Bahn und Lufthansa:So viel Streik, so wenig Ärger

Lokführerstreik - Berlin

Ein Vater wartet am Sonntag mit seinen beiden Söhnen auf dem Hauptbahnhof in Berlin auf ein Weiterkommen.

(Foto: dpa)

Eigentlich die besten Voraussetzungen für einen deutschlandweiten Verkehrsinfarkt: Die Lokführer wollten am Wochenende nicht fahren, nun heben die Piloten nicht ab. Warum dennoch alles überraschend ruhig bleibt.

Kommentar von Kassian Stroh

Ein Wunder: Deutschland steht noch. Das ist an diesem Montag durchaus eine Nachricht. Denn was hatten die Experten nicht alles prophezeit: Sieben Bundesländer, die in die Ferien starten, und zwei, die selbige beenden. Fußball-Wochenende, Reise-Wochenende, offenbar halb Deutschland in Bewegung - und dann ein Lokführer-Streik.

Vor einer "Extrem-Situation" warnte der ADAC am Freitag noch. Statt dem bewegten Land erwartete man Stillstand, der in die Verzweiflung treibt. Und dann? Blieb alles ruhig. "Wir waren etwas überrascht", räumte der Autofahrer-Klub kleinlaut ein.

Sicher: Es gab Menschen, die im Stau standen oder sich in überfüllte ICE drängen mussten. Es gab Menschen, die genervt zu Hause blieben, wiewohl sie Freunde sehen wollten, die sie seit Jahren nicht zu Gesicht bekommen hatten. Es gab offenbar sogar welche, die an Bahnhöfen strandeten und dort die Nacht verbrachten. Ja, es gab viele, die noch am Montag entnervt waren. Was es aber nicht gab, war das große Chaos.

Und wenn nun die Piloten dazukommen, die mit den Lokführern anscheinend einen geheimen Pakt geschlossen haben, sich in schöner Regelmäßigkeit abzuwechseln, dann wird der große Zusammenbruch wieder ausbleiben - schon allein weil die Fliegerei nicht annähernd das Massenverkehrsmittel ist wie die Bahn.

Die Deutschen sind inzwischen ziemlich mobile Menschen. Zumal an den Wochenenden, wenn sie ihre Fernbeziehungen pflegen, ihre Familien zusammenführen, ihrer Reiselust frönen. Eigentlich wären also streikende Lokführer ein hoch wirksames Nervengift für diese Gesellschaft.

Dass dem offenbar nicht mehr so ist, hat zwei Gründe: Die Bahn ist inzwischen gut organisiert und stellt Notfallpläne auf, die sich als erstaunlich robust erweisen. Und die Deutschen entwickeln eine gewisse Streikroutine, fahren früher, später oder gar nicht; manchmal bilden sie Fahrgemeinschaften, manchmal nehmen sie sogar eines dieser neumodischen Verkehrsmittel namens Fernbus. Und all diese Unbill ertragen sie recht gelassen.

Die Bahnerfahrenen unter ihnen freuen sich sogar, weil die Züge, die noch fahren (und so wenige waren das am Wochenende gar nicht), so pünktlich sind wie nie.

Gefährlich ist das für die Streikenden: Ihre Macht ist der Zorn der Kunden; wo der ausbleibt, haben sie wenig in der Hand. Denn ein Streik darf nicht nur nerven, er muss den Nerv treffen.

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