Bilanz nach zehn Jahren Sky Marshals:Allein gegen Terroristen

Bewaffnete Bundespolizisten in Zivil sollen in Flugzeugen notfalls einen Terroranschlag verhindern. Doch der Einsatz ist umstritten - so fürchten Piloten, dass an Bord ein verhängnisvoller Schuss fallen könnte.

Sie mischen sich unter die Fluggäste und sollen notfalls Terrorangriffe verhindern: bewaffnete Polizisten ohne Uniform. Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 setzt auch Deutschland regelmäßig Sky Marshals ein. Der Aufbau der Sondereinheit bei der heutigen Bundespolizei begann im Oktober 2001 - damals sollten 200 Beamte dafür abgestellt werden. Einen terroristischen Ernstfall gab es bislang nicht.

A PISTOL WIELDING SKY MARSHAL SIMULATES A HIJACKING DURING A TRAINING SESSION

Wie arbeiten die "Sky Marshals" genannten Bundespolizisten, wie viele gibt es überhaupt - diese Informationen werden geheimgehalten. Im Bild trainieren US-Sky Marshals für den Ernstfall.

(Foto: Reuters)

Der Nutzen von Flugsicherheitsbegleitern bleibt umstritten: Kritiker sähen es lieber, dass die Kontrollen am Boden so gut wären, dass Terroristen gar nicht erst an Bord kommen können. Schon vor zehn Jahren stießen Sky Marshals vor allem unter Piloten auf Skepsis.

Im Falle einer Schießerei an Bord könnten technische Leitungen oder auch die Außenhaut der Kabine so beschädigt werden, dass auch ein Absturz nicht auszuschließen sei, so die Befürchtung. Weiterer Punkt: "Die Polizeigewalt an Bord hat im Prinzip der Pilot. Aber es kann natürlich nicht sein, dass der Sky Marshal im Falle eines Falles erst einmal an die Cockpittür klopft und fragt, ob er eingreifen darf", erinnert sich der Generalsekretär des Airline-Verbandes Barig, Martin Gaebges, an die damalige Debatte. Aber alle diese Themen habe man "geregelt", sagt er.

Wie, darüber schweigen sich Airlines und Sicherheitsbehörden aus. Das Bundesinnenministerium gibt kaum Auskünfte zu dem Thema - aus Sicherheitsgründen, wie ein Sprecher erklärt. Ein Lufthansa-Sprecher bestätigt lediglich, dass es Sky Marshals noch gibt.

Der Sprecher der Pilotenvereinigung Cockpit, Jörg Handwerg, zieht eine sehr kritische Zwischenbilanz: Die Sky Marshals seien "maximal als nachgeordneter Bestandteil einer Gesamtlösung" zu sehen, sagt er.

"Rambos fliegen gleich raus"

"Es muss wesentlich früher angesetzt werden, nämlich (bei den Sicherheitskontrollen) am Boden", so Handwerg. Sky Marshals würden schließlich erst dann aktiv, wenn ein Attentäter bereits zuschlage. Auch Barig-Generalsekretär Gaebges plädiert dafür, die Maßnahmen am Boden zu verbessern - wenngleich er dafür auch andere Gründe anführt: "Unser Ziel ist, dass die Sicherheitskontrollen effizient, bezahlbar und vom Zeitaufwand her erträglich sein müssen."

Heute dauere alles viel zu lange. "Es kann nicht sein, dass man die Passagiere bei Flügen in die USA zwei oder drei Stunden vorher zum Flughafen bitten muss, damit die Sicherheitskontrollen durchgeführt werden können." Gaebges setzt seine Hoffnungen auf Körperscanner - doch die deutschen Testgeräte hatten bei einem Probelauf in Hamburg noch zu viele Kinderkrankheiten gezeigt und mussten zurück ins Labor.

Den Airlines geht es vor allem auch um die Kosten. Für Sky Marshals müssen sie Plätze auf den Flügen umsonst bereitstellen - gerade auch in den teureren Klassen nahe des Cockpits, wo ein Platz schnell mehrere tausend Euro kostet. Dazu sind die Fluggesellschaften per Gesetz verpflichtet. Auf welchen Flügen Sky Marshals eingesetzt werden, entscheidet die Bundespolizei. Theoretisch könnten sie überall auftauchen - auch in Ferienfliegern, sagt der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt.

Cockpit-Sprecher Handwerg sagt: "Es muss auf jedem Flug, egal ob lang oder kurz, damit gerechnet werden, dass Sky Marshals an Bord sind. Gerade dieses Element des Ungewissen ist ein wichtiger Faktor in der Abschreckungsstrategie." Über die Sky Marshals selbst ist ebenfalls wenig bekannt. DPolG-Chef Wendt sagt, dass die Polizisten genau ausgewählt würden. "Die Rambos fliegen als erstes raus."

Sky Marshals müssten nicht nur Kampftechniken beherrschen, sondern auch stressresistent und psychisch stabil sein. "Die müssen stundenlang in einem Flugzeug sitzen, wo nichts passiert, und trotzdem müssen sie auch nach zehn Stunden noch hellwach sein." Bisher setze man darauf, dass sich Polizisten freiwillig für das Auswahlverfahren zu dem anspruchsvollen Job meldeten. Damit dies so bleibt, fordert er höhere Zulagen für die Sky Marshals - ein "paar hundert Euro" seien jedenfalls nicht genug.

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