Bedrohte Läden in New York:Das verschwindende Gesicht

Was bei uns Tante-Emma-Laden heißt, sind in den USA Mom-and-Pop-Stores. Die Fotografen Karla und James Murray porträtieren sie, bevor sie schließen müssen.

10 Bilder

Store Front II

Quelle: James & Karla Murray

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Was macht den Charme eines Viertels aus? Es sind nicht die austauschbaren Fronten von Kaufhäusern, die es in zu vielen weiteren Städten gibt. Sondern die kleinen Läden - und die Geschichten ihrer Besitzer, die ihre Kunden manchmal seit Jahrzehnten kennen. Die Fotografen Karla und James Murray leben in New York und lieben das alte Flair. 2008 haben sie erstmals Bilder von kleinen Läden veröffentlicht, von denen schon bis zum Erscheinen des Buches die Hälfte schließen musste. Ihr Projekt "Store Front: The Disappearing Face of New York" verglich das Wall Street Journal mit der Liste gefährdeter Arten in der Natur (hier eine Bildauswahl aus "Store Front" und Nachfolger "New York Nights"). Einer besonders gefährdeten Art widmen sich die Murrays nun in "Store Front II": den "Mom-and-Pop-Geschäfte", die in Deutschland Tante-Emma-Läden heißen - familiengeführte kleine Läden, die oft an steigenden Mieten zugrundegehen.

Golden Gate Fancy Fruits & Vegetables, Flatlands, Brooklyn (2009): Das Ziegelhaus ist so niedrig wie der Laden, alles ist auf das Wesentliche reduziert - es geht um Früchte, und wer sich die nicht selbst holen kann oder will, wird kostenlos beliefert. John Cortese hat das Obstgeschäft von seinem Vater übernommen, der es 1939 eröffnete. Allerdings: "Es ist harte Arbeit an langen Tagen. Und wenn mir das Gebäude nicht gehören würde, hätte ich längst schließen müssen."

Store Front II

Quelle: James & Karla Murray

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Ray's Candy Store, East Village (2013): Wo andere Lebensmittelläden damit werben, Bio-Zutaten zu verwenden, verspricht Ray Alvarez: Hier wird alles mit Liebe zubereitet - auch wenn die Herzen unter dem Schriftzug "Love" fast bis zur Unkenntlichkeit abgeschabt sind. Alvarez eröffnete den Süßigkeitenladen im Jahr 1974: "Damals zahlte ich angemessene 120 Dollar im Monat. Seit ich 2014 meinen Pachtvertrag erneuern musste, sind es 4282,95 Dollar." Dafür muss er viel Softeis verkaufen.

New York Store Front II -  A History preserved
The disappearing Face of New York

Quelle: James & Karla Murray

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Patsy's Restaurant im Theater District, Manhattan (2010): Das Restaurant schloss 1944 das erste Mal auf und ist berühmt für seine italienische Küche und die hausgemachten Soßen. Wie schon an den Fotos im Schaufenster zu sehen, weist Frank DiCola, Mitbesitzer in der dritten Generation, gerne auf illustre Gäste hin: "Das war Frank Sinatras Lieblingsrestaurant. Er aß hier oft nach Aufnahmen im nahen Studio. Seine Familie kommt jedes Mal zum Essen, wenn sie in der Stadt sind. Dann decken wir den Spezialtisch, den wir im Obergeschoss für Sinatra reserviert hatten."

New York Store Front II -  A History preserved
The disappearing Face of New York

Quelle: James & Karla Murray

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Rudy's Music Stop nahe dem Times Square, Manhattan (2011): Die Adresse ist eigentlich eine der besten - die 48th Street wird "Music Row" genannt, weil sich ein Musikgeschäft an das andere reiht. Doch immer mehr müssen schließen oder wegziehen. Dieses Schicksal ereilte im Sommer 2015 auch Rudy Pensa, der in seinem Music Stop seit 1978 in der 48th Street Gitarren und Bässe jeder Art feilbot. Doch weil der Pachtvertrag auslief, musste er nach Soho umsiedeln. "Ich wäre gern geblieben", sagt Pensa.

Store Front II

Quelle: James & Karla Murray

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Dairy Luncheonette am Borough Park, Brooklyn (2010): "Ich arbeite auf Vertrauensbasis: Die Kunden sagen mir, was sie bestellt hatten, und ich berechne ihnen das", erklärt Roz Lieberman, Inhaber des jüdischen Familienbetriebes in der zweiten Generation. Im Schaufenster hängt ein großes vergilbtes Foto von der Klagemauer in Jerusalem.

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New Caporal Fried Chicken & Shrimp in Washington Heights, Manhattan (2010): Man sah es dem Laden auf den ersten Blick nicht an, auf den zweiten auch nicht, aber: Hier gab es offenbar für nur zwei Dollar das beste Hühnersandwich der Welt. Jedenfalls wenn man der handgeschriebenen Werbung Glauben schenkte. Offenbar reichte dieses verlockende Angebot nicht, das Geschäft zu retten - es musste 2011 schließen.

New York Store Front II -  A History preserved
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Quelle: James & Karla Murray

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Marietta in Carroll Gardens, Brooklyn (2009): Obwohl die Fassade griechisch anmutet, ist dieser Familienbetrieb von Italienern für Italiener gedacht. Als der Laden 1940 eröffnete, prägten diese das Viertel. "Ein Großteil der Kleidung führten wir in großen Größen, weil damals jeder etwas mehr wog. Jetzt hat sich das Viertel so verändert", erklärt Giuseppe Chirico, Mitbesitzer in der zweiten Generation. Nun wohnen weniger italienischstämmige Familien hier, dafür jüngere und schlankere Menschen. "Manchmal verkaufen wir Kleidung an Erwachsene, die wir früher bei den Kindergrößen einsortiert hätten", wundert sich Chirico.

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Quelle: James & Karla Murray

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Morscher's Pork Store in Ridgewood, Queens (2009): Ist das ein deutsches Geschäft? Das märchenhafte Tischlein-deck-dich-Bild neben der Leuchtreklame weist darauf hin, aber ganz stimmt es nicht. Joseph Morscher gründete im Jahr 1957 sein Spezialitätengeschäft für Schweinefleisch, das seitdem für selbstgemachte Würste und Kulinarisches aus Gottschee (Kočevje) bekannt ist. Dies war eine deutschsprachige Enklave in Slowenien. "Die Neonreklame ist noch aus unserer Anfangszeit", sagt Morscher.

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Quelle: James & Karla Murray

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Mansoura's Pastries in Midwood, Brooklyn (2009): Hier ist der Name Programm, wie Josiane Mansoura erklärt. Ihr Schwiegervater hatte das Geschäft 1961 eröffnet und wollte mit "Oriental Pastry" gleich klarmachen, welche Art Gebäck die Kunden in dem kleinen Geschäft in Brooklyn erwartet.

New York Store Front II -  A History preservedThe disappearing Face of New York

Quelle: James & Karla Murray

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Alle Bilder stammen aus dem bei Gingko Press erschienenen Bildband "New York Store Front II - A History preserved. The disappearing Face of New York" von Karla und James Murray, die bedauern: "Von den dafür fotografierten Läden sind seit der Aufnahme schon 20 Prozent verschwunden."

© SZ.de/kaeb/ihe/rus
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