Der Weg von Monsieur Hugues war stets der gleiche, er führte an der Groenerei vorbei durch die Peerdenstraat an die Spiegelei - das unbewegte Wasserbassin, in welchem sich die Häuserreihen so wehmütig zitternd abmalen. Am Ende brachte ihn sein lustloser Gang auf den Groete Markt, und damit stand Monsieur Hugues - Held des Rodenbach-Romans "Bruges-la-Morte", in der Mitte von Brügge, das ihm gut gefiel, weil es so schön tot wirkte.
Brügge spiegelt sich in seinen Kanälen und im Roman von Georges Rodenbach.
Die Brügger fanden es gar nicht lekker, dass ihr feinnerviger Lyriker Georges Rodenbach ihrer Stadt ein Gepräge gab, das sie lange Zeit nicht los wurde: "Bruges-la-Morte", die tote Stadt. Dabei hatte Rodenbach mit seinem Roman erst dafür gesorgt, dass Brügge sich allmählich wieder ins Bewusstsein der Menschheit schob - denn seit dem späten 17.Jahrhundert waren dort die Wasseradern zur Nordsee versandet, und die Kaufleute schleppten sich mit ähnlich gesenktem Haupt über den Grote Markt wie später Monsieur Hugues.
Wäre Monsieur Hugues heute in Brügge unterwegs, stünde er vor dem Belfort ganz gebückt zwischen den vielen Tagesreisenden, die gern den großen Glockenturm fotografieren möchten, allerdings müssten sie dazu ihre fettigen Frittentüten beiseite legen. Monsieur hätte Schwierigkeiten, seine Tristesse zu pflegen, denn der Groete Markt ist ein einziges Gewimmel von Touristen, die wohl immer noch ihre Gänge durch durch den Renaissance-, und den Gotiksaal absolvieren, denen aber eigentlich das am Herzen liegt, was auch die Organisatoren des Brügge-Jahrs - Brügge ist Kulturhauptstadt 2002 - ganz besonders wollen: die alte Stadt herzunehmen als Kulisse für die Vergnügungen der Gegenwart.