Australien: Lord-Howe-Insel:Strenge Regeln im Paradies

Die Bewohner von Lord Howe achten darauf, dass nicht mehr als 400 Touristen gleichzeitg auf der Südsee-Insel sind - damit alles so bleibt, wie es ist.

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Es gäbe gute Gründe, diesen Text gar nicht zu schreiben. Es sind die gleichen, die dafür sprechen, ihn zu lesen. Denn bei Lord Howe Island, einer kleinen, zu Australien gehörenden Insel im Pazifik, steht jeder Besucher bei seiner Abreise vor einem echten Problem: Soll er anderen von diesem Geheimtipp erzählen - auf die Gefahr hin, dass er anschließend keiner mehr ist?

Freundliche Menschen, kein Stress, sattgrüne Berge, ein tiefblaues Meer: Lord Howe ist Australiens Südseeparadies.

Dass es von Gästen überrannt wird, wenn es kein Geheimtipp mehr sein sollte, steht aber nicht zu befürchten, denn der Tourismus wird streng gemanagt: Die 350 Insulaner dürfen nur 400 Urlauber zugleich bewirten - was dazu führt, dass auch viele "Aussies" von Lord Howe noch nie etwas gehört haben.

Haustüren und Fahrräder werden niemals abgeschlossen. Der einzige Polizist auf der Insel achtet vor allem darauf, dass jeder Radler einen Helm trägt. Bei einer Befragung sprachen sich 70 Prozent der Inselbewohner gegen ein Handynetz aus.

Wer auf Lord Howe seinen Urlaub verbringt, ist wirklich weitab vom Schuss - und das bei oft idealem Wetter: Es ist nie zu heiß und fast nie zu kalt. "Wenn es hier mal 27 Grad hat, liegen wir alle in der Ecke und machen nichts mehr", sagt der lokale Naturführer Ian Hutton und schmunzelt.

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Dass Lord Howe Island zu Australien gehört, merken Besucher vor allem am entspannten Lebensgefühl der Einwohner. Vieles andere, was "Down under" sonst ausmacht, fehlt dagegen.

Eukalyptusbäume sind in der Unterzahl. Es dominieren Banyan-Bäume und Kentia-Palmen, die in Plantagen angebaut und als Zimmerpflanzen nach Europa exportiert werden. Pro Jahr verlassen zwei Millionen Setzlinge die Insel.

Es gibt hier auch keine Koalas, keine Kängurus und keine Kunst von Aborigines - Australiens Ureinwohner haben die Insel nie erreicht.

Auch die Polynesier, die fast alle Pazifik-Eilande bis hinunter nach Neuseeland für sich einnahmen, scheinen nicht hier gewesen zu sein.

Erst 1788 sichteten britische Seeleute zufällig die hohen Berge der Insel, die sie nach ihrem damaligen Marinechef Lord Howe benannten.

Wie so viele Inseln der Region, ist auch Lord Howe der Rest eines großen Vulkans, der langsam erodiert. "Nach sieben Millionen Jahren sind noch zwei Prozent von ihm übriggeblieben", erklärt Ian Hutton.

In weiteren 200.000 bis 300.000 Jahren werde auch des Rest im Ozean versunken sein. Und über dem 20 Kilometer von der Insel entfernten Felsen Ball's Pyramid, der gut 560 Meter hoch aus dem Pazifik ragt, werden sogar schon in 10.000 Jahren die Wellen zusammenschlagen.

Daran wird auch der besondere Schutzstatus der Inselgruppe nichts ändern können - seit 1982 gehört Lord Howe zum Unesco-Weltnaturerbe. Ball's Pyramid darf von niemandem betreten werden - und auch nur Profi-Kletterer hätten überhaupt eine Chance, nach oben zu kommen.

Kokospalmen-Kletterkurs auf Lord Howe

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Phantastische Aussichten bietet auch Lord Howe Island selbst, zum Beispiel vom 875 Meter hohen Mount Gower. Zum höchsten Punkt der Insel geht es allerdings nur mit einem lizenzierten Führer - und wer die Tour mitgemacht hat, weiß, warum das auch gut so ist.

"Für viele Teilnehmer ist sie sicherlich das Anstrengendste, das sie in ihrem ganzen Leben unternehmen", sagt Inselführer Ian Hutton.

Um 7:40 Uhr geht es los. 16 Gäste hat Bergführer Jack Shick an diesem Tag zu betreuen, Achtjährige sind dabei, auch einige Rentner.

Für Jack ist die Tour reine Routine: Es wird seine 1187. Ankunft auf dem Gipfelplateau. Für Auf- und Abstieg kalkuliert er rund neun Stunden. Das ist deutlich weniger als 1869 bei der Erstbesteigung, als die Wanderer zwei Tage unterwegs waren - aber auch sehr viel im Vergleich zu dem Triathleten, der seit den 1990er Jahren mit der unvorstellbaren Zeit von einer Stunde und 41 Minuten den Rekord hält.

Er muss auf den Mount Gower in vollem Tempo hinaufgerannt und auf dem Weg nach unten meistens gesprungen sein.

Der Pfad für die Touristen verläuft zunächst an der Westflanke des zweiten Berges auf Lord Howe, des 777 Meter hohen Mount Lidgbird. Im Gänsemarsch geht es an den 100 Meter tief abfallenden Klippen vorbei, immer ein paar Finger an dem Seil, das an der "Lower Road" im steilen Hang verankert ist.

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Dann zweigt der Weg in den Urwald im Inselinneren ab, und an der "Get-up-Area" geht es im 75-Grad-Winkel die Wand hoch. Nun packen beide Hände fest ans Seil - und bei vielen Wanderern kommt der Wunsch auf, zehn Kilogramm abzunehmen, weil sie sich dann leichter hinaufstemmen könnten.

Doch Ehrgeiz, Mut und die Aussicht, das grüne Paradies und den weiten Pazifik von ganz oben zu sehen, spornen zum Weiterklettern an.

Ein letztes Hochziehen, ein letztes Japsen, und das Ziel ist erreicht. Der Mount-Gower-Gipfel ist - von den wenigen Aussichtspunkten abgesehen - von dichtem Nebelwald bedeckt, der an zwei Dritteln aller Tage in den Wolken steckt.

Moose, Farne, kleine Palmen und Schlingpflanzen bilden ein verwirrendes grünes Dickicht, in dem sich auch die "Woodhen" genannte Waldralle wohl fühlt.

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Den flugunfähigen Vogel gibt es nirgendwo sonst auf der Welt - und dass er noch existiert, ist eine kleine Erfolgsgeschichte. Denn die "Woodhen" war schon fast ausgestorben - verdrängt von verwilderten Schweinen und gejagt von Katzen. 1972 wurden noch genau 17 Exemplare gezählt, erzählt Ian Hutton. Es war Zeit zum Handeln: Katzen und Schweine wurden verboten und 1999 etwa 300 wilde Ziegen geschossen.

Zusammen mit einem Brutprogramm rettete das die Art. Heute tummeln sich vor allem ganz oben am Mount Gower wieder etwa 300 Exemplare von Gallirallus sylvestris.

Nach der Rückkehr vom Berg schmerzen die Muskeln, die Haut an den Beinen ist zerkratzt vom Gestrüpp, das über den Pfad wuchert. Wer sich diesen Kraftakt nicht zumuten möchte, kann sich aber auch für weniger anstrengende Touren entscheiden.

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Im Norden von Lord Howe zum Beispiel beginnt ein schöner Rundweg an Ned's Beach, der 2004 und 2005 zu "Australiens sauberstem Strand" gewählt wurde. Dort gehen viele Urlauber mit Händen voller Toastbrot ins hüfttiefe Wasser.

Bis zu einem Meter lange Fische umtänzeln ihre Beine und schnappen nach jedem Brocken, den sie vor die Kiemen bekommen - ein harmloser Spaß, auch wenn es so aussieht wie bei Haien, die ihre Opfer umkreisen.

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Das Ziel der kurzen Wanderung ist der 208 Meter hohe Malabar Hill, wo es einen der besten Panoramablicke auf den Mount Gower und Mount Lidgbird, aber auch auf die vielen kleinen Felsinseln nordöstlich von Lord Howe gibt. In diese Richtung fallen die Klippen extrem steil ab.

Am sanfteren Westhang des Hügels liegen noch immer die Trümmer eines Flugbootes der australischen Luftwaffe, das hier 1948 beim Versuch einer Notwasserung abstürzte. Ein Denkmal am Old Settlement Beach erinnert an die sieben Todesopfer.

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Hier liegt dem Wanderer auch Lord Howes Lagune mit ihrem türkisfarbenen Wasser vor den Füßen. Vom Ozean trennt sie das weltweit südlichste Korallenriff, das sich bilden konnte, weil eine warme Strömung entlang der australischen Ostküste genau auf der Höhe von Lord Howe auf den Pazifik abdreht.

Auch viele Taucher und Schnorchler sind deshalb unter den Touristen.

Motorenlärm stört die Gäste selten, die meisten sind hier mit dem Fahrrad unterwegs. Es gibt sechs Mietwagen auf Lord Howe, aber eigentlich keinen Grund, einen von ihnen zu nutzen.

Nachts kommt zur Ruhe noch die tiefe Finsternis - es gibt kaum Lichtquellen weit und breit außer dem südlichen Sternenhimmel und ein paar Lampen an den Häusern. Die Restaurants bieten deshalb durchweg an, ihre Gäste nach dem Dinner zurück zur Unterkunft zu fahren - man würde sich sonst in der Dunkelheit zu schnell verirren.

Ab 21:00 Uhr wird das Inselleben dann sehr schnell sehr still. Nachtklubs und Discos? Fehlanzeige.

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Viele Urlauber, die mit Wehmut die Koffer für die Abreise packen, träumen davon, wiederzukommen - am liebsten für immer. Doch auf Lord Howe ein Haus zu kaufen, ist fast unmöglich. Nur die Nachfahren der drei ersten Siedlerfamilien aus dem 19. Jahrhundert sowie Menschen, die seit mindestens zehn Jahren auf der Insel leben, dürfen überhaupt Land besitzen. Und pro Jahr wird im Schnitt nur eine Baugenehmigung erteilt, erzählt Ian Hutton.

Auch sonst hat das Leben hier Tücken: Beim Einkaufen ist vieles um 40 Prozent teurer als auf dem Festland, vor allem Elektrogeräte und manche Lebensmittel. Nur alle 14 Tage kommt ein Schiff und bringt, was für die Luftfracht zu sperrig ist.

Neue Hotels sind auf der Insel nicht in Planung: An der Zahl von maximal 400 Urlaubern gleichzeitig wird sich daher nichts ändern, sagt Stephen Wills von der Inselregierung: "Nur dies sichert, dass die Umwelt geschützt ist, und deswegen kommen die Leute ja zu uns."

Lord Howe wird wohl eine Insel mit guten Aussichten bleiben - nicht nur vom Gipfel aus, sondern auch, was den Geheimtippstatus angeht.

Informationen: Lord Howe ist eine 11 Kilometer lange und 2,8 Kilometer breite Insel. Sie liegt 700 Kilometer nordöstlich von Sydney auf der Höhe der australischen Stadt Port Macquarie im südwestlichen Pazifik. Anreise und Formalitäten: Die Qantas fliegt täglich mit kleinen Turboprop-Maschinen von Sydney nach Lord Howe, an den Wochenenden zum Teil mehrmals am Tag. Im australischen Sommer gibt es samstags und sonntags Flüge auch ab/bis Brisbane und Port Macquarie. Der Flug von Frankfurt/Main nach Sydney oder Brisbane dauert mit Stopp in Singapur etwa 22 Stunden, der Weiterflug nach Lord Howe knapp zwei Stunden. Touristen aus der EU müssen sich im Internet unter www.immi.gov.au bei den australischen Behörden anmelden. Per E-Mail erhalten sie dann - meist binnen weniger Minuten - die "E-Visitor"-Einreisegenehmigung. Klima und Reisezeit: Subtropisches Meeresklima. Von September bis Mai liegen die Tageshöchstwerte bei 23 bis 26 Grad, in den übrigen Monaten sind es 16 bis 18 Grad. Der meiste Regen fällt im Mai/Juni. Geld: Ein Euro sind 1,68 australische Dollar (Stand: September 2009). Gängige Kreditkarten werden auf der Insel meist akzeptiert. Weiteres: Lord Howe Island Visitor Centre www.lordhoweisland.info, www.visitnsw.com)

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(Christian Röwekamp/dpa/dd)

© sueddeutsche.de/dpa/dd
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