisieren sie sich zu psychopathischen Monster-Clowns, verarbeiten eigene Missbrauchserfahrungen und packen ihre Aggressionen in düstere Songs voller Gewalt- und Horror-Phantasien. Ihre Anhänger haben sich einen eigenen Namen gegeben, Juggalos.

Daniel Cronin Bildband The Gathering of the Juggalos

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Auf einem abgelegenen, privaten Campingplatz im Mittleren Westen, wo die Polizei sich raushält, hören sie ihre Musik, baden in einem matschigen Tümpel namens Lake Hepatitis, betrinken sich und decken sich mit neuen Tattoos ein.

Daniel Cronin Bildband The Gathering of the Juggalos

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Ein Juggalo wird im Buch näher vorgestellt: der 24-jährige Cody Perez, der sich auf der Straße als Tätowierer durchgeschlagen hatte, von einer Freundin ausgeraubt wurde und schließlich einen Monat lang brauchte, um zum Gathering zu gelangen. Er legte 2000 Meilen als Tramper zurück, schlief unter freiem Himmel und besaß am Ende nicht viel mehr als den Gürtel, der seine zerrissene Jeans zusammenhielt.

Daniel Cronin Bildband The Gathering of the Juggalos

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Das ist eine entbehrungsreiche Pilgerschaft, wie man sie in anderen kulturellen Zusammenhängen aus der Spiritualität kennt. Die Anhänger der Subkultur sehen hier aus wie die Mitglieder eines Stammes. Ihre vom Leben gezeichneten Gesichter und Körper, tätowiert, vernarbt und weiß geschminkt, erinnern an die mit Asche bemalten Sadhus, die sich in Indien zur Kumbh Mela begeben.

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Dabei richtet Daniel Cronin sein Augenmerk nicht auf die wilden Szenen, die Ausschweifungen des Hip-Hop-Gatherings. Seine Fotografien sind meist bei Tag entstanden. Sie zeigen die Stille, die Erschöpfung, das friedliche Miteinander in einer Gemeinschaft Gleichgesinnter. So ist es ihm gelungen, verblüffende Momente der Zärtlichkeit und Intimität zwischen den Festivalbesuchern festzuhalten. Die Reise der Juggalos endet bei ihm als Familientreffen der Ausgestoßenen, an einem Zufluchtsort. Sie endet zu Hause.

Daniel Cronin Daniel Cronin: The Gathering of the Juggalos, Prestel Verlag, München, London, New York 2013, 104 Seiten mit 50 farbigen Abbildungen, 39,95 Euro.

© SZ vom 29.05.2013/cag
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